"Ein wunderbares Buch über den besten Freund des Menschen unter den Insekten..." Edward O. Wilson
Die Bienenkönigin ist keine absolute Herrscherin. Im Gegenteil: Bienen entscheiden alle gemeinsam als Schwarm, sie erforschen kollektiv einen Sachverhalt und debattieren lebhaft, um letztlich einen Konsens zu finden.
Der bekannte Verhaltensforscher Thomas D. Seeley untersucht seit Jahrzehnten in akribischer Kleinarbeit das Leben der Bienen. In seinem spannend geschriebenen Buch zeigt er anschaulich, was wir von diesen wunderbaren Insekten lernen können und dass die Entscheidung mehrerer klüger als die Einzelner sein kann. Ein reich bebildertes, ebenso faszinierendes wie anregendes Buch.
"Seeleys Enthusiasmus und Bewunderung für Bienen sind ansteckend, seine Forschungen meisterhaft."
New York Times
"Brillant." Nature
"Fesselnd und bezaubernd." Science
"Das hinreißendste Wissenschaftsbuch des Jahres." Financial Times
Die Bienenkönigin ist keine absolute Herrscherin. Im Gegenteil: Bienen entscheiden alle gemeinsam als Schwarm, sie erforschen kollektiv einen Sachverhalt und debattieren lebhaft, um letztlich einen Konsens zu finden.
Der bekannte Verhaltensforscher Thomas D. Seeley untersucht seit Jahrzehnten in akribischer Kleinarbeit das Leben der Bienen. In seinem spannend geschriebenen Buch zeigt er anschaulich, was wir von diesen wunderbaren Insekten lernen können und dass die Entscheidung mehrerer klüger als die Einzelner sein kann. Ein reich bebildertes, ebenso faszinierendes wie anregendes Buch.
"Seeleys Enthusiasmus und Bewunderung für Bienen sind ansteckend, seine Forschungen meisterhaft."
New York Times
"Brillant." Nature
"Fesselnd und bezaubernd." Science
"Das hinreißendste Wissenschaftsbuch des Jahres." Financial Times
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Thomas Seeleys Buch über die Sprache der Bienen scheint Arno Widmann sehr instruktiv. Der Autor schildert für ihn eingehend die Fortschritte der Bienenforschung seit der Entschlüsselung des Schwänzeltanzes der Honigbiene durch Karl von Frisch in den 1940er Jahren. Besonders interessant findet Widmann, wie der Bienenschwarm kollektiv Entscheidungen trifft. Lobend hebt er hervor, dass Seeley nicht nur Ergebnisse präsentiert, sondern dem Leser auch über die Methoden der Bienenforschung wie zum Beispiel die Analyse von Bewegungsabläufen mit Hilfe von Zeitlupenkameras erläutert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2014Es muss getanzt werden, denn davon hängt das Leben ab
Wunderbar ist das Verhalten des Bienenschwarms: Thomas Seeley zeigt, was man alles über ihn herausgefunden hat - und möchte daraus auch noch eine Nutzanwendung für uns Menschen ziehen.
Bienen sind faszinierende Tierchen, wie andere soziale Insekten auch. Am Bienen- wie am Ameisennest faszinieren die Mechanismen, die Abertausende von Individuen zu einem "Superorganismus" zusammenbinden, der erstaunliche Leistungen zu seiner Erhaltung erbringt. Was auf anderen evolutionären Entwicklungspfaden erst mit aufwendigen kulturellen Innovationen möglich wurde, scheint hier mit viel einfacheren, aber unheimlich feingeschliffeneren Mitteln erreicht: die effiziente Organisation stattlich großer Gesellschaften.
Entomologen mit weltanschaulicher Mission bearbeiten diese Parallele gern. Oder verarbeiten sie sogar, wie Edward O. Wilson, zu pädagogischen Romanen, in denen Lehren aus den eindrücklichen evolutionären Erfolgen der Superorganismen für menschliche Gemeinschaften gezogen werden. Ins literarische Fach wechselt Thomas D. Seeley, der bei den Ameisenforschern Wilson und Bert Hölldobler in Harvard studierte, zwar nicht. Aber auch im Buch des Neuro- und Verhaltensbiologen an der Cornell University sollen wir etwas von den Honigbienen lernen.
