HERAUSRAGENDE BAUWERKE AUS BETON WERDEN SEIT 1974 REGELMASSIG MIT DEM ARCHITEKTURPREIS BETON HONORIERT. Dieser würdigt herausragende Leistungen der Architektur und Ingenieurbaukunst, deren Qualitat von den nachhaltigen, gestalterischen, konstruktiven und technologischen Moglichkeiten des Baustoffs Beton gepragt ist. 2023 wird der Architekturpreis Beton zum 22. Mal verliehen. Auslober ist das InformationsZentrum Beton in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA und der Bundes- architektenkammer.Die begleitende Publikation Beton. dokumentiert ausführlich die Bauten der Preistrager:innen und Anerkennungen, die aus allen eingereichten Projekten von der Jury ausgewahlt werden und ist ein Muss für alle Liebhaber:innen des weltweit am meisten genutzten Baustoffs.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2024Mit Köpfchen
Es kommt darauf an, was man nicht daraus macht: Beton ist in Verruf geraten, weil bei seiner Herstellung Unmengen an CO2 freigesetzt werden. Neue Ideen sind gefragt.
Von Matthias Alexander
Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. In der Debatte über zeitgemäßes Bauen etwa hat sich zwischen den Jahren 2020 und 2023, in die die vorletzte und die jüngste Vergabe des traditionsreichen Architekturpreises Beton fielen, Grundlegendes getan. Zur längst weithin akzeptierten Forderung nach klimaschonendem Bauen ist jene nach dem Vorrang von Umbau und Umnutzung vor Abriss und Neubau dazugekommen. Darauf weist Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, in ihrem Grußwort zu dem Buch hin, das aus Anlass der Preisverleihung im November erschienen ist und die besten Bauten vorstellt (Beton. Architekturpreis 2023, herausgegeben vom Informationszentrum Beton, Callwey Verlag, München 2023, 184 S., 49,95 Euro).
Wie Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, hat Wartzeck der Jury des Preises angehört, den Kammer und BDA gemeinsam mit der Betonindustrie ausloben. Darin steckt auch ein Bekenntnis - dass nämlich die Standesvertretungen der Architektenschaft keine grundsätzlichen Zweifel an der Zukunftstauglichkeit und Unersetzlichkeit des Materials hegen, sondern vielmehr darauf bauen, dass es gelingt, Beton effizienter zu verwenden und zugleich seine Herstellung nachhaltiger zu gestalten. Und tatsächlich sind auf diesem Gebiet beachtliche Fortschritte zu vermelden, etwa durch die Entwicklung von Carbon- und Recyclingbeton.
Zum Rechtfertigungsdruck, unter den Beton aufgrund des enormen CO2-Ausstoßes während seiner Herstellung und wegen des Verbrauchs an Sand geraten ist, kommt eine ästhetische Herausforderung hinzu, die allerdings seit Jahrzehnten besteht. Auf kein anderes Baumaterial blicken Architekten und Laien so unterschiedlich: Während die Baumeister den Anblick von unverputztem Beton schätzen und gern von dessen haptischer Qualität schwärmen, ist die Rezeption in der breiten Öffentlichkeit eine ganz andere, deutlich negativere.
Die Zusammensetzung der preisgekrönten Projekte des aktuellen Architekturpreises Beton kündet von dem Willen, allen Anforderungen und Hoffnungen gerecht zu werden. Bei zwei der prämierten vier Gebäude handelt es sich um Sanierungsprojekte, in einem Fall geht es um die Ergänzung eines denkmalgeschützten Bestandsgebäudes und im vierten um eine Konstruktion, die auf den möglichst sparsamen Einsatz von Beton setzt. Ganz ähnlich das Bild unter den vier Arbeiten, die mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurden: Außer zwei Neubauten ist ein Bauwerk dabei, für das recycelter Beton verwendet wurde, und eine Bestandserweiterung.
