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Bemerkungen zur Musik ziehen sich durch Wittgensteins gesamtes Werk. Das Hören einer Melodie und die Unmöglichkeit, ihren Eindruck zu beschreiben, beschäftigte den Philosophen im Zuge seiner endlosen Versuche, sich über den Charakter des Verstehens und des Meinens klar zu werden. Ob der Wechsel einer Tonart mit der Veränderung des Gesichtsausdrucks vergleichbar ist oder ob Musik überhaupt etwas mitteilt - durch die Hintertür der philosophischen Untersuchung kommt Wittgenstein ihrem Sprachcharakter auf die Spur.
Der Komponist Walter Zimmermann hat die Notizen thematisch geordnet und aus
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Produktbeschreibung
Bemerkungen zur Musik ziehen sich durch Wittgensteins gesamtes Werk. Das Hören einer Melodie und die Unmöglichkeit, ihren Eindruck zu beschreiben, beschäftigte den Philosophen im Zuge seiner endlosen Versuche, sich über den Charakter des Verstehens und des Meinens klar zu werden. Ob der Wechsel einer Tonart mit der Veränderung des Gesichtsausdrucks vergleichbar ist oder ob Musik überhaupt etwas mitteilt - durch die Hintertür der philosophischen Untersuchung kommt Wittgenstein ihrem Sprachcharakter auf die Spur.

Der Komponist Walter Zimmermann hat die Notizen thematisch geordnet und aus Stichwörtern wie »Gesang«, »Grammophon«, »Harmonik« bis »Stille«, »Thema« und »Töne« ein musikalisches Wittgenstein-ABC geschaffen. Das inspirierende, höchst originelle Buch ist unentbehrlich für alle, die noch immer rätseln, warum es so schwer ist, sich redend über musikalische Eindrücke zu verständigen, während beim Spielen alles ganz klar und einfach ist.
Autorenporträt
Ludwig Wittgenstein wurde am 26. April 1889 als Sohn des Großindustriellen Karl Wittgenstein in Wien geboren und starb am 29. April 1951 in Cambridge. Er erhielt zunächst Privatunterricht und besuchte ab 1903 eine Realschule in Linz. Er studierte von 1906 bis 1908 Ingenieurswissenschaften an der Technischen Hochschule Charlottenburg und wechselte dann für weitere drei Jahre nach Manchester. Dort forschte er zur Aeronautik. Er begann, sich für philosophische Themen zu interessieren und trat 1912 in das Trinity College in Cambridge. Ab diesem Jahr begann Wittgenstein mit den Arbeiten an seinem ersten philosophischen Werk, der Logisch-philosophischen Abhandlung, die er in einem Tagebuch als Notizen bis 1917 festhielt. Auch während seiner Zeit als österreichischer Freiwilliger im Ersten Weltkrieg arbeitete er daran weiter, bis er das Werk schließlich im Sommer 1918 vollendete. Es erschien jedoch erst 1921 in einer fehlerhaften Version in der Zeitschrift Annalen der Naturphilosophie. 1922 wurde schließlich eine zweisprachige Ausgabe unter dem heute bekannten Titel der englischen Übersetzung veröffentlicht: Tractatus Logico-Philosophicus. Abgesehen von zwei kleineren philosophischen Aufsätzen und einem Wörterbuch für Volksschulen blieb die Logisch-philosophische Abhandlung das einzige zu Lebzeiten veröffentlichte Werk Wittgensteins. 1953 erschien posthum das Werk Philosophische Untersuchungen. Walter Zimmermann, geboren 1949, Komponist und Professor Emeritus der UdK Berlin, hat den Band auf der Basis der Transkriptionen des Wittgenstein-Archivs der Universität Bergen zusammengestellt und alphabetisch geordnet. Bei Suhrkamp gab er 2012 John Cages Empty Mind heraus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Helmut Mayer findet diese von Walter Zimmermann besorgte Anthologie mit Texten aus Ludwig Wittgensteins Nachlass alles andere als zielführend. Unter den von Zimmermann angeführten Lemmata wie "Grammophon", "Hören"  oder "Klänge" stößt der Rezensent auf Texte, in denen Wittgenstein etwa über den Schmerz nachsinnt und dabei den Begriff "Klänge" verwendet. Viel mehr gibt der Eintrag für Mayer in Sachen Musik nicht her. So schlägt sich der Rezensent durch mehr oder weniger interessante, vom Herausgeber nicht weiter kommentierte Aufzeichnungen. Als Betrachtung zur Musik aber möchte Mayer kaum eine von ihnen gelten lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2022

Wer singt denn da?
Zusammengestelltes von Wittgenstein

Der Komponist Walter Zimmermann hat aus dem Werk Ludwig Wittgensteins, also den Notiz-, Manuskript- und Typoskriptbüchern des Nachlasses, eine Anthologie gezogen. Sein Ziel war ein "Nachschlagewerk . . ., das die Gedanken Wittgensteins zur Musik" auf Basis der digitalen Edition dieses Nachlasses zugänglich macht. Und zwar geordnet unter Lemmata, die Wittgensteins Bezugnahmen auf Musikalisches ausschöpfen: musikalische Formen (Fuge bis Walzer), Formen des Gesangs, Grammophon, Harmonik (Akkord bis Orgelpunkt), Instrumente, Klang, Komponisten, Laute, Lied, Melodie, Musik, Noten, Partitur, Pfeifen, Phrase, Spiel, Stille . . .

