Im Dezember 1939 kommt es vor dem Bahnhof von Genthin zum schwersten Zugunglück, das sich jemals auf deutschem Boden ereignet hat. Zwei Züge prallen aufeinander, zahlreiche Menschen sterben. In einem davon sitzt Carla, die schwer verletzt überlebt. Verlobt ist sie mit Richard, einem Juden aus Neuss, aber nicht er ist ihr Begleiter, sondern der Italiener Giuseppe Buonomo, der durch den Aufprall ums Leben kommt. Das Ladenmädchen Lisa vom Kaufhaus Magnus erhält den Auftrag, der Verletzten, die bei dem Unglück alles verloren hat, Kleidung zu bringen. Aber da gibt Carla sich bereits als Frau Buonomo aus. Was versucht sie zu verbergen?Von diesem mysteriösen Vorfall erfährt viele Jahre später Lisas Sohn Thomas Vandersee, dem die Mutter zugleich ihre eigene Liebes- und Unglücksgeschichte erzählt. Kann er Carlas Geheimnis ergründen? Hängt es womöglich mit seiner eigenen Familie zusammen?Vor dem Hintergrund einer historischen Katastrophe erzählt der Romancier Gert Loschütz eine große, unter die Haut gehende Geschichte von Liebe und Verrat.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Für den Rezensenten Markus Clauer ist Gert Loschütz ein "stiller Virtuose der Erzählkunst". Und dieses Urteil kann der Kritiker nach Loschütz' jüngstem Roman nur bekräftigen: Während ihm der Autor basierend auf einem Zugunglück im Dezember 1939, bei dem 196 Menschen starben, aus dem Leben der überlebenden "Halbjüdin" Carla Finck erzählt, bewundert Clauer einmal mehr Loschütz' Fähigkeit, Fakten und Fiktion, Protokoll und Poesie miteinander zu verbinden. Und mitunter zerreißt dem Kritiker dieser Blick auf ein siebzigjähriges Leben das Herz.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2021Die scheinbar unscheinbaren Details
Gert Loschütz macht in seinem Roman "Besichtigung eines Unglücks" aus privatem Leben eine große deutsche Zeitgeschichte
Bereits der erste Satz ist ein doppelter Sabotageakt. "'Nicht deine Zeit.' Das sei doch nicht meine Zeit, sagte Yps, als ich mit der Zusammenschrift schon begonnen hatte, beugte sich aus dem Bett und angelte nach ihrem Pulli, der vom Sessel gerutscht war, setzte sich auf und zog ihn mit einer raschen Bewegung über den Kopf." Einerseits ist es das schreibende Ich, das sich hier für seine "Zusammenschrift" rechtfertigen muss. Und zwar vor der eher pragmatisch veranlagten Geliebten. Andererseits wird der Leser gewarnt: Da stöbert einer auf staubigen Dachböden in den Sachen toter Menschen und macht sie auf diese Weise zu lebenden Romanfiguren!
Wer Gert Loschütz kennt, vor allem, wer seinen zuletzt erschienenen Roman "Ein schönes Paar" gelesen hat, weiß: Kein deutschsprachiger Autor beherrscht den modianohaft melancholischen Ton des Vergangenheitsinspekteurs so gut wie der 1947 in Genthin geborene Schriftsteller. Im Vorgängerroman hatte er das zerfetzte Erinnerungsbild eines Sohnes von der gescheiterten Ehe seiner Eltern so zusammenfügt, dass die politische deutsche Teilung als menschliche Tragödie Kontur gewann. Im neuen Roman muss diese nicht erst den Schleiern der Erinnerung entrissen werden. Sie ist gleich da. Auf den allerersten Seiten schon.
