Schreiben ist eine der schönsten Hauptsachen der Welt. Wer nicht nur für sich Erlebtes und Erdachtes festhalten will, sondern schreibt um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dem zeigt ein erfahrener Autor Wege durch den schwierigen Alltag der freien Schriftstellerei und ihrer Bedingungen, von der Mediensituation über den Büchermarkt bis zu Autorenverträgen und Steuererklärungen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2002Fersengeld
Wolfgang Bittners Schreibhilfe
"Zeilengeld", der Titel des am Ende des neunzehnten Jahrhunderts erschienenen Romans von Georg Gissing, sagt fast alles über das gewerbliche Schreiben - genug jedenfalls, um Fersengeld zu geben. Wer trotzdem glaubt, seinen Lebensunterhalt durch Schreiben sich verdienen zu können und zu wollen, darf eins nicht sagen: daß er nicht gewarnt worden sei. Wolfgang Bittner bietet für diese Unverwegten Hilfe an und verspricht: "Was man wissen muß, wenn man vom Schreiben leben will". Er liefert eine Arbeitsplatzbeschreibung für die Berufssparte "Schriftsteller". Dazu gehören zum Beispiel eine Übersicht über übliche Honorare, Erörterungen über Formen der Zensur oder die Präsentation bei öffentlichen Veranstaltungen. Bittner erläutert die Tücken von Verlagsverträgen, die Vorteile der Künstlersozialkasse und des Verbands deutscher Schriftsteller. Das alles ist hilfreich und gut. Reizvoll ist diese Arbeitsplatzbeschreibung aber insofern, als Wolfgang Bittner sich selbst zu denjenigen zählt, die ihr Geld mit Schreiben verdienen - zum Beispiel mit dem Schreiben eines Buchs übers Schreiben als Profession. Und da kommen dem Leser gelegentlich Zweifel, ob man "das Handwerk mit der Phantasie" nicht auch anders beschreiben könnte.
Bittner gibt zum Beispiel eine Anleitung zur Anfertigung von Gebrauchsliteratur in einem traurig stimmenden Kapitel. Es heißt da etwa, die Romanfiguren, ihre Charaktere und ihr Schicksal, stünden ganz im Ermessen des Autors. Das ist nicht falsch und nicht richtig, in jedem Fall aber dürften die Romane, in denen die Figuren nur handeln, wie der Autor es will, ziemlich flach und überflüssig sein. Wie ist es mit der Eigendynamik von Texten, von Charakteren, Handlungen und Gedanken - dem eigentlichen Abenteuer des Schreibens? Davon ist nicht die Rede, obwohl es doch der stärkste Reiz ist, sich dem Schreiben hinzugeben, obwohl es eine einsame und zehrende Arbeit ist.
Allenfalls wird von der "gesellschaftlichen Verantwortung der Phantasie" gesprochen, also von der Selbstzügelung des Autors. Das fleißige Verwerten von allem, was halbwegs gedacht und geschrieben ist, mag zur Realität des Berufs gehören. Wenn es aber im Zentrum steht - warum eigentlich sollte man den Beruf dann ergreifen wollen? Dann ist die Tätigkeit auch nicht interessanter als ein Job am Bankschalter, dafür aber schlechter bezahlt. Wenn das, was Bittner hier umreißt, den Beruf des Schriftstellers auch nur in etwa beschreibt, dann wird es nicht viele geben, die diesen Ratgeber überhaupt brauchen.