Scheu vor der Auszeichnung von Projekten mit einem hohen Anteil an Sichtbeton hatte die Jury keineswegs. Das zeigt das Dach, das von der Eigner Bauunternehmung über einer Tiefgaragenabfahrt in Nördlingen errichtet wurde. Die Stahlbetonrippendecke ist so konstruiert, dass aufgrund von Aussparungen gegenüber einer herkömmlichen Decke 40 Prozent weniger Beton verbaut wurde; zugleich sorgen die mit 3-D-Elementen vorgeformten Aussparungen dafür, dass der Schall der ein- und ausfahrenden Autos gedämpft wird - ein Konzept, an dessen Entwicklung das Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz maßgeblich beteiligt war.
Wissenschaftlich begleitet wurde auch der Anbau des historischen Rathauses in der hessischen Kleinstadt Korbach, der eine Anerkennung erhielt. Heimspiel Architekten haben ihren Entwurf nach dem Prinzip des "Urban Mining" angelegt, und zwar erstmals für einen Massivbau hierzulande: Bestandteile des abgerissenen Vorgängerbaus aus den Siebzigerjahren wurden beispielsweise in Form von Recyclingbeton für den Ersatzneubau wiederverwendet. Im Inneren schaffen die Architekten mit Holzeinbauten wie Türen und Treppengeländern einen warmen Kontrast zum Sichtbeton. Der Neubau ist zudem so konzipiert, dass sich seine Bestandteile bei einem möglichen Abriss leicht voneinander trennen lassen; er kann somit künftigen Generationen im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Materialdepot dienen.
Das Gymnasium Neustadt an der Waldnaab - ein weiterer Preisträger - war ein Alters- und Gesinnungsgenosse des Korbacher Rathausanbaus. Doch dieser Betonbrutalismusbau wurde nicht abgerissen, sondern vom Büro Brückner & Brückner innen wie außen geradezu spielerisch überformt. Der Eingang erhielt eine verspiegelte Aluminiumverkleidung; die Rillen der Strukturbetonplatten an der Außenfassade wurden intarsienartig gefüllt, was den schweren Elementen etwas Schillernd-Leichtes verleiht.
Die Tatsache, dass Überlingen in einem Erdbebengebiet liegt, legte die Verwendung von Beton für das dortige Sportzentrum nahe. Das Stuttgarter Büro Wulf Architekten nutzte die Gelegenheit für ein aktuelles Bekenntnis zum Sichtbeton, etwa im Treppenhaus, in dem die freitragende Schmetterlingstreppe die Zugänge zu drei gestapelten Sporthallen miteinander verbindet. Mächtige v-förmige Stahlbetonstützen akzentuieren die im Erdgeschoss verglaste Fassade.
Der in seiner Eigenständigkeit beeindruckendste Bewerber um den Architekturpreis Beton trägt den eigenwilligen Namen 6x60-Haus und steht in Schwabhausen in der Nähe von Augsburg. Für einen privaten Bauherrn haben die Münchner Architekten Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich ein eingeschossiges Langhaus mit Satteldach entworfen. Es steht auf einer Betonplatte und ist rundum verglast. Die Räume der drei Wohnungen werden überwiegend durch Wände aus Massivholz gebildet. Beton kam dort zum Einsatz, wo Rundungen und Knicke für Sichtschutz sorgen sollten, etwa in den Bädern. Der Beton erhielt durch den Zuschlag von schwarzen Pigmenten eine dunkle Tönung. Von einer "angenehmen Radikalität" spricht die Jury in ihrer Beurteilung - ein schöner Ausdruck für jene Eigenschaft, die ambitionierte Architekten bei ihren Auftraggebern am meisten erhoffen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es kommt darauf an, was man nicht daraus macht: Beton ist in Verruf geraten, weil bei seiner Herstellung Unmengen an CO2 freigesetzt werden. Neue Ideen sind gefragt.
