Zwischen 1754 und 1756 war der schwedische Kapitän Marcus Berg mit seiner Mannschaft in der Gewalt des „Kaisers“ von Marokko. Kurz nach seinem Freikauf durch die schwedische Krone erschien 1757 sein Erlebnisbericht, der europaweit Aufsehen erregte und bald zu einer konzertierten Aktion gegen die
marokkanischen Kaperschiffe führte. Die marokkanische Flotte wurde innerhalb weniger Jahre zerstört und…mehrZwischen 1754 und 1756 war der schwedische Kapitän Marcus Berg mit seiner Mannschaft in der Gewalt des „Kaisers“ von Marokko. Kurz nach seinem Freikauf durch die schwedische Krone erschien 1757 sein Erlebnisbericht, der europaweit Aufsehen erregte und bald zu einer konzertierten Aktion gegen die marokkanischen Kaperschiffe führte. Die marokkanische Flotte wurde innerhalb weniger Jahre zerstört und es kam danach zu keinen weiteren Entführungen mehr. Eine Spätfolge von Bergs Bericht war die Ächtung der Sklaverei in Europa nach dem Wiener Kongress 1815.
„Die Beschreibung der barbarischen Sklaverei“ ist die erste deutsche Übersetzung dieses wichtigen Buchs, das bis heute die authentischste Quelle für die Versklavung von Christen durch muslimische Gewaltherrscher im 18. Jahrhundert ist. Markus Berg bleibt in seinen Schilderungen stets sachlich und er bemüht sich um eine neutrale Position. So setzt er den willkürlichen Grausamkeiten des psychopathischen „Kaisers“ immer auch Gnadenbeweise entgegen, die zwar ebenso willkürlich erfolgen, aber der Person zumindest ansatzweise menschliche Züge geben. Die detaillierten Beschreibungen, zur Zeit der Niederschrift noch frisch in Bergs Gedächtnis, zeigen eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Berg verschafft sich regelmäßig Hintergrundinformationen, um Entwicklungen besser einzuschätzen, was ihm dank eines recht gut funktionierenden Netzwerks auch gelingt. Die christlichen Geiseln sind wertvolle Verhandlungsmasse für den „Kaiser“ Mulai Abdallah, der sich bei näherer Betrachtung allerdings als Clanchef ohne überregionale Macht erweist. Mehrfach muss er sich in seine Festung in Fez zurückziehen, belagert von Berberstämmen, die ihm Tribut abpressen. Und so geht es auch bei den christlichen Geiseln nur ums Geld: Die Zusage der schwedischen Krone kommt bereits 1755, aber Mulai Abdallah erhöht laufend die Forderungen, so dass es noch weitere anderthalb Jahre dauert, bis die Schweden wirklich freikommen. In dieser Zeit erleben die Gefangenen eine psychopathische Herrschaft, wie sie heute selten ist (allerdings, wie das Beispiel Russland zeigt, noch immer nicht Geschichte).
Neben der Beschreibung der Haftumstände legt Berg auch großen Wert auf die Darstellung der marokkanischen Gesellschaft, ihrer Sitten und Gebräuche. Er beschreibt Landschaften, Klima und Ackerbau, Häuser und ihre Einrichtung, Kleidung und Handelswaren. Obwohl er keine wissenschaftliche Ausbildung besitzt, nimmt er seine Umgebung mit wissenschaftlicher Gründlichkeit wahr und versucht hinter das Gesehene zu schauen und inhaltliche Verbindungen zu schaffen. Das ist bemerkenswert und ein Grund, warum seine Darstellung so authentisch wirkt. Nimmt man seine häufigen Referenzen auf Gottes Gnade und die ihm auferlegte Prüfung heraus, bleibt eine ausgesprochen gehaltvolle Länderbeschreibung aus eigener Anschauung.
Das Nachwort von Eric Gloßmann ist lesenswert, denn es liefert einen sehr detaillierten historischen Hintergrund, den Marcus Berg zu seiner Zeit nur in Teilen wissen konnte. Gloßmann setzt die Entführung in einen größeren Kontext, wobei er aus meiner Sicht allerdings die Relationen etwas außer Acht lässt. Er erwähnt ausführlich, dass es auch muslimische Geiseln in europäischem Gewahrsam gab, was ein wenig wie eine rechtfertigende Relativierung wirkt. Allerdings war deren Situation bei weitem nicht so prekär, wie die der Christen und muslimische Geiseln wurden auch nur zum Austausch gegen christliche Gefangene genutzt, nicht zur Bereicherung eines Gewaltherrschers. Die unfassbare Brutalität Mulai Abdallahs, seine willkürlichen Hinrichtungen (auch der eigenen Bevölkerung), die Sprunghaftigkeit seiner Entscheidungen, seine menschenverachtenden Strafen – so etwas gab es in Europa seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr.
Bergs Bericht ist ein Beleg, dass die muslimische Verfolgung von Juden und Christen nicht erst in unserer Zeit ein Problem geworden ist, sondern sich seit dem Mittelalter nahezu ohne Unterbrechung durch die Jahrhunderte zieht. Die Beschreibung der sadistischen Foltermethoden, die völlig willkürliche Ermordung Wehrloser bei öffentlich zur Schau gestellter „Rechtgläubigkeit“, erinnert fatal an das Regime des „Islamischen Staats“. Die aktuelle Christenverfolgung in der Türkei, Ägypten, Indonesien und weiten Teilen Afrikas geht leider immer mehr in dieselbe Richtung.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)