Thomas Seeley hat sie über Jahrzehnte erforscht, im Feld wie im Labor. Von ihm ist also aus erster Hand zu erfahren, was man über die Mechanismen im Bienenstock und -schwarm herausgefunden hat. Wobei es bei ihm vor allem um die eine, überaus wichtige Entscheidung geht, wo sich der gerade erst neu gebildete Tochterschwarm eines Bienenvolks sein neues Nest einrichtet. Die Überlebenschancen des neuen Schwarms hängen von dieser Wahl empfindlich ab.
Die Grundform der "Tänze", mit denen Bienen ihre Genossinnen auf gefundene Futterplätze oder eben auch neue Nistplätze aufmerksam machen, ist zwar schon länger bekannt: Intensität und Länge der Darbietungen dieser Kundschafterinnen bewerten die Qualität der potentiellen neuen Behausung, die geometrische Ausrichtung der Tanzfigur informiert über Distanz und Richtung zum entdeckten Ort. Aber auf die Details der Übersetzung dieser Parameter in das Verhalten des Schwarms kommt es eben an, will man das evolutionäre Wunderwerk wirklich durchschauen.
Bei Seeley kann man diese Details nachlesen, verknüpft auch mit Rückblicken auf die Erforschung der Verhaltensformen der Honigbienen seit den Tagen Karl von Frischs, dem Entdecker der informationshaltigen "Tänze", und seinem Schüler Martin Lindauer. Zuerst also das Ausschwärmen der Kundschafterinnen in alle Richtungen, die da und dort Kandidaten für neue Nistplätze inspizieren. Wie sie das eigentlich machen und an welche Eigenschaften sie sich dabei halten, ist schon für sich genommen bemerkenswert - und die Experimente, mit denen ihnen die Forscher auf die Schliche kommen, sind es auch.
Dann die Rückkehr der Kundschafterinnen zur Schwarmtraube, die in vertretbarer Zeit - der Honigproviant schmilzt unterdessen ja dahin - zu einem gut gewählten Ziel aufbrechen sollte. Es beginnen die Tänze der Kundschafterinnen, die ihre Kolleginnen ermuntern, denselben Ort anzusteuern - umso mehr von ihnen, je intensiver sie tanzen. Kundschafterinnen, die dann ihrerseits wieder bei ihrer Rückkehr tanzen. Aber was auf den ersten Blick nach einer ganz einfachen Kaskade aussieht, bei der für den besten Ort - denn die Tanzsignale sind verlässliche Indikatoren - eben immer mehr Kundschafterinnen tanzend eintreten, das ist ein noch um einiges raffinierterer Mechanismus.
Er sorgt nämlich auch dafür, dass die weniger guten Kandidaten, also weniger überzeugenden Tänzerinnen, nicht bloß in der Minderzahl bleiben, sondern verlässlich aufhören. Und das nicht etwa allein dadurch, dass diese Tänzerinnen schließlich durch Besichtigung der anderen Darbietungen auf die "richtige" Seite gezogen werden, sondern durch das gleichmäßige Abklingen der Tanzdarbietungen aller Kundschafterinnen - was dann trotz weitgehend zufällig bleibender Begegnungen im Schwarm das "Rauschen" der minderen Kandidaten beseitigt, weil diese als Erste bei Aktivität null anlangen.
Schließlich wird der Aufbruch des Schwarms zum neuen Heim aber gar nicht dadurch direkt ausgelöst, dass sich der beste Kandidat im Modus seiner tänzerischen Präsentation durchgesetzt hat. Der Moment des Abflugs hängt vielmehr unmittelbar davon ab, dass die Massierung von Kundschafterinnen am Zielort einen kritischen Wert überschreitet: Was auf den ersten Blick daran verwunderlich scheint, entpuppt sich dann bei näherer Betrachtung als exzellente Methode, die Qualität der Wahl zwischen den getanzten Orten und dem dafür benötigten Zeitaufwand gegeneinander zu verrechnen. Und mit Raffinessen geht es weiter beim Flug des Schwarms, der sein Ziel erreicht, obwohl nur etwa drei bis vier Prozent seiner Mitglieder dieses Ziel überhaupt kennen.
Es mag nicht verwunderlich sein, dass die Mechanismen der Verhaltenssteuerung für diese absolut kritische Phase im Leben eines Bienenvolks effizient sind - immerhin standen dreißig Millionen Jahre für ihren Schliff zur Verfügung. Aber wie seine Rückkoppelungen eingerichtet und justiert sind, wie das Signalsystem dabei offenbar ältere Adaptationen in Gebrauch nimmt, das verliert dadurch nichts von seiner Faszination.