Von Matthias Alexander
Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. In der Debatte über zeitgemäßes Bauen etwa hat sich zwischen den Jahren 2020 und 2023, in die die vorletzte und die jüngste Vergabe des traditionsreichen Architekturpreises Beton fielen, Grundlegendes getan. Zur längst weithin akzeptierten Forderung nach klimaschonendem Bauen ist jene nach dem Vorrang von Umbau und Umnutzung vor Abriss und Neubau dazugekommen. Darauf weist Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, in ihrem Grußwort zu dem Buch hin, das aus Anlass der Preisverleihung im November erschienen ist und die besten Bauten vorstellt (Beton. Architekturpreis 2023, herausgegeben vom Informationszentrum Beton, Callwey Verlag, München 2023, 184 S., 49,95 Euro).
Wie Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, hat Wartzeck der Jury des Preises angehört, den Kammer und BDA gemeinsam mit der Betonindustrie ausloben. Darin steckt auch ein Bekenntnis - dass nämlich die Standesvertretungen der Architektenschaft keine grundsätzlichen Zweifel an der Zukunftstauglichkeit und Unersetzlichkeit des Materials hegen, sondern vielmehr darauf bauen, dass es gelingt, Beton effizienter zu verwenden und zugleich seine Herstellung nachhaltiger zu gestalten. Und tatsächlich sind auf diesem Gebiet beachtliche Fortschritte zu vermelden, etwa durch die Entwicklung von Carbon- und Recyclingbeton.
Zum Rechtfertigungsdruck, unter den Beton aufgrund des enormen CO2-Ausstoßes während seiner Herstellung und wegen des Verbrauchs an Sand geraten ist, kommt eine ästhetische Herausforderung hinzu, die allerdings seit Jahrzehnten besteht. Auf kein anderes Baumaterial blicken Architekten und Laien so unterschiedlich: Während die Baumeister den Anblick von unverputztem Beton schätzen und gern von dessen haptischer Qualität schwärmen, ist die Rezeption in der breiten Öffentlichkeit eine ganz andere, deutlich negativere.
Die Zusammensetzung der preisgekrönten Projekte des aktuellen Architekturpreises Beton kündet von dem Willen, allen Anforderungen und Hoffnungen gerecht zu werden. Bei zwei der prämierten vier Gebäude handelt es sich um Sanierungsprojekte, in einem Fall geht es um die Ergänzung eines denkmalgeschützten Bestandsgebäudes und im vierten um eine Konstruktion, die auf den möglichst sparsamen Einsatz von Beton setzt. Ganz ähnlich das Bild unter den vier Arbeiten, die mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurden: Außer zwei Neubauten ist ein Bauwerk dabei, für das recycelter Beton verwendet wurde, und eine Bestandserweiterung.
Scheu vor der Auszeichnung von Projekten mit einem hohen Anteil an Sichtbeton hatte die Jury keineswegs. Das zeigt das Dach, das von der Eigner Bauunternehmung über einer Tiefgaragenabfahrt in Nördlingen errichtet wurde. Die Stahlbetonrippendecke ist so konstruiert, dass aufgrund von Aussparungen gegenüber einer herkömmlichen Decke 40 Prozent weniger Beton verbaut wurde; zugleich sorgen die mit 3-D-Elementen vorgeformten Aussparungen dafür, dass der Schall der ein- und ausfahrenden Autos gedämpft wird - ein Konzept, an dessen Entwicklung das Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz maßgeblich beteiligt war.
Wissenschaftlich begleitet wurde auch der Anbau des historischen Rathauses in der hessischen Kleinstadt Korbach, der eine Anerkennung erhielt. Heimspiel Architekten haben ihren Entwurf nach dem Prinzip des "Urban Mining" angelegt, und zwar erstmals für einen Massivbau hierzulande: Bestandteile des abgerissenen Vorgängerbaus aus den Siebzigerjahren wurden beispielsweise in Form von Recyclingbeton für den Ersatzneubau wiederverwendet. Im Inneren schaffen die Architekten mit Holzeinbauten wie Türen und Treppengeländern einen warmen Kontrast zum Sichtbeton. Der Neubau ist zudem so konzipiert, dass sich seine Bestandteile bei einem möglichen Abriss leicht voneinander trennen lassen; er kann somit künftigen Generationen im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Materialdepot dienen.