MICHAEL JEISMANN
Wolfgang Bittner: "Beruf: Schriftsteller". Was man wissen muß, wenn man vom Schreiben leben will. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2002. 159 S., Abb., br., 7,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wolfgang Bittners Schreibhilfe
"Zeilengeld", der Titel des am Ende des neunzehnten Jahrhunderts erschienenen Romans von Georg Gissing, sagt fast alles über das gewerbliche Schreiben - genug jedenfalls, um Fersengeld zu geben. Wer trotzdem glaubt, seinen Lebensunterhalt durch Schreiben sich verdienen zu können und zu wollen, darf eins nicht sagen: daß er nicht gewarnt worden sei. Wolfgang Bittner bietet für diese Unverwegten Hilfe an und verspricht: "Was man wissen muß, wenn man vom Schreiben leben will". Er liefert eine Arbeitsplatzbeschreibung für die Berufssparte "Schriftsteller". Dazu gehören zum Beispiel eine Übersicht über übliche Honorare, Erörterungen über Formen der Zensur oder die Präsentation bei öffentlichen Veranstaltungen. Bittner erläutert die Tücken von Verlagsverträgen, die Vorteile der Künstlersozialkasse und des Verbands deutscher Schriftsteller. Das alles ist hilfreich und gut. Reizvoll ist diese Arbeitsplatzbeschreibung aber insofern, als Wolfgang Bittner sich selbst zu denjenigen zählt, die ihr Geld mit Schreiben verdienen - zum Beispiel mit dem Schreiben eines Buchs übers Schreiben als Profession. Und da kommen dem Leser gelegentlich Zweifel, ob man "das Handwerk mit der Phantasie" nicht auch anders beschreiben könnte.
Bittner gibt zum Beispiel eine Anleitung zur Anfertigung von Gebrauchsliteratur in einem traurig stimmenden Kapitel. Es heißt da etwa, die Romanfiguren, ihre Charaktere und ihr Schicksal, stünden ganz im Ermessen des Autors. Das ist nicht falsch und nicht richtig, in jedem Fall aber dürften die Romane, in denen die Figuren nur handeln, wie der Autor es will, ziemlich flach und überflüssig sein. Wie ist es mit der Eigendynamik von Texten, von Charakteren, Handlungen und Gedanken - dem eigentlichen Abenteuer des Schreibens? Davon ist nicht die Rede, obwohl es doch der stärkste Reiz ist, sich dem Schreiben hinzugeben, obwohl es eine einsame und zehrende Arbeit ist.
Allenfalls wird von der "gesellschaftlichen Verantwortung der Phantasie" gesprochen, also von der Selbstzügelung des Autors. Das fleißige Verwerten von allem, was halbwegs gedacht und geschrieben ist, mag zur Realität des Berufs gehören. Wenn es aber im Zentrum steht - warum eigentlich sollte man den Beruf dann ergreifen wollen? Dann ist die Tätigkeit auch nicht interessanter als ein Job am Bankschalter, dafür aber schlechter bezahlt. Wenn das, was Bittner hier umreißt, den Beruf des Schriftstellers auch nur in etwa beschreibt, dann wird es nicht viele geben, die diesen Ratgeber überhaupt brauchen.
MICHAEL JEISMANN
Wolfgang Bittner: "Beruf: Schriftsteller". Was man wissen muß, wenn man vom Schreiben leben will. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2002. 159 S., Abb., br., 7,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein Buch für Verwegene, so viel ist klar. Niemand, so Michael Jeismann in seiner knappen Besprechung, soll künftig noch sagen, er sei nicht gewarnt worden. Dafür bietet das Bändchen eine "Arbeitsplatzbeschreibung für die Berufssparte Schriftsteller", d.h. Informationen zu Honoraren, Formen der Zensur oder den Tücken von Verlagsverträgen. Alles hilfreich und gut. "Reizvoll" aber findet Jeismann das Buch vor allem darum, weil sein Autor sich selbst zu denjenigen zählt, die ihr Geld mit Schreiben verdienen - mit so einem Buch zum Beispiel. Und da wird dem Rezensenten dann doch schwer ums Herz. Auch nicht die Spur von einem "Abenteuer Schreiben" findet sich bei Bittner. Und ein "traurig stimmendes Kapitel" über die Anfertigung von Gebrauchsliteratur, in dem den armen Romanfiguren kein bisschen Eigendynamik zugestanden wird, veranlasst den Rezensenten zu der Vermutung, dass, sollte der Beruf des Schriftstellers wirklich so aussehen, wie Bittner ihn beschreibt, es nicht viele geben wird, die diesen Ratgeber überhaupt brauchen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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