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Politisches Denken und radikales Sprechen - Kathrin Rögglas Essays und Theaterstücke. Unsere Realität gleicht einem Katastrophenfilm, einem worst-case-Szenario, einem Shakespeare'schen Königsdrama: Wirtschaftskrisen, Medien-Hysterie, private Paranoia. Kathrin Röggla setzt ihre kritische Phantasie und ihre kluge Sprachkunst dagegen. Sie analysiert und seziert den Zustand unserer Zeit: fiktive Alarmierungen, reale Ängste und falsche Sehnsüchte. Lustvoll und konsequent, geistreich und spielerisch durchleuchten ihre Essays und Theaterstücke unsere Gegenwart.

Produktbeschreibung
Politisches Denken und radikales Sprechen - Kathrin Rögglas Essays und Theaterstücke.
Unsere Realität gleicht einem Katastrophenfilm, einem worst-case-Szenario, einem Shakespeare'schen Königsdrama: Wirtschaftskrisen, Medien-Hysterie, private Paranoia. Kathrin Röggla setzt ihre kritische Phantasie und ihre kluge Sprachkunst dagegen. Sie analysiert und seziert den Zustand unserer Zeit: fiktive Alarmierungen, reale Ängste und falsche Sehnsüchte. Lustvoll und konsequent, geistreich und spielerisch durchleuchten ihre Essays und Theaterstücke unsere Gegenwart.

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Autorenporträt
Kathrin Röggla, geboren 1971 in Salzburg, arbeitet als Prosa- und Theaterautorin und entwickelt Radiostücke. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Preis der SWR-Bestenliste (2004), dem Arthur-Schnitzler-Preis (2012) und dem Wortmeldungen-Literaturpreis (2020). Sie veröffentlichte unter anderem die Prosabücher »Niemand lacht rückwärts« (1995), »Abrauschen« (1997), »Irres Wetter« (2000), »really ground zero« (2001), »wir schlafen nicht« (2004), »die alarmbereiten« (2010), »Nachtsendung. Unheimliche Geschichten« (2016) sowie gesammelte Essays und Theaterstücke unter dem Titel »besser wäre: keine« (2013). Kathrin Röggla ist seit 2020 Professorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Zuletzt erschien ihr Roman »Laufendes Verfahren«, für den sie den Heinrich-Böll-Preis für Literatur (2023) erhalten hat.

Literaturpreise:

Heinrich-Böll-Preis für Literatur (2023)
Österreichischer Kunstpreis für Literatur (2020)
Wortmeldungen-Literaturpreis (2020)
Mainzer Stadtschreiberin (2012)
Arthur-Schnitzler-Preis (2012)
Franz-Hessel-Preis (2010)
Anton-Wildgans-Preis (2009)
Solothurner Literaturpreis (2005)
Internationaler Preis für Kunst und Kultur des Kulturfonds der Stadt Salzburg (2005)
Förderpreis des Schillergedächtnispreises (2004)
Preis der SWR-Bestenliste (2004)
Bruno Kreisky Preis 2004 für das beste politische Buch
Alexander von Sacher-Masoch-Preis (2001)
Italo-Svevo-Preis (2001)
Nossack-Förderpreis (2003)
RIAS Preis (2003)
New York Stipendium des Literaturfonds (2001
Reinhard Priessnitz-Preis (1995)
Meta-Merzpreis (1995)
Salzburger Landesliteraturpreis (1992)
Rezensionen
klug und subtil Oliver Jungen Frankfurter Allgemeine Zeitung 20130628

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Österreicherin Kathrin Röggla setzt den Kampf von Emanzipationstheoretikern wie Judith Butler und Michel Foucault mit ihrem Essayband "Besser wäre: keine" würdig fort, findet Oliver Jungen. Essayband trifft es eigentlich nicht ganz, stellt er richtig, besteht das Buch doch genauso aus Reportagen und fragmentarischen fiktiven Texten. Rögglas Thema ist der "hirnmürbe gemachte" Mensch, sein "Eingesperrtsein im Jargon" einer technokratischen Consulting-Welt voller Managertypen, deren Duktus der Katastrophenverwaltung und "formalistisches Optimierungsgefasel" zunehmend die sprachlichen Gemeinplätze bevölkert. Die Arbeiten der Autorin sind "subtil-subversive Angriffe" auf diesen Sprachimperialismus, der sich in der Politik mit weitaus tragischeren Konsequenzen fortsetzt, erklärt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2013

Der Katastrophen-Komplex

Armageddon-Management: Kathrin Röggla seziert in ihrem Essayband "Besser wäre: keine" klug und subtil die Mechanismen moderner Reguliermacht.

Die Globalisierung hat viele Opfer. Nicht das tragischste, aber doch ein beklagenswertes ist die Sprache. Der durch Diskontinuitäten, Unverbindlichkeiten, Migration, Deregulierung und Umprogrammierung hirnmürbe gemachte "flexible Mensch" (Richard Sennett) hat keine Energie mehr, sich zur Wehr zu setzen gegen das formalistische Optimierungsgefasel eines siegreichen Diskurs-Syndikats aus Wirtschaftsmanagern, Politikern, Bankern und vermeintlichen Experten, die uns ihren regulativen Mumpitz, den sie selbst nicht verstehen, als alternativlose Einhegung eines allgemeinen Katastrophenzustands verkaufen wollen: "Monitoring, Good Governance, Effizienzmaximierung, Consultancy, Benchmarks, Assessment - das technokratische Sprechen der Consulting-Welt, gekrönt vom ubiquitären Begriff des Managements selbst".