Lesern Wittgensteins ist klar, dass sich die Reihe dieser Lemmata vor allem dem Umstand verdankt, dass Musikalisches in solch weitem Sinn von Wittgenstein gern zu Vergleichszwecken herangezogen wird. In seinem Vorwort kommt Zimmermann gleich auf eine späte Aufzeichnung zu sprechen, die das gut zeigt: "'Seine Schmerzen sind mir verborgen', das wäre, als sagte ich: 'Diese Klänge sind meinem Auge verborgen.'" Sie hat in die Anthologie über die "Klänge" gefunden, die an dieser Stelle auftauchen, und ist nicht schwer einzuordnen: Es handelt sich um einen der Versuche Wittgensteins, eine irreführende und gleichwohl immer wieder lockende Tendenz anzuzeigen, Schmerzen grundsätzlich von Schmerzverhalten abzutrennen, womit sie zur Qualität eines "verborgenen" Inneren werden; und solche prinzipiell privaten Innenräume - ob in ihnen nun Schmerzen uneinsehbar gefühlt, Farben wahrgenommen oder Wortbedeutungen gestiftet werden sollen - sind Gegenstand seiner (antiskeptischen) Verwahrungen. Die schräge Wendung, dass Klänge dem Auge "verborgen" sind, soll klarmachen, dass es mit der Behauptung der prinzipiell "verborgenen" Schmerzen nicht besser steht.

So aber liest der Herausgeber diese Stelle, sich auf tiefem Terrain wähnend: "Die 'Verborgenheit' des Klanges - als eines gleichsam existentiellen Gestus, ähnlich dem Schmerz - entspricht insoweit dem von Wittgenstein berufenen 'Unaussprechlichen', das sich nur im Schweigen offenbart." Eine pathetisch instrumentierte Fehlinterpretation.

Nun hat man es in der vorgelegten Anthologie nicht mit Auslegungen ihres Herausgebers zu tun, sondern mit unkommentierten Auszügen aus Wittgensteins Texten. Doch kann dieses vorangestellte Beispiel Befürchtungen wecken, was es mit der folgenden Auswahl auf sich hat. Tatsächlich schreitet man dann in ihr oft von einer Aufzeichnung zur nächsten fort, die mit Betrachtungen zur Musik so gut wie nichts zu tun haben. Bleiben wir beim Schmerz. Wittgenstein möchte klarmachen, dass der Satz "Ich weiß, dass ich Zahnschmerzen habe, weil ich es fühle" in die Irre führt, denn man "konstruiert hier nach dem Schema: 'Woher weißt Du, dass jemand im Zimmer war?' - 'Ich habe ihn drin singen hören.'" Wobei hier natürlich auch "husten" stehen könnte. Zimmermann führt die Stelle unter dem Lemma "Gesang" an. So wie etwa auch eine der Passagen, in denen Wittgenstein sich dem Meinen als vermeintlich vom Sprechen abtrennbare Aktivität widmet. Man denke sich also Leute, die erst dann, wenn sie Sätze singen, sie auch wirklich meinen: "Wenn diese Menschen über den Begriff 'meinen' philosophieren, werden sie versucht sein zu sagen: meinen heiße singen."

Weiter geht es mit dem "Grammophon", das von Wittgenstein gern als Vergleichsinstanz rein mechanischer Wiedergabe oder Anleitung verwendet wird. Auch darin stecken so gut wie keine Einsichten in Musikalisches; und beim darauf folgenden Lemma "Hören" wird es kaum besser. Brechen wir hier ab. Natürlich stößt man später auch auf die Aufzeichnungen, die als "Betrachtungen zur Musik" gelten können, etwa unter den Namen von Komponisten. Das ist ein Weg, dem Musikverständnis eines Philosophen auf die Spur zu kommen, der durchtränkt war von der Wiener musikalischen Kultur am Anfang des vorigen Jahrhunderts; nicht philosophisch relevant in direktem Sinn, aber vielleicht bestimmte ästhetische Prägungen erhellend. Doch in der vorliegenden Anthologie machen sie nur einen bescheidenen Teil aus. Sie stolpert über die Idee einer am Leitfaden der Lemmata hergestellten Vollständigkeit. HELMUT MAYER

Ludwig Wittgenstein: "Betrachtungen zur Musik".

Aus dem Nachlass zusammengestellt von Walter Zimmermann. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 253 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein Buch, das erstmals in solcher Fülle und Breite einen besonderen Werkaspekt des Philosophen Ludwig Wittgenstein erschließt.« Bernd Berke revierpassagen.de 20220629