Bloß begnügt sich Seeley damit nicht, sondern möchte auch noch Lehren daraus ziehen für unsere eigenen Entscheidungsprozesse in Gruppen. Was ganz locker damit angebahnt wird, dass die dezentral organisierte Informationsverarbeitung bei den Bienen "demokratisch" getauft wird und im Schwarm "Diskussionen" ablaufen, die einen "Konsens" herstellen. Aber wir selbst verarbeiten sozial nun einmal nicht einfach Information, sondern immer auch Sinn: weshalb unsere Diskussionen, Überredungen und Überzeugungstaktiken samt Vortäuschungen, rhetorisch verhüllten Interessen und taktischen Maßnahmen von ganz anderer Art sind. Weder sind die Signale in ihnen verlässlich, noch regiert in ihnen absolut ein objektives gemeinsames Interesse, das auf ein unabhängig davon objektiv bewertbares Ziel gerichtet ist.
Diesen Tatsachen kann sich immerhin auch Seeley nicht verschließen, weshalb letztlich ein paar Maximen für überschaubare Entscheidungsrunden bei ihm herausspringen, die er mitnichten von den Bienen beziehen müsste. Diese vermeintliche Nutzanwendung seiner Bienenforschung muss man beiseitesetzen. Was sich aber ganz gut machen lässt, da er sie im Wesentlichen einem Schlusskapitel vorbehält.
Im selben Verlag wie diese Übersetzung der "Honeybee Democracy" erschien übrigens vor kurzem ein exzellentes Buch, das am Beispiel der Ameisen genau jene Übertragungsspiele zwischen menschlichen und Insektengesellschaften seziert, an die Seeley in schlichter Weise anknüpft (F.A.Z. vom 22. Juli 2013). Womit fast der Eindruck entsteht, man habe da noch einen Anwendungsfall nachliefern wollen. Einfacher ist wohl die Erklärung, dass populärwissenschaftliche Darstellungen gern mit Mehrwert locken. Die Honigbienen haben das aber gar nicht nötig.
HELMUT MAYER
Thomas D. Seeley: "Bienendemokratie". Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können.
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 318 S., Abb., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wunderbar ist das Verhalten des Bienenschwarms: Thomas Seeley zeigt, was man alles über ihn herausgefunden hat - und möchte daraus auch noch eine Nutzanwendung für uns Menschen ziehen.
Bienen sind faszinierende Tierchen, wie andere soziale Insekten auch. Am Bienen- wie am Ameisennest faszinieren die Mechanismen, die Abertausende von Individuen zu einem "Superorganismus" zusammenbinden, der erstaunliche Leistungen zu seiner Erhaltung erbringt. Was auf anderen evolutionären Entwicklungspfaden erst mit aufwendigen kulturellen Innovationen möglich wurde, scheint hier mit viel einfacheren, aber unheimlich feingeschliffeneren Mitteln erreicht: die effiziente Organisation stattlich großer Gesellschaften.
Entomologen mit weltanschaulicher Mission bearbeiten diese Parallele gern. Oder verarbeiten sie sogar, wie Edward O. Wilson, zu pädagogischen Romanen, in denen Lehren aus den eindrücklichen evolutionären Erfolgen der Superorganismen für menschliche Gemeinschaften gezogen werden. Ins literarische Fach wechselt Thomas D. Seeley, der bei den Ameisenforschern Wilson und Bert Hölldobler in Harvard studierte, zwar nicht. Aber auch im Buch des Neuro- und Verhaltensbiologen an der Cornell University sollen wir etwas von den Honigbienen lernen.
Thomas Seeley hat sie über Jahrzehnte erforscht, im Feld wie im Labor. Von ihm ist also aus erster Hand zu erfahren, was man über die Mechanismen im Bienenstock und -schwarm herausgefunden hat. Wobei es bei ihm vor allem um die eine, überaus wichtige Entscheidung geht, wo sich der gerade erst neu gebildete Tochterschwarm eines Bienenvolks sein neues Nest einrichtet. Die Überlebenschancen des neuen Schwarms hängen von dieser Wahl empfindlich ab.
