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Überraschende Einblicke in die Moderne Ostasiens. Yisang, der als bedeutendster Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts in Korea gilt und Namensgeber des wichtigsten koreanischen Literaturpreises ist, enthüllt in seinen Erzählungen seine eigenen, damals als skandalös empfundenen Lebensumstände, seine von Eifersucht und nüchterner Analyse bestimmte Abhängigkeit von einer Prostituierten.Erotik und Lebensmüdigkeit sind die großen Motive im Werk des frühverstorbenen Autors, und diese Themenkomplexe sind eingebettet in die spezielle Erfahrung eines Landes, das unter kolonialer Besatzung steht…mehr

Produktbeschreibung
Überraschende Einblicke in die Moderne Ostasiens. Yisang, der als bedeutendster Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts in Korea gilt und Namensgeber des wichtigsten koreanischen Literaturpreises ist, enthüllt in seinen Erzählungen seine eigenen, damals als skandalös empfundenen Lebensumstände, seine von Eifersucht und nüchterner Analyse bestimmte Abhängigkeit von einer Prostituierten.Erotik und Lebensmüdigkeit sind die großen Motive im Werk des frühverstorbenen Autors, und diese Themenkomplexe sind eingebettet in die spezielle Erfahrung eines Landes, das unter kolonialer Besatzung steht und dessen Gesellschaft zugleich den entscheidenden Wandel in die Moderne durchmacht. Die dadurch ausgelösten Leidenschaften, die Brüche, Unsicherheiten und neuen Freiheiten spürt Yisang mit seismographischer Empfindsamkeit in seinen Figuren auf, die zwischen ihrem Begehren und den ökonomischen Bedingungen nach ihrer Identität suchen. Die Bezugspunkte Yisangs sind Japan und die westliche Moderne, und das trifft im Besonderen auf seine stilistischen Techniken zu.Yisangs Erzählungen zu lesen, heißt nicht nur, ein kaum bekanntes Land kennenzulernen (Korea um 1930), sondern von faszinierenden, intelligenten Texten über das Privatleben ostasiatischer Großstadtbewohner gefangen genommen zu werden.
Autorenporträt
Yisang, 1910 in Seoul als Kim Hae-Kyong geboren, gilt als der wichtigste Dichter der Moderne in Korea. Noch während seines Architekturstudiums veröffentlichte er erste (auf Japanisch geschriebene) Gedichte, betrieb eher erfolglos mehrere Cafés und erlangte aufgrund seines dandyhaften Auftretens im von den Japanern besetzten Seoul eine gewisse Berühmtheit. Er starb, aus politischen Gründen inhaftiert, in Tokyo 1937 an Tbc. Sein in nur etwa sechs Lebensjahren entstandenes Werk umfasst insgesamt 100 Gedichte, einen Roman, fünfzig Essays und die in diesem Band versammelten Erzählungen. Auf deutsch erschien bisher ein Auswahlband seiner Lyrik, "Mogelperspektive" (Droschl, 2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2014

Ohne oberschlaues Gerede über Glück und Unglück
Eine Entdeckung, nun endlich auch auf Deutsch: Das schnelle Leben und unheimlich gegenwärtige Schreiben des koreanischen Schriftstellers und Dandys Yisang

Der koreanische Schriftsteller, Café-Betreiber, Dandy und Herumtreiber Yisang war nur 26 Jahre alt, als er 1937 in der Universitätsklinik von Tokio an Tuberkulose starb. Aber die Suggestionskraft dieses kurzen Lebens hält in Korea noch heute an. Nicht weniger als vier verschiedene Gesamtausgaben sind in den letzten Jahrzehnten erschienen, und in dem Roman "Good bye, Yisang" des 1970 geborenen Autors Kim Yonsu verwickelt sich ein Yisang-Forscher so heillos in die Ideosynkrasien seines Objekts, dass er am Ende eine dieser Obsessionen selbst realisiert: Er bringt sich um.