Im sachsen-anhaltinischen Städtchen Genthin hat es 1939, nur wenige Monate nach dem deutschen Überfall auf Polen, ein entsetzliches Zugunglück gegeben. "Zwei Tage vor Heiligabend, zwölf Grad minus, 0 Uhr 53. Die Stadt, die Dörfer in tiefem Schlaf. Kein Mond, keine Sterne, der Himmel bedeckt, ein wenig Schnee. Dann der harte metallische Schlag, Eisen auf Eisen, das Kreischen der sich ineinander bohrenden Wagen, das Knirschen der sich stauchenden Bleche, das Krachen und Splittern zerberstenden Holzes." Am Abend davor hatten zwei Schnellzüge den Potsdamer Bahnhof in Berlin verlassen. Der D 10 in Richtung Köln und der D 180 in Richtung Neunkirchen, im Abstand von einer halben Stunde. Neunzig Minuten vom Ausgangsort entfernt geschieht dann das Ungeheuerliche: Der D 180 prallt im Bahnhof von Genthin bei Höchstgeschwindigkeit auf den D 10. Die Züge schieben sich ineinander, ein Wagen steht kopf. Es ist eines der schwersten Zugunglücke in der Geschichte der deutschen Eisenbahn. Laut diesem Buch sterben dabei fast zweihundert Menschen.
Die Erinnerung an das Unglück von Genthin wird dem nachgeborenen Erzähler regelrecht aufgedrängt durch einen alten Mann, der auf den Autor einer Reisereportage aufmerksam wird. Dessen Nachname sei ihm bekannt vorgekommen, nachdem auch das Städtchen Genthin im Artikel Erwähnung gefunden habe. Er sei mit einer Lisa Vandersee zur Schule gegangen, ob es da einen Zusammenhang gebe. Ja, das sei seine Mutter gewesen, antwortet der Erzähler. Und anstatt sich über diesen Zufall zu freuen, empfindet er die Fragen des Hobby-Stadthistorikers bald als bedrängend: "War es möglich, dachte ich, dass er in mir eine verwandte Seele sah, jemanden, den er durch seine Geschenke dazu verpflichten konnte, dereinst seine Nachfolgerschaft anzutreten?"
Und nun sind bereits die wichtigsten Bausteine da, die Loschütz braucht, um seine Recherche über die Umstände eines realen Unglücks in die für ihn so charakteristische semifiktionale Recherche ins Innere der beteiligten Seelen gleiten zu lassen. Loschütz zoomt wie im berühmten Antonioni-Film "Blow Up" aus einer allgemeinen Szene ins scheinbar unscheinbare Detail. Und dort bleibt sein Blick haften. Es gelingt ihm dabei, auch den Blick des Lesers zu bannen, obwohl über viele Seiten hinweg kaum etwas geschieht. Berichtet wird aus den Polizeiakten der am Unfall beteiligten Lokführer, ihrer Heizer, der Signalarbeiter, Ärzte, Unfallzeugen. Exakte Zeit- und Wetterangaben, die kriegsbedingte Verdunkelungssituation in der Unfallnacht, hyperrealistische Nacherzählungen von Arbeitsabläufen. Und dann ein Bild: "Ich erinnere mich an solche Tage. Die Häuser ducken sich unter der Kälte, ein dünner Rauchfaden steigt aus dem Schornstein. Die Kähne sind weniger am Ufer vertäut als daran fest gefroren. In den Stuben brennt von morgens bis abends Licht, vor den unteren Fensterdritteln hängen Wolldecken gegen den Luftzug. Tagelang steht der Essensgeruch in der Wohnung, nistet sich in den Haaren ein, im Pullover."
Was sehen wir dann durch die Augen des Autors, der ausgehend von Polizeiakten eine Geschichte entfaltet, die ihn - je tiefer er blickt, desto mehr - selbst betrifft? Wir sehen eine junge Frau namens Lisa, die einer anderen jungen Frau namens Carla Kleidungsstücke ins Krankenhaus bringt. Besagte Lisa war 1939 Lehrmädchen im Kaufhaus Magnus gewesen. Carla gibt sich als die Ehefrau eines beim Unfall verunglückten Italieners aus. Das macht sie verdächtig, und so wird die Gestapo in den Fall verwickelt. Verlobt war Carla, deren jüdischer Vater das Land verlassen hatte, mit einem Juden namens Richard Kuiper. Das macht die "Halbjüdin" in der Ideologie der Nazis zur "Volljüdin". Auf Druck der zuständigen NS-Beamten ("Ledermäntel"), verleugnet Carla schließlich ihre Verlobung mit Richard und entgeht dadurch seinem Schicksal der Deportation mit Todesfolge.