Die Grundform der "Tänze", mit denen Bienen ihre Genossinnen auf gefundene Futterplätze oder eben auch neue Nistplätze aufmerksam machen, ist zwar schon länger bekannt: Intensität und Länge der Darbietungen dieser Kundschafterinnen bewerten die Qualität der potentiellen neuen Behausung, die geometrische Ausrichtung der Tanzfigur informiert über Distanz und Richtung zum entdeckten Ort. Aber auf die Details der Übersetzung dieser Parameter in das Verhalten des Schwarms kommt es eben an, will man das evolutionäre Wunderwerk wirklich durchschauen.
Bei Seeley kann man diese Details nachlesen, verknüpft auch mit Rückblicken auf die Erforschung der Verhaltensformen der Honigbienen seit den Tagen Karl von Frischs, dem Entdecker der informationshaltigen "Tänze", und seinem Schüler Martin Lindauer. Zuerst also das Ausschwärmen der Kundschafterinnen in alle Richtungen, die da und dort Kandidaten für neue Nistplätze inspizieren. Wie sie das eigentlich machen und an welche Eigenschaften sie sich dabei halten, ist schon für sich genommen bemerkenswert - und die Experimente, mit denen ihnen die Forscher auf die Schliche kommen, sind es auch.
Dann die Rückkehr der Kundschafterinnen zur Schwarmtraube, die in vertretbarer Zeit - der Honigproviant schmilzt unterdessen ja dahin - zu einem gut gewählten Ziel aufbrechen sollte. Es beginnen die Tänze der Kundschafterinnen, die ihre Kolleginnen ermuntern, denselben Ort anzusteuern - umso mehr von ihnen, je intensiver sie tanzen. Kundschafterinnen, die dann ihrerseits wieder bei ihrer Rückkehr tanzen. Aber was auf den ersten Blick nach einer ganz einfachen Kaskade aussieht, bei der für den besten Ort - denn die Tanzsignale sind verlässliche Indikatoren - eben immer mehr Kundschafterinnen tanzend eintreten, das ist ein noch um einiges raffinierterer Mechanismus.
Er sorgt nämlich auch dafür, dass die weniger guten Kandidaten, also weniger überzeugenden Tänzerinnen, nicht bloß in der Minderzahl bleiben, sondern verlässlich aufhören. Und das nicht etwa allein dadurch, dass diese Tänzerinnen schließlich durch Besichtigung der anderen Darbietungen auf die "richtige" Seite gezogen werden, sondern durch das gleichmäßige Abklingen der Tanzdarbietungen aller Kundschafterinnen - was dann trotz weitgehend zufällig bleibender Begegnungen im Schwarm das "Rauschen" der minderen Kandidaten beseitigt, weil diese als Erste bei Aktivität null anlangen.
Schließlich wird der Aufbruch des Schwarms zum neuen Heim aber gar nicht dadurch direkt ausgelöst, dass sich der beste Kandidat im Modus seiner tänzerischen Präsentation durchgesetzt hat. Der Moment des Abflugs hängt vielmehr unmittelbar davon ab, dass die Massierung von Kundschafterinnen am Zielort einen kritischen Wert überschreitet: Was auf den ersten Blick daran verwunderlich scheint, entpuppt sich dann bei näherer Betrachtung als exzellente Methode, die Qualität der Wahl zwischen den getanzten Orten und dem dafür benötigten Zeitaufwand gegeneinander zu verrechnen. Und mit Raffinessen geht es weiter beim Flug des Schwarms, der sein Ziel erreicht, obwohl nur etwa drei bis vier Prozent seiner Mitglieder dieses Ziel überhaupt kennen.
Es mag nicht verwunderlich sein, dass die Mechanismen der Verhaltenssteuerung für diese absolut kritische Phase im Leben eines Bienenvolks effizient sind - immerhin standen dreißig Millionen Jahre für ihren Schliff zur Verfügung. Aber wie seine Rückkoppelungen eingerichtet und justiert sind, wie das Signalsystem dabei offenbar ältere Adaptationen in Gebrauch nimmt, das verliert dadurch nichts von seiner Faszination.