Das Gymnasium Neustadt an der Waldnaab - ein weiterer Preisträger - war ein Alters- und Gesinnungsgenosse des Korbacher Rathausanbaus. Doch dieser Betonbrutalismusbau wurde nicht abgerissen, sondern vom Büro Brückner & Brückner innen wie außen geradezu spielerisch überformt. Der Eingang erhielt eine verspiegelte Aluminiumverkleidung; die Rillen der Strukturbetonplatten an der Außenfassade wurden intarsienartig gefüllt, was den schweren Elementen etwas Schillernd-Leichtes verleiht.
Die Tatsache, dass Überlingen in einem Erdbebengebiet liegt, legte die Verwendung von Beton für das dortige Sportzentrum nahe. Das Stuttgarter Büro Wulf Architekten nutzte die Gelegenheit für ein aktuelles Bekenntnis zum Sichtbeton, etwa im Treppenhaus, in dem die freitragende Schmetterlingstreppe die Zugänge zu drei gestapelten Sporthallen miteinander verbindet. Mächtige v-förmige Stahlbetonstützen akzentuieren die im Erdgeschoss verglaste Fassade.
Der in seiner Eigenständigkeit beeindruckendste Bewerber um den Architekturpreis Beton trägt den eigenwilligen Namen 6x60-Haus und steht in Schwabhausen in der Nähe von Augsburg. Für einen privaten Bauherrn haben die Münchner Architekten Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich ein eingeschossiges Langhaus mit Satteldach entworfen. Es steht auf einer Betonplatte und ist rundum verglast. Die Räume der drei Wohnungen werden überwiegend durch Wände aus Massivholz gebildet. Beton kam dort zum Einsatz, wo Rundungen und Knicke für Sichtschutz sorgen sollten, etwa in den Bädern. Der Beton erhielt durch den Zuschlag von schwarzen Pigmenten eine dunkle Tönung. Von einer "angenehmen Radikalität" spricht die Jury in ihrer Beurteilung - ein schöner Ausdruck für jene Eigenschaft, die ambitionierte Architekten bei ihren Auftraggebern am meisten erhoffen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit Köpfchen
Es kommt darauf an, was man nicht daraus macht: Beton ist in Verruf geraten, weil bei seiner Herstellung Unmengen an CO2 freigesetzt werden. Neue Ideen sind gefragt.
Von Matthias Alexander
Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. In der Debatte über zeitgemäßes Bauen etwa hat sich zwischen den Jahren 2020 und 2023, in die die vorletzte und die jüngste Vergabe des traditionsreichen Architekturpreises Beton fielen, Grundlegendes getan. Zur längst weithin akzeptierten Forderung nach klimaschonendem Bauen ist jene nach dem Vorrang von Umbau und Umnutzung vor Abriss und Neubau dazugekommen. Darauf weist Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, in ihrem Grußwort zu dem Buch hin, das aus Anlass der Preisverleihung im November erschienen ist und die besten Bauten vorstellt (Beton. Architekturpreis 2023, herausgegeben vom Informationszentrum Beton, Callwey Verlag, München 2023, 184 S., 49,95 Euro).
Wie Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, hat Wartzeck der Jury des Preises angehört, den Kammer und BDA gemeinsam mit der Betonindustrie ausloben. Darin steckt auch ein Bekenntnis - dass nämlich die Standesvertretungen der Architektenschaft keine grundsätzlichen Zweifel an der Zukunftstauglichkeit und Unersetzlichkeit des Materials hegen, sondern vielmehr darauf bauen, dass es gelingt, Beton effizienter zu verwenden und zugleich seine Herstellung nachhaltiger zu gestalten. Und tatsächlich sind auf diesem Gebiet beachtliche Fortschritte zu vermelden, etwa durch die Entwicklung von Carbon- und Recyclingbeton.