Der Erzähler beginnt nun, das Leben und den merkwürdigen Namensschwindel der Carla Finck zu rekonstruieren. Immer stärker rückt dabei seine eigene Mutter in den Fokus. Das Lehrmädchen Lisa, das möglicherweise als Botin Briefe zwischen Richard und Carla überbracht hat? Loschütz arbeitet mit Indizien, die das Zeug haben, eine Sache sowie ihr glattes Gegenteil zu bedeuten: kleine Zettel, Akteneinträge, Ungereimtheiten und Widersprüche der beteiligten Personen. So entsteht eine investigative Atmosphäre: Spannung aus präzise rekonstruierten Atmosphären bei minimalistisch gehaltener Action. Von sanfter Hand geführt, unternimmt der Leser mit dem Erzähler eine Reise von den dunklen Genthiner Kriegsjahren ins ausgebombte Berlin, in dem Lisa mit Söhnchen auf der Couch einer einarmigen Tante lebt. Später kehrt der inzwischen nach Italien ausgewanderte Erzähler immer wieder an die Orte seiner Kindheit zurück. Ins Berlin der Neunzigerjahre vor allem und ins Berlin von heute, wo er in einer eheähnlichen Affäre mit einer Nachbarin seiner kürzlich verstorbenen Mutter lebt.
Der Roman hatte eine frühere Existenzform als Radiohörspiel. Und so ist sein einziger Makel, dass er manchmal den Anschein einer Materialsammlung erweckt. Während "Ein schönes Paar" ein formal perfekter Roman war, zerfällt "Besichtigung eines Unglücks" in seine ungleichen Bestandteile. Dem Stilisten Loschütz gelingt es jedoch, dieses Manko zur Nebensache zu machen. Zum Schluss folgt ein Kapitel namens "Aus den Notizheften". Hier werden alle Handlungsfäden noch einmal zusammengeführt. Am Ende taucht auch eine hochbetagte Carla wieder auf. Sie liegt im Krankenhaus, den Kopf abgewandt, die Haare weißgrau wie Spinnweben, ein Tropf neben dem Bett. In einem Nebensatz findet sich noch einmal die handlungstreibende Poetik: "- so, das später immer wieder nach einem Zeichen durchforschte Bild, aber nichts. Nichts darüber hinaus." KATHARINA TEUTSCH
Gert Loschütz: "Besichtigung eines Unglücks". Roman.
Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2020. 336 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gert Loschütz macht in seinem Roman "Besichtigung eines Unglücks" aus privatem Leben eine große deutsche Zeitgeschichte
Bereits der erste Satz ist ein doppelter Sabotageakt. "'Nicht deine Zeit.' Das sei doch nicht meine Zeit, sagte Yps, als ich mit der Zusammenschrift schon begonnen hatte, beugte sich aus dem Bett und angelte nach ihrem Pulli, der vom Sessel gerutscht war, setzte sich auf und zog ihn mit einer raschen Bewegung über den Kopf." Einerseits ist es das schreibende Ich, das sich hier für seine "Zusammenschrift" rechtfertigen muss. Und zwar vor der eher pragmatisch veranlagten Geliebten. Andererseits wird der Leser gewarnt: Da stöbert einer auf staubigen Dachböden in den Sachen toter Menschen und macht sie auf diese Weise zu lebenden Romanfiguren!
Wer Gert Loschütz kennt, vor allem, wer seinen zuletzt erschienenen Roman "Ein schönes Paar" gelesen hat, weiß: Kein deutschsprachiger Autor beherrscht den modianohaft melancholischen Ton des Vergangenheitsinspekteurs so gut wie der 1947 in Genthin geborene Schriftsteller. Im Vorgängerroman hatte er das zerfetzte Erinnerungsbild eines Sohnes von der gescheiterten Ehe seiner Eltern so zusammenfügt, dass die politische deutsche Teilung als menschliche Tragödie Kontur gewann. Im neuen Roman muss diese nicht erst den Schleiern der Erinnerung entrissen werden. Sie ist gleich da. Auf den allerersten Seiten schon.