In die Gesellschaft injiziert werden die hinter den neuen Sprechweisen stehenden Denkweisen durch den dauerhysterisch-alarmistischen Erregungsapparat der Medien. Man darf und soll sich durchaus als Zuschauer des eigenen Schiffbruchs fühlen. Und doch gibt es noch Idealisten, die den alten Kampf der Emanzipationstheoretiker von Foucault bis Butler mit anderen Mitteln fortsetzen. Die Österreicherin Kathrin Röggla gehört definitiv dazu. Ihre so literarischen wie soziologischen und politischen Arbeiten sind stets subtil-subversive Angriffe auf das genannte Syndikat, denn sie setzen - viel effektiver als empörte Ideologiekritik - im Inneren der neuen Oberschicht selbst an, stellen verwundert, belustigt und ein wenig bösartig ihr Groteskes aus.

Seit Jahren jettet Röggla als vermeintlich eingebettete Beobachterin - eigentlich aber unsere hellwache, kluge Verbündete - durch den absurden Kosmos der Berater, Risikomanager und Entwicklungshelfer. Dieser Band versammelt dreizehn zwischen 2002 und 2012 entstandene, teils recht abseitig erschienene Texte. Wir treffen auf Medienapokalyptiker in der Nine-Eleven-Falle, auf selbstherrliche "Frequent Flyer", auf Regulierer, Paranoide, Weltmarktführer und auf Teilnehmer eines Workshops für Rückkehrer aus großen internationalen Organisationen, die - eben noch Entscheidungsträger - ihre ganz eigenen Tragiken haben ("unsere ehe wäre super, wären wir in ecuador"). Was sie alle auszeichnet, ist das Eingesperrtsein im Jargon, der Selbstreflexion nicht zulässt. Die Autorin imitiert die Sprache dieser "Außerirdischen" nicht nur perfekt, sie richtet sie auch gegen sich selbst: Immer wieder verkeilen sich gegenläufige Aussagen in den Theaterstücken, immer wieder kollidieren sie brutal mit der Realität in den Essays. Nach vierhundert Seiten haben sich etliche dieser Machttechnologien selbst zerlegt.

Der eindringlichste Beitrag ist die Titelreportage. Hier gibt die Autorin anlässlich einer Reise nach Usbekistan auch ihre (zumindest vorgebliche) Neutralität auf und lässt durchblicken, dass der unüberschaubare Kosmos der Entwicklungshilfe inzwischen einem sanften Imperialismus gleiche. Geradezu neokolonialistisch erscheint ihr, wie rivalisierende Nichtregierungsorganisationen und internationale Organisationen in den Empfängerländern allein die Implementierung von nicht selten kontraproduktiven Programmen im Blick haben und die (produzierte) Katastrophe gewissermaßen als Legitimationsgrundlage brauchen. Besser wäre: kein humanitäres Engagement. Da hören wir zwar nicht Kathrin Röggla selbst, sondern einen zitierten Kritiker, aber es handelt sich doch um das Leitmotiv, denn nun tauchen immer weitere Verfechter dieser These auf, und zwar durchaus mit guten Argumenten.

Die Poetik der literarischen Texte ist eine fragmentarisierte. Die einzelnen Partien beziehen sich mitunter nur vage aufeinander. Sie stehen fraglos in einem Zusammenhang, aber der ist so weit übergeordnet, dass er nur in Ahnungen sichtbar wird. Auch das ist Persiflage: Es sind Szenen einer Welt, die global handelt, aber allenfalls einen lokalen Überblick hat. Alles in dieser Welt bekommt zudem den Ruch des Fiktiven, auch die Kausalität: Eingriffe in Prozesse produzieren Situationen, die nach weiteren Eingriffen oder gar Einsätzen verlangen, stets entpersönlicht und verantwortungsfrei. Was aber geschieht derweil mit der eigentlichen Fiktion? Muss sie aufs Reale ausweichen? Kann sie noch Gegenentwurf sein? (Sie kann, zeigt uns die Autorin!)

Damit hängt für Kathrin Röggla die Frage zusammen, warum in der universal distanzierten, aus lauter Selbstverwirklichern bestehenden Moderne ausgerechnet das Katastrophische zum herrschenden Narrativ werden konnte. Eine Erklärung lautet: Gerade in einer erkalteten Epoche verspricht die Katastrophe "kollektive Nestwärme". Das hat schon Kleist im "Erdbeben in Chili" ähnlich gesehen, bevor er mit der Normalität die Grausamkeit zurückkehren ließ. Es gilt also die Katastrophe aufrechtzuerhalten. Jeder Vereinzelte kann sich im Ausnahmezustand "als Teilchen einer Gesamtbewegung fühlen, ja, man ist wirklich enthalten in der Situation, die so phantastisch real ist, ganz im Gegensatz zu der quälenden Unwirklichkeit unseres Alltagslebens". Wir flüchten uns mithin vor dem Fiktiven (des Geldes, des digitalen Scheinsozialen ...) ins Metafiktive, spielen in der Sehnsucht nach Echtheit die Untergangsszenarien von "Godzilla" bis "Waterworld" nach. Das ist ziemlich krank und ziemlich treffend beobachtet.

OLIVER JUNGEN

Kathrin Röggla: "Besser wäre: keine". Essays und Theater.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 412 S., geb., 22,99 [Euro].

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