Zum Rechtfertigungsdruck, unter den Beton aufgrund des enormen CO2-Ausstoßes während seiner Herstellung und wegen des Verbrauchs an Sand geraten ist, kommt eine ästhetische Herausforderung hinzu, die allerdings seit Jahrzehnten besteht. Auf kein anderes Baumaterial blicken Architekten und Laien so unterschiedlich: Während die Baumeister den Anblick von unverputztem Beton schätzen und gern von dessen haptischer Qualität schwärmen, ist die Rezeption in der breiten Öffentlichkeit eine ganz andere, deutlich negativere.
Die Zusammensetzung der preisgekrönten Projekte des aktuellen Architekturpreises Beton kündet von dem Willen, allen Anforderungen und Hoffnungen gerecht zu werden. Bei zwei der prämierten vier Gebäude handelt es sich um Sanierungsprojekte, in einem Fall geht es um die Ergänzung eines denkmalgeschützten Bestandsgebäudes und im vierten um eine Konstruktion, die auf den möglichst sparsamen Einsatz von Beton setzt. Ganz ähnlich das Bild unter den vier Arbeiten, die mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurden: Außer zwei Neubauten ist ein Bauwerk dabei, für das recycelter Beton verwendet wurde, und eine Bestandserweiterung.
Scheu vor der Auszeichnung von Projekten mit einem hohen Anteil an Sichtbeton hatte die Jury keineswegs. Das zeigt das Dach, das von der Eigner Bauunternehmung über einer Tiefgaragenabfahrt in Nördlingen errichtet wurde. Die Stahlbetonrippendecke ist so konstruiert, dass aufgrund von Aussparungen gegenüber einer herkömmlichen Decke 40 Prozent weniger Beton verbaut wurde; zugleich sorgen die mit 3-D-Elementen vorgeformten Aussparungen dafür, dass der Schall der ein- und ausfahrenden Autos gedämpft wird - ein Konzept, an dessen Entwicklung das Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz maßgeblich beteiligt war.
Wissenschaftlich begleitet wurde auch der Anbau des historischen Rathauses in der hessischen Kleinstadt Korbach, der eine Anerkennung erhielt. Heimspiel Architekten haben ihren Entwurf nach dem Prinzip des "Urban Mining" angelegt, und zwar erstmals für einen Massivbau hierzulande: Bestandteile des abgerissenen Vorgängerbaus aus den Siebzigerjahren wurden beispielsweise in Form von Recyclingbeton für den Ersatzneubau wiederverwendet. Im Inneren schaffen die Architekten mit Holzeinbauten wie Türen und Treppengeländern einen warmen Kontrast zum Sichtbeton. Der Neubau ist zudem so konzipiert, dass sich seine Bestandteile bei einem möglichen Abriss leicht voneinander trennen lassen; er kann somit künftigen Generationen im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Materialdepot dienen.
Das Gymnasium Neustadt an der Waldnaab - ein weiterer Preisträger - war ein Alters- und Gesinnungsgenosse des Korbacher Rathausanbaus. Doch dieser Betonbrutalismusbau wurde nicht abgerissen, sondern vom Büro Brückner & Brückner innen wie außen geradezu spielerisch überformt. Der Eingang erhielt eine verspiegelte Aluminiumverkleidung; die Rillen der Strukturbetonplatten an der Außenfassade wurden intarsienartig gefüllt, was den schweren Elementen etwas Schillernd-Leichtes verleiht.
Die Tatsache, dass Überlingen in einem Erdbebengebiet liegt, legte die Verwendung von Beton für das dortige Sportzentrum nahe. Das Stuttgarter Büro Wulf Architekten nutzte die Gelegenheit für ein aktuelles Bekenntnis zum Sichtbeton, etwa im Treppenhaus, in dem die freitragende Schmetterlingstreppe die Zugänge zu drei gestapelten Sporthallen miteinander verbindet. Mächtige v-förmige Stahlbetonstützen akzentuieren die im Erdgeschoss verglaste Fassade.
