Vom 'Verbrechen' der Armut
'Hexenjagd' gegen Sexualstraftäter in den USA, brennende Autos in den Banlieues von Paris, Verfolgung von illegalen MigrantInnen, überbelegte Gefängnisse allüberall - gibt es einen Zusammenhang? Ausgehend von der us-amerikanischen Situation macht der Autor einen Trend aus. Gesellschaftliche Problemgruppen werden kriminalisiert und weggesperrt. Lange ist bekannt, dass in den USA Afro- Amerikaner überdurchschnittlich häufig straffällig und auch zu Gefängnisstrafen verurteilt werden - eine Entwicklung, die im Umgang auch (west)europäischer Polizei und Rechtsprechung mit 'Verbrechern' aus sozial schwachen Gruppen ihren Widerhall findet. Wegsperren als Lösung sozialer Probleme?
Menschen, die durch die Folgen von Globalisierung, durch die Deregulierung der Wirtschaft, die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen und den Rückbau der sozialen Sicherung auf dem Weg des sozialen Abstiegs sind, scheinen überdurchschnittlich häufig vor Gericht zu stehen, sich häufig in den Maschen des Gesetzes zu verfangen. Vor allem in den USA, doch vermehrt auch in Europa zeichnet sich ein neues Regime sozialer Ungleichheit ab: Polizei und Justiz scheinen die Bevölkerung vor allem jener Viertel zu 'befrieden', in denen heftige Gegenreaktionen auf die aktuelle ökonomisch diktierte moralische Ordnung aufkeimt. Diese neue Strategie der Ausgrenzung ist eine Erfindung der USA, als Antwort auf die sozialen und ethnischen Reaktionen gegenüber der neoliberalen Revolution. So bringt dieses Buch die LeserInnen zunächst in die Gefängnisse der USA. Der Autor zeigt eindrucksvoll, wie die Unterschicht im Zeitalter fragmentierter und instabiler Arbeitsbedingungen nicht allein vom wohlwollenden und schützenden Arm des Wohlfahrtsstaates behütet wird, sondern wie der aggressive und harte, der strafende Staat sie begleitet. Loïc Wacquant zeigt darüber hinaus, wieso dieser Kampf gegen Kriminalität die neue soziale Frage einerseits bedingt, andererseits zu verdecken sucht.
Dieses Buch liefert einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Staat und Gesellschaft im Zeitalter des neoliberalen Siegeszuges. Doch der Band zeigt auch einen Weg aus dieser schon beinahe pornographisch anmutenden Begeisterung von Strafe, das die politischen Eliten in aller Welt dazu verleitet, die Gefängnisse als soziale 'Staubsauger' zu verwenden, deren Aufgabe es ist, die hässlichen Überreste der Überflüssigen der neoliberalen Gesellschaft verschwinden zu lassen.
'Hexenjagd' gegen Sexualstraftäter in den USA, brennende Autos in den Banlieues von Paris, Verfolgung von illegalen MigrantInnen, überbelegte Gefängnisse allüberall - gibt es einen Zusammenhang? Ausgehend von der us-amerikanischen Situation macht der Autor einen Trend aus. Gesellschaftliche Problemgruppen werden kriminalisiert und weggesperrt. Lange ist bekannt, dass in den USA Afro- Amerikaner überdurchschnittlich häufig straffällig und auch zu Gefängnisstrafen verurteilt werden - eine Entwicklung, die im Umgang auch (west)europäischer Polizei und Rechtsprechung mit 'Verbrechern' aus sozial schwachen Gruppen ihren Widerhall findet. Wegsperren als Lösung sozialer Probleme?
Menschen, die durch die Folgen von Globalisierung, durch die Deregulierung der Wirtschaft, die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen und den Rückbau der sozialen Sicherung auf dem Weg des sozialen Abstiegs sind, scheinen überdurchschnittlich häufig vor Gericht zu stehen, sich häufig in den Maschen des Gesetzes zu verfangen. Vor allem in den USA, doch vermehrt auch in Europa zeichnet sich ein neues Regime sozialer Ungleichheit ab: Polizei und Justiz scheinen die Bevölkerung vor allem jener Viertel zu 'befrieden', in denen heftige Gegenreaktionen auf die aktuelle ökonomisch diktierte moralische Ordnung aufkeimt. Diese neue Strategie der Ausgrenzung ist eine Erfindung der USA, als Antwort auf die sozialen und ethnischen Reaktionen gegenüber der neoliberalen Revolution. So bringt dieses Buch die LeserInnen zunächst in die Gefängnisse der USA. Der Autor zeigt eindrucksvoll, wie die Unterschicht im Zeitalter fragmentierter und instabiler Arbeitsbedingungen nicht allein vom wohlwollenden und schützenden Arm des Wohlfahrtsstaates behütet wird, sondern wie der aggressive und harte, der strafende Staat sie begleitet. Loïc Wacquant zeigt darüber hinaus, wieso dieser Kampf gegen Kriminalität die neue soziale Frage einerseits bedingt, andererseits zu verdecken sucht.
Dieses Buch liefert einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Staat und Gesellschaft im Zeitalter des neoliberalen Siegeszuges. Doch der Band zeigt auch einen Weg aus dieser schon beinahe pornographisch anmutenden Begeisterung von Strafe, das die politischen Eliten in aller Welt dazu verleitet, die Gefängnisse als soziale 'Staubsauger' zu verwenden, deren Aufgabe es ist, die hässlichen Überreste der Überflüssigen der neoliberalen Gesellschaft verschwinden zu lassen.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Beeindruckt und offensichtlich mit Zustimmung hat Robert Misik diese Studie gelesen, in der sich der in Berkeley lehrende Sozialwissenschaftler Loic Wacquant mit der Politik der Repression gegenüber Straftätern und sozial Schwachen auseinandersetzt. Wacquant, der nicht als objektiver, sondern als engagiert parteiischer Wissenschaftler auftrete, stelle dar, dass eine zunehmende Härte der Strafen sich nicht mit Kriminalstatistik, sehr wohl aber mit einer Lust am Strafen begründen lasse. Diese entwickle der vorgeblich schlanke Staat des Neoliberalismus insbesondere seinen eigenen Opfern gegenüber: den Armen. "Der Neoliberalismus präsentiert Arme als Täter", fasst Misik zusammen. Vom Materialreichtum und der Detailtreue von Wacquants Untersuchung zeigt sich der Rezensent angetan und beschränkt sich über weite Strecken darauf, Wacquants seiner Ansicht nach zwar nicht neue, aber zu Unrecht oft vernachlässigte Argumente gegen die Vermehrung und Verschärfung von Strafen in seiner Rezension zu referieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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