Bloß begnügt sich Seeley damit nicht, sondern möchte auch noch Lehren daraus ziehen für unsere eigenen Entscheidungsprozesse in Gruppen. Was ganz locker damit angebahnt wird, dass die dezentral organisierte Informationsverarbeitung bei den Bienen "demokratisch" getauft wird und im Schwarm "Diskussionen" ablaufen, die einen "Konsens" herstellen. Aber wir selbst verarbeiten sozial nun einmal nicht einfach Information, sondern immer auch Sinn: weshalb unsere Diskussionen, Überredungen und Überzeugungstaktiken samt Vortäuschungen, rhetorisch verhüllten Interessen und taktischen Maßnahmen von ganz anderer Art sind. Weder sind die Signale in ihnen verlässlich, noch regiert in ihnen absolut ein objektives gemeinsames Interesse, das auf ein unabhängig davon objektiv bewertbares Ziel gerichtet ist.
Diesen Tatsachen kann sich immerhin auch Seeley nicht verschließen, weshalb letztlich ein paar Maximen für überschaubare Entscheidungsrunden bei ihm herausspringen, die er mitnichten von den Bienen beziehen müsste. Diese vermeintliche Nutzanwendung seiner Bienenforschung muss man beiseitesetzen. Was sich aber ganz gut machen lässt, da er sie im Wesentlichen einem Schlusskapitel vorbehält.
Im selben Verlag wie diese Übersetzung der "Honeybee Democracy" erschien übrigens vor kurzem ein exzellentes Buch, das am Beispiel der Ameisen genau jene Übertragungsspiele zwischen menschlichen und Insektengesellschaften seziert, an die Seeley in schlichter Weise anknüpft (F.A.Z. vom 22. Juli 2013). Womit fast der Eindruck entsteht, man habe da noch einen Anwendungsfall nachliefern wollen. Einfacher ist wohl die Erklärung, dass populärwissenschaftliche Darstellungen gern mit Mehrwert locken. Die Honigbienen haben das aber gar nicht nötig.
HELMUT MAYER
Thomas D. Seeley: "Bienendemokratie". Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können.
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 318 S., Abb., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2014Die Pfadfinderinnen
Der Bienenstock, ein großartiger Fall von schwärmerischer Intelligenz. Aber ist er denn eine Demokratie? Thomas D. Seeley behauptet es jedenfalls
Der Bienenstock hat die Menschen von jeher fasziniert. Allein in der Gemeinschaft der Honigbiene bot sich ihnen eine Sozietät dar, die es mit der Komplexheit ihrer eigenen aufnehmen konnte, ja sie noch übertraf: Denn alle sozialen Tugenden, die für die Menschen Wunschträume blieben, nie in vollem Umfang zu realisieren – bei den Bienen besaßen sie Gültigkeit als ehernes Gesetz. Höchstens die Ameise kam noch in Betracht – aber die wirtschaftete für sich selbst, und daher rühmte man ihr nur die Emsigkeit nach. Die Biene aber lieferte der bedürftigen Menschheit zwei Dinge, an denen sie über die längsten Strecken ihrer Geschichte Mangel hatte, Süße und Licht, in Gestalt von Wachs und Honig.
Jede menschliche Gesellschaft erblickte im Bienenstock das, was sie selbst am liebsten gewesen wäre. Der lateinische Dichter Vergil, der das vierte Buch seiner „Georgica“ der Bienenzucht widmet, sieht den Bienenstock als Heerlager: „Und um den König geschart und das ragende Zelt des Gebieters, / Wühlen sie all’ und rufen den Feind laut drohend zur Feldschlacht.“ Monarchisch und militant, so will es der Blick des kaiserzeitlichen Römers. Martin Lindauer hingegen gelangt zur Biene, als er schwer verletzt von der Ostfront zurückkehrt, das Studium der Biologie aufnimmt und sich von einem Wesen in Bann schlagen lässt, das sein Leben dem friedlichen Aufbau widmet – eine „neue Welt der Menschlichkeit“; im Frühjahr 1945 beginnt er seine Promotion über die Honigbiene.
So berichtet es dessen dankbarer Schüler Thomas D. Seeley in seinem Buch „Bienendemokratie“. Der Titel lässt erkennen, dass, wer über Bienen spricht, dies immer noch mit dem Anspruch tut, auch den Menschen Wesentliches über sich selbst mitzuteilen. Seeley ist in Neuengland daheim und steht in der Tradition der dortigen Gemeindeversammlungen, wo jeder zu Wort kommen soll, Entscheidungen stets per Konsens fallen. Seine Bienen sind Quäker.