Der in seiner Eigenständigkeit beeindruckendste Bewerber um den Architekturpreis Beton trägt den eigenwilligen Namen 6x60-Haus und steht in Schwabhausen in der Nähe von Augsburg. Für einen privaten Bauherrn haben die Münchner Architekten Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich ein eingeschossiges Langhaus mit Satteldach entworfen. Es steht auf einer Betonplatte und ist rundum verglast. Die Räume der drei Wohnungen werden überwiegend durch Wände aus Massivholz gebildet. Beton kam dort zum Einsatz, wo Rundungen und Knicke für Sichtschutz sorgen sollten, etwa in den Bädern. Der Beton erhielt durch den Zuschlag von schwarzen Pigmenten eine dunkle Tönung. Von einer "angenehmen Radikalität" spricht die Jury in ihrer Beurteilung - ein schöner Ausdruck für jene Eigenschaft, die ambitionierte Architekten bei ihren Auftraggebern am meisten erhoffen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es kommt darauf an, was man nicht daraus macht: Beton ist in Verruf geraten, weil bei seiner Herstellung Unmengen an CO2 freigesetzt werden. Neue Ideen sind gefragt.
Von Matthias Alexander
Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. In der Debatte über zeitgemäßes Bauen etwa hat sich zwischen den Jahren 2020 und 2023, in die die vorletzte und die jüngste Vergabe des traditionsreichen Architekturpreises Beton fielen, Grundlegendes getan. Zur längst weithin akzeptierten Forderung nach klimaschonendem Bauen ist jene nach dem Vorrang von Umbau und Umnutzung vor Abriss und Neubau dazugekommen. Darauf weist Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, in ihrem Grußwort zu dem Buch hin, das aus Anlass der Preisverleihung im November erschienen ist und die besten Bauten vorstellt (Beton. Architekturpreis 2023, herausgegeben vom Informationszentrum Beton, Callwey Verlag, München 2023, 184 S., 49,95 Euro).
Wie Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, hat Wartzeck der Jury des Preises angehört, den Kammer und BDA gemeinsam mit der Betonindustrie ausloben. Darin steckt auch ein Bekenntnis - dass nämlich die Standesvertretungen der Architektenschaft keine grundsätzlichen Zweifel an der Zukunftstauglichkeit und Unersetzlichkeit des Materials hegen, sondern vielmehr darauf bauen, dass es gelingt, Beton effizienter zu verwenden und zugleich seine Herstellung nachhaltiger zu gestalten. Und tatsächlich sind auf diesem Gebiet beachtliche Fortschritte zu vermelden, etwa durch die Entwicklung von Carbon- und Recyclingbeton.
Zum Rechtfertigungsdruck, unter den Beton aufgrund des enormen CO2-Ausstoßes während seiner Herstellung und wegen des Verbrauchs an Sand geraten ist, kommt eine ästhetische Herausforderung hinzu, die allerdings seit Jahrzehnten besteht. Auf kein anderes Baumaterial blicken Architekten und Laien so unterschiedlich: Während die Baumeister den Anblick von unverputztem Beton schätzen und gern von dessen haptischer Qualität schwärmen, ist die Rezeption in der breiten Öffentlichkeit eine ganz andere, deutlich negativere.
Die Zusammensetzung der preisgekrönten Projekte des aktuellen Architekturpreises Beton kündet von dem Willen, allen Anforderungen und Hoffnungen gerecht zu werden. Bei zwei der prämierten vier Gebäude handelt es sich um Sanierungsprojekte, in einem Fall geht es um die Ergänzung eines denkmalgeschützten Bestandsgebäudes und im vierten um eine Konstruktion, die auf den möglichst sparsamen Einsatz von Beton setzt. Ganz ähnlich das Bild unter den vier Arbeiten, die mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurden: Außer zwei Neubauten ist ein Bauwerk dabei, für das recycelter Beton verwendet wurde, und eine Bestandserweiterung.