Im sachsen-anhaltinischen Städtchen Genthin hat es 1939, nur wenige Monate nach dem deutschen Überfall auf Polen, ein entsetzliches Zugunglück gegeben. "Zwei Tage vor Heiligabend, zwölf Grad minus, 0 Uhr 53. Die Stadt, die Dörfer in tiefem Schlaf. Kein Mond, keine Sterne, der Himmel bedeckt, ein wenig Schnee. Dann der harte metallische Schlag, Eisen auf Eisen, das Kreischen der sich ineinander bohrenden Wagen, das Knirschen der sich stauchenden Bleche, das Krachen und Splittern zerberstenden Holzes." Am Abend davor hatten zwei Schnellzüge den Potsdamer Bahnhof in Berlin verlassen. Der D 10 in Richtung Köln und der D 180 in Richtung Neunkirchen, im Abstand von einer halben Stunde. Neunzig Minuten vom Ausgangsort entfernt geschieht dann das Ungeheuerliche: Der D 180 prallt im Bahnhof von Genthin bei Höchstgeschwindigkeit auf den D 10. Die Züge schieben sich ineinander, ein Wagen steht kopf. Es ist eines der schwersten Zugunglücke in der Geschichte der deutschen Eisenbahn. Laut diesem Buch sterben dabei fast zweihundert Menschen.
Die Erinnerung an das Unglück von Genthin wird dem nachgeborenen Erzähler regelrecht aufgedrängt durch einen alten Mann, der auf den Autor einer Reisereportage aufmerksam wird. Dessen Nachname sei ihm bekannt vorgekommen, nachdem auch das Städtchen Genthin im Artikel Erwähnung gefunden habe. Er sei mit einer Lisa Vandersee zur Schule gegangen, ob es da einen Zusammenhang gebe. Ja, das sei seine Mutter gewesen, antwortet der Erzähler. Und anstatt sich über diesen Zufall zu freuen, empfindet er die Fragen des Hobby-Stadthistorikers bald als bedrängend: "War es möglich, dachte ich, dass er in mir eine verwandte Seele sah, jemanden, den er durch seine Geschenke dazu verpflichten konnte, dereinst seine Nachfolgerschaft anzutreten?"
Und nun sind bereits die wichtigsten Bausteine da, die Loschütz braucht, um seine Recherche über die Umstände eines realen Unglücks in die für ihn so charakteristische semifiktionale Recherche ins Innere der beteiligten Seelen gleiten zu lassen. Loschütz zoomt wie im berühmten Antonioni-Film "Blow Up" aus einer allgemeinen Szene ins scheinbar unscheinbare Detail. Und dort bleibt sein Blick haften. Es gelingt ihm dabei, auch den Blick des Lesers zu bannen, obwohl über viele Seiten hinweg kaum etwas geschieht. Berichtet wird aus den Polizeiakten der am Unfall beteiligten Lokführer, ihrer Heizer, der Signalarbeiter, Ärzte, Unfallzeugen. Exakte Zeit- und Wetterangaben, die kriegsbedingte Verdunkelungssituation in der Unfallnacht, hyperrealistische Nacherzählungen von Arbeitsabläufen. Und dann ein Bild: "Ich erinnere mich an solche Tage. Die Häuser ducken sich unter der Kälte, ein dünner Rauchfaden steigt aus dem Schornstein. Die Kähne sind weniger am Ufer vertäut als daran fest gefroren. In den Stuben brennt von morgens bis abends Licht, vor den unteren Fensterdritteln hängen Wolldecken gegen den Luftzug. Tagelang steht der Essensgeruch in der Wohnung, nistet sich in den Haaren ein, im Pullover."
Was sehen wir dann durch die Augen des Autors, der ausgehend von Polizeiakten eine Geschichte entfaltet, die ihn - je tiefer er blickt, desto mehr - selbst betrifft? Wir sehen eine junge Frau namens Lisa, die einer anderen jungen Frau namens Carla Kleidungsstücke ins Krankenhaus bringt. Besagte Lisa war 1939 Lehrmädchen im Kaufhaus Magnus gewesen. Carla gibt sich als die Ehefrau eines beim Unfall verunglückten Italieners aus. Das macht sie verdächtig, und so wird die Gestapo in den Fall verwickelt. Verlobt war Carla, deren jüdischer Vater das Land verlassen hatte, mit einem Juden namens Richard Kuiper. Das macht die "Halbjüdin" in der Ideologie der Nazis zur "Volljüdin". Auf Druck der zuständigen NS-Beamten ("Ledermäntel"), verleugnet Carla schließlich ihre Verlobung mit Richard und entgeht dadurch seinem Schicksal der Deportation mit Todesfolge.
