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Gottfried Christoph Beireis (1730-1809), Polyhistor, Professor mit vielen Fachausrichtungen an der Universität Helmstedt, Sammler und Sonderling, Erfinder und Großsprecher, der sich mit der Aura des Adepten, Wundermannes und Hexenmeisters umgab, galt als Kultur-Kuriosum nicht nur seiner Zeit. Viele Zeitgenossen zog er an, darunter auch Dichter wie Goethe, Arnim oder Fouqué. Der Band zeichnet ausführlich Arno Schmidts drei Jahrzehnte umspannende Beschäftigung mit Beireis und den durch ihn repräsentierten Typus des gelehrten Polyhistors nach und stellt sie in weitere Kontexte.

Produktbeschreibung
Gottfried Christoph Beireis (1730-1809), Polyhistor, Professor mit vielen Fachausrichtungen an der Universität Helmstedt, Sammler und Sonderling, Erfinder und Großsprecher, der sich mit der Aura des Adepten, Wundermannes und Hexenmeisters umgab, galt als Kultur-Kuriosum nicht nur seiner Zeit. Viele Zeitgenossen zog er an, darunter auch Dichter wie Goethe, Arnim oder Fouqué. Der Band zeichnet ausführlich Arno Schmidts drei Jahrzehnte umspannende Beschäftigung mit Beireis und den durch ihn repräsentierten Typus des gelehrten Polyhistors nach und stellt sie in weitere Kontexte.
Autorenporträt
Rudi Schweikert, geb. 1952 in Mannheim, lebt dort als freier Lektor und Autor. Studium der Germanistik und Philosophie. Bücher über Arno Schmidt und Karl May, Herausgeber von Sammelbänden (u.a. zu Hans Wollschläger), mehreren Jahrbüchern der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser und deren Schriftenreihe sowie einigen Jahrgängen der "Blätter der Rilke-Gesellschaft«; verschiedene Editionen (Gaudy, Laßwitz, Sir Galahad). Seit 1974 regelmäßiger Beiträger des »Bargfelder Boten". Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2011

Teufelsbündler, Quacksalber, Aufschneider
Tiefenblick ins Abseitige: Rudi Schweikert mikroskopiert Arno Schmidts Essay über den Hofrat Beireis

Er war der Großordinarius der einst angesehenen Universität von Helmstedt. Professor der Medizin, Chemie, Chirurgie, Pharmazie, Physik, Botanik und Naturgeschichte durfte er sich nennen; überdies Hofrat und Leibarzt in den Diensten des Herzogs von Braunschweig. In seinem Haus unterhielt er eine kuriose Wunderkammer. Kostspielige optische und astronomische Apparaturen nannte er sein Eigen, Automaten aus der Werkstatt des berühmten französischen Mechanikers Jacques de Vaucanson, feine chirurgische Instrumente, exotische Naturalien, anatomische Präparate, seltene Münzen, ungezählte Kunstwerke und einen riesigen Diamanten von angeblich 6400 Karat Gewicht.

Neidvoll beargwöhnten nicht nur die Kollegen seinen Wohlstand. Obskure Theorien rankten sich um seine Quellen. Auf ausgedehnten Reisen, so hieß es, habe er arkanes Wissen erworben. Daher verstehe er sich auf wundersame Heilmethoden sowie die Kunst der Transformation unedler Metalle in Silber und Gold. Wer dem Manne wohlgesinnt war, der nannte ihn einen Polyhistor und glücklichen Krösus, ein spätbarockes Genie an Vielseitigkeit und Exempel für ökonomische Fortune. Für die ihm weniger Geneigten hingegen war er eine Mischung aus Faust, Doktor Eisenbart und dem Baron von Münchhausen, sprich: ein Teufelsbündler, Quacksalber und Aufschneider.

Jedenfalls: Gottfried Christoph Beireis (1730 bis 1809) hat seine Zeitgenossen magisch angezogen. Spätestens im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts hatten seine Sammlungen, wie auch er selbst, sich zu Sehenswürdigkeiten entwickelt. Ungezählte Neugierige machten dem Professor die Aufwartung, unter ihnen gekrönte Häupter wie Gustav III. von Schweden, namhafte Gelehrte wie Alessandro Volta und Alexander von Humboldt oder Dichter wie Samuel Taylor Coleridge und Ludwig Achim von Arnim.