Der österreichische Verlag Droschl veröffentlicht nach einer Gedicht-Anthologie nun eine Prosasammlung dieses eigenartigen, im Westen bisher wenig bekannten Autors, die mit Fotos, einer biographischen Zeittafel und einem informativen Nachwort der Übersetzerin Hanju Yang zugleich eine Skizze der Gestalt liefert, die ihrerseits wie eine literarische Erfindung wirkt. Nach der Lektüre des schmalen Bandes weiß man: Dieser Yisang mit seinem surrealen Sarkasmus und der unheimlich gegenwärtigen Ironie im Umgang mit der eigenen Ich-Rolle ist eine wirkliche Entdeckung.

Nicht dass hier etwas Vollendetes zu bewundern wäre. Von keiner der Erzählungen dieses Bandes wüsste man im Nachhinein so genau zu sagen, wovon sie überhaupt handelt. Ihr Anfang und ihr Ende sind undeutlich, viele Sätze lesen sich in ihrer allegorischen Losgelöstheit von einem bestimmten Handlungskontext wie Gedichtzeilen, doch anders als zum Beispiel bei Kafka ist diese Hintergründigkeit nicht durchgearbeitet, so dass sie auch für sich stehen könnte. Yisang scheint so schnell geschrieben zu haben, wie er gelebt hat, da bleibt vieles flüchtig, fragmentarisch, offen.

Doch die Suaden all der wunderlichen Menschen in diesen Erzählungen stecken den Leser mit ihrer Atemlosigkeit an. "Das war natürlich alles gelogen", heißt es einmal über den Brief einer rätselhaften jungen Frau: "Aber wie nervenaufreibend ist ihre kühne Strategie, wie ein zum Zerreißen gespannter Bogen, der bereit ist, einen Pfeil mitten ins Herz abzuschießen." Das könnte man auch über Yisangs Schreiben sagen.

Alles ist gelogen, aber nichts ist falsch. Schon der Name ist ein Pseudonym, das sich Kim Haekyong in seinem neunzehnten Lebensjahr gab. Er war nach seinem Studium damals gerade als Bauingenieur in Staatsdienste getreten, und ein japanischer Bauarbeiter redete ihn irrtümlich als yi-san, Herr Yi, an. Kim nutzte die japanische Sprachverfremdung für sein eigenes Vieldeutigkeitsprogramm: "Yisang" kann auf Koreanisch "merkwürdig", "Ideal der Vollkommenheit", "abnormal" oder auch "Ende einer Durchsage" bedeuten. Von Anfang bis Ende war sein Leben eng mit der japanischen Kolonialherrschaft verbunden. Geboren wurde er 1910, einen Monat vor der japanischen Annexion Koreas, und er starb, kurz nachdem er wegen des Verdachts "antikolonialistischer Umtriebe" in Tokio 34 Tage in Haft verbracht hatte. Sein Interesse an avantgardistischer Literatur wurde durch japanische Schriftsteller geweckt, und er schrieb seine Gedichte selbst zunächst auf Japanisch. Vielleicht war dieser enge Zusammenhang, den Moderne und Kolonialismus für ihn hatten, auch schuld daran, dass er sich die zeitgenössische Existenz nicht anders als etwas Zerrissenes, Entfremdetes, zutiefst Unauthentisches vorstellen konnte. "Die Leute halten mich für ziemlich exzentrisch, für jemand Außergewöhnlichen, der heimlich einen welterschütternden Plan verfolgt. Also muss ich den Sonderling spielen, und das einfachste Mittel hierfür ist Schlaf. Daher präsentiere ich mich den anderen tagsüber schlafend", heißt es in den ein halbes Jahr vor seinem Tod geschriebenen "Letzten Aufzeichnungen".

Das tagsüber Schlafen ist eines der immer wiederkehrenden Motive in den Erzählungen, bei denen die Übergänge zwischen Fiktion und eigenem Leben fließend sind. Andere sind seine Tuberkulosekrankheit, seine Liebschaften mit Prostituierten, Selbstmordgedanken und die fixe Idee, nach Tokio zu gehen. Dem, wofür ihn die anderen Leute halten, setzt er eine eigene Stilisierung entgegen. Alles hängt davon ab, dass der Stil nicht der Kontrolle entgleitet; ihm soll es nicht wie Tolstoi ergehen, der das "gelungene Schauspiel" seines Lebens "noch in seinen letzten fünf Minuten mit albernen Worten zunichtemachte". Daher bisweilen die Sorge, die "Maskerade meiner Person" könnte vielleicht zu extravagant sein. Der wirkliche Yisang trug, nachdem er in Seoul sein erstes von Intellektuellen stark frequentiertes Café aufgemacht hatte, weißen Smoking, Lackschuhe und Panamahut.