Der Erzähler beginnt nun, das Leben und den merkwürdigen Namensschwindel der Carla Finck zu rekonstruieren. Immer stärker rückt dabei seine eigene Mutter in den Fokus. Das Lehrmädchen Lisa, das möglicherweise als Botin Briefe zwischen Richard und Carla überbracht hat? Loschütz arbeitet mit Indizien, die das Zeug haben, eine Sache sowie ihr glattes Gegenteil zu bedeuten: kleine Zettel, Akteneinträge, Ungereimtheiten und Widersprüche der beteiligten Personen. So entsteht eine investigative Atmosphäre: Spannung aus präzise rekonstruierten Atmosphären bei minimalistisch gehaltener Action. Von sanfter Hand geführt, unternimmt der Leser mit dem Erzähler eine Reise von den dunklen Genthiner Kriegsjahren ins ausgebombte Berlin, in dem Lisa mit Söhnchen auf der Couch einer einarmigen Tante lebt. Später kehrt der inzwischen nach Italien ausgewanderte Erzähler immer wieder an die Orte seiner Kindheit zurück. Ins Berlin der Neunzigerjahre vor allem und ins Berlin von heute, wo er in einer eheähnlichen Affäre mit einer Nachbarin seiner kürzlich verstorbenen Mutter lebt.
Der Roman hatte eine frühere Existenzform als Radiohörspiel. Und so ist sein einziger Makel, dass er manchmal den Anschein einer Materialsammlung erweckt. Während "Ein schönes Paar" ein formal perfekter Roman war, zerfällt "Besichtigung eines Unglücks" in seine ungleichen Bestandteile. Dem Stilisten Loschütz gelingt es jedoch, dieses Manko zur Nebensache zu machen. Zum Schluss folgt ein Kapitel namens "Aus den Notizheften". Hier werden alle Handlungsfäden noch einmal zusammengeführt. Am Ende taucht auch eine hochbetagte Carla wieder auf. Sie liegt im Krankenhaus, den Kopf abgewandt, die Haare weißgrau wie Spinnweben, ein Tropf neben dem Bett. In einem Nebensatz findet sich noch einmal die handlungstreibende Poetik: "- so, das später immer wieder nach einem Zeichen durchforschte Bild, aber nichts. Nichts darüber hinaus." KATHARINA TEUTSCH
Gert Loschütz: "Besichtigung eines Unglücks". Roman.
Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2020. 336 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Loschütz kann eigentlich gar nicht genug Preise bekommen.«Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel»Wie von außen betrachtet Loschütz seine Figuren und das Geschehen. Im Weitwinkel: 70 Jahre. Mit Zoom: vier Sekunden. Der Ton schwankt zwischen Protokoll und poetischer Präzision.« Markus Clauer, Die ZEIT»Als einen Favoriten für den Deutschen Buchpreis muss man Gert Loschütz ansehen, der sich im zweiten Sommer seiner Schriftstellerkarriere anschickt, endlich den großen Durchbruch zu schaffen.«Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung»So gelingt es dem Autor, nahtlos überzuleiten und über zwei Frauen zu schreiben, deren Leben er wirklich großartig nachzeichnet.«Thomas Mahr, Lesart»Gert Loschütz hat einen mit großer Empathie erzählten (...) Roman geschrieben, der ein furchtbares Unglück, verbriefte Zeitgeschichte und private Katastrophen mit leichter Hand zwischen den Buchdeckeln vereint.«Peter Mohr, Literaturkritik.de»Gert Loschütz hat erneut einen sprachlich und inhaltlich intensiven Roman vor dem Hintergrund deutscher Geschichte geschrieben.«Hauke Harder, Leseschatz»Kein deutschsprachiger Autor beherrscht den modianohaft melancholischen Ton des Vergangenheitsinspekteurs so gut wie der 1946 in Genthin geborene Schriftsteller.«Katharina Teutsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung»Gert Loschütz schreibt eine unaufdringliche, mitunter poetische, (...) bisweilen an Uwe Johnson erinnernde Prosa.«Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel»Wir schlucken einmal schwer, geben die skeptische Reserviertheit auf und lassen uns verführen vom Versuch, die Welt zugleich >aus den Aktenaus dem Zufall