Ein kurzes Gefühl von Glück
„Meine Mutter hat mich immer gut versorgt (oder dafür gesorgt, dass mich jemand anderes versorgt). Nahe gefühlt habe ich mich ihr nie.“ (S. 53)
Ihre Mutter Christine und Julia waren sich nie besonders nah, weil diese sich nicht gegen Julias despotischen Vater
aufgelehnt hat. Seit seinem Tod vor einem Jahr hat sich das Verhältnis der beiden Frauen kaum geändert. Aber…mehrEin kurzes Gefühl von Glück
„Meine Mutter hat mich immer gut versorgt (oder dafür gesorgt, dass mich jemand anderes versorgt). Nahe gefühlt habe ich mich ihr nie.“ (S. 53)
Ihre Mutter Christine und Julia waren sich nie besonders nah, weil diese sich nicht gegen Julias despotischen Vater aufgelehnt hat. Seit seinem Tod vor einem Jahr hat sich das Verhältnis der beiden Frauen kaum geändert. Aber als der Anruft kommt, dass Christine mit Herzproblemen im Krankenhaus liegt, fährt Julia sofort zu ihr.
Weil die Ärzte nach Christines Medikamenten und ihrer Patientenverfügung fragen, durchsucht Julia deren Unterlagen und findet eine Mappe mit allen Gutscheinen, die sie ihr seit ihrer Kindheit geschenkt hat. Dabei fällt ihr auf, dass Christine vor allem die eingelöst hat, wo Julia etwas allein erledigen musste (Gartenarbeit etc.), aber kaum einen, der eine gemeinsame Interaktion erforderte. Sie stellt sich die Frage, ob ihre Mutter sie überhaupt liebt. „So viele verpasste Gelegenheiten, Erlebnisse oder Momente, die unsere Beziehung hätten stärken können.“ (S. 54)
Außerdem erfährt sie, dass es in Christines Vergangenheit ein Geheimnis gibt, von dem diese gerade erst erfahren hat – hat das ihre Mutter so aus dem Takt gebracht? Um das zu ergründen, fahren sie zusammen nach Amrum, denn Christine kann sich plötzlich an friesische Kinderlieder und Sagen erinnern.
„Bevor du gehst“ ist eine sehr berührende Mutter-Tochter-Geschichte über zwei Frauen, die sich erst im Erwachsenenalter annähern. Julia hat nie verstanden, dass ihre Mutter bei ihrem Vater geblieben ist, der geizig war und sie schlecht behandelt hat. Auch von ihr hat sie sich nie wirklich geliebt gefühlt, obwohl Christine ihr alles Wichtige beigebracht hat. Trotzdem ist das Gefühl des Nach-Hause-Kommens groß, als sie in die Stadt und das Haus ihrer Kindheit kommt.
Julia ist da viel rigoroser, hat sich früh vom Vater ihrer Tochter getrennt und überlegt gerade, ihren Mann zu verlassen, weil sie ihm seinen Seitensprung von vor einem Jahr nicht verzeihen kann. Zudem hat sie ein extrem herzliches Verhältnis zu ihrer Tochter, sie sind beste Freundinnen – so, wie sie es sich immer von ihrer Mutter gewünscht hat.
Erst durch das Einlösen der Gutscheine und vor allem die gemeinsame Reise nach Amrum versteht Julia sie besser. Christine macht ihr bewusst, dass nur das Hier und Jetzt zählt und man im Moment leben muss, denn sie hatte auch schöne Zeiten mit ihrem Mann, und dass schon Zufriedenheit ein kleines Glück bedeuten kann.
Ein sehr poetischer Roman voller großer und kleiner Geheimnisse.