Scheu vor der Auszeichnung von Projekten mit einem hohen Anteil an Sichtbeton hatte die Jury keineswegs. Das zeigt das Dach, das von der Eigner Bauunternehmung über einer Tiefgaragenabfahrt in Nördlingen errichtet wurde. Die Stahlbetonrippendecke ist so konstruiert, dass aufgrund von Aussparungen gegenüber einer herkömmlichen Decke 40 Prozent weniger Beton verbaut wurde; zugleich sorgen die mit 3-D-Elementen vorgeformten Aussparungen dafür, dass der Schall der ein- und ausfahrenden Autos gedämpft wird - ein Konzept, an dessen Entwicklung das Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz maßgeblich beteiligt war.
Wissenschaftlich begleitet wurde auch der Anbau des historischen Rathauses in der hessischen Kleinstadt Korbach, der eine Anerkennung erhielt. Heimspiel Architekten haben ihren Entwurf nach dem Prinzip des "Urban Mining" angelegt, und zwar erstmals für einen Massivbau hierzulande: Bestandteile des abgerissenen Vorgängerbaus aus den Siebzigerjahren wurden beispielsweise in Form von Recyclingbeton für den Ersatzneubau wiederverwendet. Im Inneren schaffen die Architekten mit Holzeinbauten wie Türen und Treppengeländern einen warmen Kontrast zum Sichtbeton. Der Neubau ist zudem so konzipiert, dass sich seine Bestandteile bei einem möglichen Abriss leicht voneinander trennen lassen; er kann somit künftigen Generationen im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Materialdepot dienen.
Das Gymnasium Neustadt an der Waldnaab - ein weiterer Preisträger - war ein Alters- und Gesinnungsgenosse des Korbacher Rathausanbaus. Doch dieser Betonbrutalismusbau wurde nicht abgerissen, sondern vom Büro Brückner & Brückner innen wie außen geradezu spielerisch überformt. Der Eingang erhielt eine verspiegelte Aluminiumverkleidung; die Rillen der Strukturbetonplatten an der Außenfassade wurden intarsienartig gefüllt, was den schweren Elementen etwas Schillernd-Leichtes verleiht.
Die Tatsache, dass Überlingen in einem Erdbebengebiet liegt, legte die Verwendung von Beton für das dortige Sportzentrum nahe. Das Stuttgarter Büro Wulf Architekten nutzte die Gelegenheit für ein aktuelles Bekenntnis zum Sichtbeton, etwa im Treppenhaus, in dem die freitragende Schmetterlingstreppe die Zugänge zu drei gestapelten Sporthallen miteinander verbindet. Mächtige v-förmige Stahlbetonstützen akzentuieren die im Erdgeschoss verglaste Fassade.
Der in seiner Eigenständigkeit beeindruckendste Bewerber um den Architekturpreis Beton trägt den eigenwilligen Namen 6x60-Haus und steht in Schwabhausen in der Nähe von Augsburg. Für einen privaten Bauherrn haben die Münchner Architekten Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich ein eingeschossiges Langhaus mit Satteldach entworfen. Es steht auf einer Betonplatte und ist rundum verglast. Die Räume der drei Wohnungen werden überwiegend durch Wände aus Massivholz gebildet. Beton kam dort zum Einsatz, wo Rundungen und Knicke für Sichtschutz sorgen sollten, etwa in den Bädern. Der Beton erhielt durch den Zuschlag von schwarzen Pigmenten eine dunkle Tönung. Von einer "angenehmen Radikalität" spricht die Jury in ihrer Beurteilung - ein schöner Ausdruck für jene Eigenschaft, die ambitionierte Architekten bei ihren Auftraggebern am meisten erhoffen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main