Auch die Struktur der Texte selbst hält einen maximalen Abstand zu naiven Echtheitsvorstellungen. Personen, Situationen und Assoziationen sind oft nur Collagen aus klassischen und zeitgenössischen Zitaten, verbunden durch einen unaufhörlichen Bewusstseinsstrom, der auch in der deutschen Übersetzung, die Heiner Feldhoff und Gerda Kneifel zusammen mit Hanju Yang vorgenommen haben, drängend voranprescht.

Gibt es etwas, was hinter all diesen Posen, Masken, Spiegeln und Zitaten steckt? Gewiss der fortschreitende Verfall des Körpers, dessen sich Yisang sehr bewusst war. Eine große, manchmal überwältigende Müdigkeit. Und immer wieder Geld, Sex, Untreue, Literatur. "Nichts als dösen und faulenzen, das war hier möglich ohne jedes oberschlaue Gerede über Glück und Unglück", heißt es in der Erzählung "Flügel", in der sich alles, was man Wirklichkeit nennen könnte, zusehends auflöst. Mit immer verzweifelteren Listen betrügt sich der Ich-Erzähler über seine Situation, in der er von seiner offenbar als Prostituierte tätigen Frau als Gefangener in der eigenen Wohnung gehalten wird. Gleichzeitig hat man das Gefühl, als habe er alles schon durchschaut: "Haben Sie jemals ein erstarrtes Genie zu Gesicht bekommen, leblos, wie präpariert? Schauen Sie, ich bin überaus vergnügt." Vielleicht ist dies das größte Geheimnis von Yisangs Wirkung - leblos sein zu können mit einer solchen Vitalität.

MARK SIEMONS

Yisang: "Betriebsferien und andere Umstände". Erzählungen. Aus dem Koreanischen von Hanju Yang, Heiner Feldhoff, Gerda Kneifel und mit einem Nachwort von Hanju Yang. Literaturverlag Droschl, Graz 2014. 224 S., geb., 23,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Leblosigkeit bei maximaler Lebendigkeit prägt laut Mark Siemons die erstmals auf Deutsch zu lesenden Erzählungen des koreanischen Schriftstellers und Dandys Yisang. Müdigkeit ist ein Motiv, meint Siemons, Atemlosigkeit aber steckt für ihn im fragmentarischen, offenen Stil der Texte. Eine Entdeckung ist der Autor, der im Band mit biografischen Angaben und Fotos vorgestellt wird, für den Rezensenten jedoch vor allem wegen seiner Ironie im Umgang mit der eigenen, in den Texten aufblitzenden Biografie und den fließenden Übergängen zwischen letzterer und der Fiktion. Auch wenn das Personal und die Situationen in den Texten häufig bloß aus Zitaten zusammengesetzt sind, ergeben sie für Siemons aufregende Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH
'Das wunderbare Sittenbild eines Koreas zwischen Kolonisation und Moderne, Individuum und Masse. Schlicht Weltliteratur von allerhöchstem Rang.' (Christoph Hartner, Kronenzeitung) 'Fantastisch. Yisang gilt als einer der interessantesten koreanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Der nun veröffentlichte Erzählband des Dandys zeigt Koreas rasanten Übergang in die Moderne.' (Katharina Borchardt, Deutschlandradio) 'Der bedeutendste und radikalste Dichter der koreanischen Moderne' (Mathias Schnitzler, Berliner Zeitung) 'Ein Avantgardist an der Schwelle zur Moderne, ein experimenteller Lyriker, dessen Einfluss auf Koreas junge Schriftsteller nicht zu unterschätzen ist.' (Cornelia Zetzsche, BR2, Das offene Buch)