1805 bricht sogar Johann Wolfgang Goethe nach Helmstedt auf: "Man hat so viel von ihm und seinen Besitzungen gehört, dass es nicht erlaubt ist, beide nicht selbst gesehen, gekannt und geprüft zu haben", notiert er über den Mann, den er in seinem Besuchsbericht später beinahe putzig als "Merlin-Beireis" bezeichnet. Und zu den späten und offenbar spontanen Gästen des mittlerweile hochbetagten Hofrates gehört 1806 auch Friedrich de la Motte Fouqué: "Bei guter Zeit zum Uebernachten in Helmstedt eingetroffen kam es mir in den Sinn, den von Vielen fast für einen Magus angesehenen - von anderen fast zum Gaukler hinabgewürdigten - Hofrath Beireis aufzusuchen." Fouqué hat die Eindrücke der Visite später in seinen Lebenserinnerungen festgehalten. Sie zeichnen das Bild eines freundlichen Greises - aus der Zeit gefallen, der Realität entrückt und längst selbst zum Museumsstück geworden. 1954 hat Arno Schmidt den Beireis-Topos aufgenommen.

Seine Frau Alice war beim Durchblättern des Manuskripts der Fouqué-Biographie ihres Mannes auf die Schilderungen aus Helmstedt gestoßen. Sie schlug ihm vor, einen Zeitungsartikel über den Hofrat zu schreiben. Tags darauf war ein Entwurf fertig. Zu Arno Schmidts Lebzeiten blieb er ungedruckt. Lediglich in der Bargfelder Ausgabe seines Werkes war er bisher nachzulesen. Jetzt ist er allerdings in einer Sonderausgabe des "Bargfelder Boten" veröffentlich worden, und zwar im Rahmen einer ebenso vergnüglichen wie intelligenten Beireis-Studie des Schmidt-Kenners Rudi Schweikert. Schweikert ist ein Meister der mikrologischen Philologie. Glänzend lässt er sich auf kleinste Details des Schmidtschen Textes ein, aber ohne je der Versuchung zu erliegen, in freie Assoziation zu verfallen. Akribisch trägt er Arno Schmidts nachweisbare, mutmaßliche und zahlreiche andere Quellen über das Leben des skurrilen Professors zusammen. Sorgfältig kontrastiert mit dem Bargfelder Essay, macht das kleine Buch Schmidtsche Flüchtigkeiten sichtbar, lässt den Leser über harmlose Mogeleien schmunzeln und enttarnt die Suggestion von Tatsächlichkeit, wo sie in Wahrheit nicht mehr als amüsante Anekdote ist. Was da entsteht, ist das Bild eines "Zauberers von Helmstedt", das jeden Freund dieser Winkelgestalt entzückt.

Ein bisschen freilich muss auch Schweikert spekulieren. Von Beireis, so fand er heraus, wird berichtet, er habe einige seiner fabelhaften Reisen mit der Unterstützung und in Gesellschaft eines gewissen Herrn von Breitenbauch unternommen. Da muss ein Schmidt-Experte hellhörig werden. Immerhin: Ausgerechnet Arno Schmidt hat bei seinen Fouqué-Studien eine gewisse Elisabeth von Breitenbauch als die "wahre" Undine der gleichnamigen Erzählung seines biographischen Objektes identifiziert. War es also womöglich ihr Vater Franz Traugott, der den jungen Beireis auf seinen Exkursionen begleitete? Gewiss: Man stirbt nicht, wenn man es nicht weiß. Aber trotzdem: Mikrologie ist so schön.

PETER RAWERT

Rudi Schweikert: "Besuch bei Beireis". Arno Schmidts Beschäftigung mit dem Helmstedter Hofrat.

Edition text & kritik, München 2010. 92 S., br., 15,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gottfried Christoph von Beireis war eine schillernde Gestalt der deutschen Wissenschaft: Großordinarius der Universität Helmstedt, Hofrat und Leibarzt des Herzogs von Braunschweig; er sammelte astronomische Apparate, anatomische Präparate und exotische Naturalien, verfügte angeblich über arkanes Wissen und beherrschte die Alchimie, Goethe und Fouque machten ihm ihre Aufwartung. Angeregt von seiner Frau Alice schrieb Arno Schmidt im Rahmen seiner Fouque-Biografie auch einen Text über Beireis, einen Zeitungsartikel, auf den er allem Anschein nach nicht viel Arbeit verwendete und der nie veröffentlicht wurde. Rudi Schweikert widmet sich der Schmidt'schen Gelegenheitsarbeit nun en detail, und der Rezensent Peter Rawert nennt ihnen einen "Meister der mikrologischen Philologie". Mit Gewinn und Vergnügen ist er Schweikerts Ausführungen gefolgt, die ihn auf Schmidts Flüchtigkeiten, Spekulationen und Mogeleien aufmerksam machten.

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