David Byrne, Sänger der Talking Heads, Klangerfinder und Geschichtenerzähler, Opernschreiber und Bildhauer, ist vor allem eines: Fahrradfahrer. Mit provokativer Gelassenheit hat er immer sein Faltbike dabei, vor allem in seinen Lieblingsstädten: New York, London, Berlin, Buenos Aires zwischen Bars und Galerien, Musikern und Malern. Immer auf der Suche nach dem Hype, immer auf der Flucht: der quecksilbrigste und intelligenteste Agent des Pop entwickelt vom Fahrrad aus seine Sicht auf die Dinge des Lebens mit seiner eigenen Mischung aus Witz, Neugier und Menschlichkeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2012NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche Schreibt ein Pop-Veteran der 80er ein Buch darüber, wie es sich so anfühlt, durch die Metropolen dieser Welt zu radeln, denkt man ja gleich: Da ist bestimmt ein Weltverbesserer am Werk, ein Jute-statt-Plastik-Kämpfer der ersten Stunde. Oder: Der schreibt sicher vor allem über sich selbst. Stimmt beides auch ein bisschen. David Byrnes "Bicycle Diaries" ist kein Fahrtenbuch und schon gar kein Reiseführer für Radler, sondern tatsächlich eine Art Tagebuch. Seit Ende der 90er Jahre nimmt der frühere Frontmann der Talking Heads, der heute Musiker, Filmemacher und bildender Künstler ist, sein Zweirad mit, wohin er auch reist. Und macht sich vom Sattel aus Gedanken über Städtebau im allgemeinen, die Versehrung von Siedlungen durch Schnellstraßen im Besonderen und die Irrwege moderner Architektur. Wenn er ins Lamento abrutscht, glaubt man fast Prince Charles zu hören, dem zeitgenössische Architektur ja auch ein Dorn im Auge ist. Weil Byrne das aber offen zugibt, folgt man ihm gerne zu den Orten des industriellen Niedergangs in Detroit, durch Sydneys Park mit den Riesenfledermäusen oder strampelt als Exot auf zwei Rädern die endlosen Straßen Rios entlang - meistens ist man auf dem Weg zu seinen Künstlerfreunden, "meine Freundin C." soll Cindy Sherman sein. Dort angekommen steigt der Autor rasch ab und räsoniert, wozu Musik gut ist oder warum Menschen Dinge tun, die ihnen schaden. Zum Beispiel Auto- statt Radfahren. Vielleicht sind Byrnes Fahrraderfahrungen derart persönlich, dass sie schon fiktiv sind. Wir haben da so einen Verdacht: Berlin, schreibt er, sei ein Traum für alle Radfahrer, so zivilisiert: "Auf den Fahrradwegen parken keine Autos, und die Radfahrer fahren weder auf der Straße noch auf den Gehsteigen. . . . Warum kann es nicht auch in New York so sein?" Und warum nicht in Berlin?
eer.
David Byrne: "Bicycle Diaries. Ein Fahrrad, neun Metropolen". S. Fischer 2011, 363 Seiten, 19,95 Euro
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Für die Tasche Schreibt ein Pop-Veteran der 80er ein Buch darüber, wie es sich so anfühlt, durch die Metropolen dieser Welt zu radeln, denkt man ja gleich: Da ist bestimmt ein Weltverbesserer am Werk, ein Jute-statt-Plastik-Kämpfer der ersten Stunde. Oder: Der schreibt sicher vor allem über sich selbst. Stimmt beides auch ein bisschen. David Byrnes "Bicycle Diaries" ist kein Fahrtenbuch und schon gar kein Reiseführer für Radler, sondern tatsächlich eine Art Tagebuch. Seit Ende der 90er Jahre nimmt der frühere Frontmann der Talking Heads, der heute Musiker, Filmemacher und bildender Künstler ist, sein Zweirad mit, wohin er auch reist. Und macht sich vom Sattel aus Gedanken über Städtebau im allgemeinen, die Versehrung von Siedlungen durch Schnellstraßen im Besonderen und die Irrwege moderner Architektur. Wenn er ins Lamento abrutscht, glaubt man fast Prince Charles zu hören, dem zeitgenössische Architektur ja auch ein Dorn im Auge ist. Weil Byrne das aber offen zugibt, folgt man ihm gerne zu den Orten des industriellen Niedergangs in Detroit, durch Sydneys Park mit den Riesenfledermäusen oder strampelt als Exot auf zwei Rädern die endlosen Straßen Rios entlang - meistens ist man auf dem Weg zu seinen Künstlerfreunden, "meine Freundin C." soll Cindy Sherman sein. Dort angekommen steigt der Autor rasch ab und räsoniert, wozu Musik gut ist oder warum Menschen Dinge tun, die ihnen schaden. Zum Beispiel Auto- statt Radfahren. Vielleicht sind Byrnes Fahrraderfahrungen derart persönlich, dass sie schon fiktiv sind. Wir haben da so einen Verdacht: Berlin, schreibt er, sei ein Traum für alle Radfahrer, so zivilisiert: "Auf den Fahrradwegen parken keine Autos, und die Radfahrer fahren weder auf der Straße noch auf den Gehsteigen. . . . Warum kann es nicht auch in New York so sein?" Und warum nicht in Berlin?
eer.
David Byrne: "Bicycle Diaries. Ein Fahrrad, neun Metropolen". S. Fischer 2011, 363 Seiten, 19,95 Euro
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