Es ist ein eminent lesbares Buch geworden, das einen erheblichen Teil von dem, was es zu sagen hat, in die Form des lebhaft erzählenden Erfahrungsberichts zu kleiden versteht. Mit einiger Wehmut liest man, welche Mühe sich Seeley einst gab, um Deutsch zu lernen, denn alle nennenswerte Bienenliteratur war selbstverständlich auf Deutsch verfasst: noch ein Fach, wenngleich ein kleines, in dem die linguistische Hoheit während der letzten Jahrzehnte aufs Englische übergegangen ist.
Der andere Teil dieses Buchs ist mathematisch codiert, in einer einfachen Mathematik – hier spielen Diagramme und Statistiken die Schlüsselrolle. Schon länger wusste man, dass Bienen einander über die besten Futterquellen informieren, indem sie im Stock einen Schwänzeltanz aufführen, der den sie betastenden Kolleginnen Richtung und Entfernung verrät. Dieser Tanz der Kundschafterinnen findet nun – und hierüber hat Seeley vor allem geforscht – Anwendung auch, wenn der Schwarm das alten Nest verlässt und die lebenswichtige Entscheidung über ein neues Quartier zu treffen hat. Wie machen die Bienen das?
Sobald sie zu schwärmen begonnen haben und als große bartförmige Traube an einem Ast hängen, starten Hunderte Kundschafterinnen nach allen Seiten und bringen Informationen über Dutzende Stellen, die infrage kämen. Zurück beim Schwarm, fangen sie an zu schwänzeln, aber mit unterschiedlichem Grad der Intensität, je nach Eignung des gefundenen Orts. Wie diese Pfadfinderinnen die verschiedenen Parameter, das Volumen, den Windschutz, die Größe des Fluglochs, die Sicherheit vor Honigräubern, nach einer nur etwa zehnminütigen Inspektion abgleichen und sozusagen eine Gesamtnote vergeben, das gehört weiterhin zu den vielen Rätseln der Bienenwissenschaft. Je nach Inbrunst ihrer Darbietung starten daraufhin auch andere, um sich selbst ein Bild zu machen. Finden sie ihre Vorgängerin bestätigt, machen sie ihrerseits Reklame für die neue Option. In einem Prozess, der sehr verwickelt sein und sich über Tage erstrecken kann, verringert sich so die Zahl der Alternativen immer weiter, bis endlich der Augenblick kommt, wo der Schwarm sich wie ein einziges Tier in die Luft erhebt und die neue Wohnung bezieht. Das alles stellt Seeley in großer Ausführlichkeit dar.
Der Vorgang interessiert nicht nur aus insektenkundlichen Gründen. Es handelt sich um den bestimmt interessantesten Fall dessen, was unter dem Namen der „Schwarmintelligenz“ große diskursive Beliebtheit erlangt hat. Seeley zieht zwei weitreichende Analogien. Zum einen fällt die Ähnlichkeit mit dem Nervensystem der höheren Tiere ins Auge, dessen dezentrale Funktionsweise man auch erst seit Kurzem begreift. Die Kundschafterbienen verhalten sich wie einzelne Neuronen, die auf disparate Impulse reagieren und durch ein Netzwerk wechselseitiger Hemmung und Verstärkung allmählich daraus die relevanten Informationen destillieren, um dem Organismus als Ganzem eine einhellige Handlung zu ermöglichen. Hier tritt der Bienenstock als Supra-Organismus in den Blick.
Die andere Analogie zielt in die Gegenrichtung: Die Bienen sind ja doch auch wieder räumlich getrennte Wesen, diese „einigen“ sich irgendwie. Hier erscheint der Bienenstock als Gesellschaft. Seeley spricht, ohne das weiter zu problematisieren, von Diskussion, Meinung, Respekt, Macht – und, immer wieder, von Demokratie. Demokratie aber setzt Individuen im emphatischen Sinn voraus, deren Wille und Interesse, so sehr sie einander brauchen, doch immer gegeneinander gerichtet bleiben. Das ist in einem Bienenstock, wo Funktionen wie Verdauung, Atmung, Regelung der Temperatur kollektive Aufgaben darstellen, von Grund auf anders. Der Stock insgesamt ist jenes Selbst, das sich um jeden Preis zu erhalten strebt. Hier gibt es so wenig ausgleichsbedürftigen Egoismus wie im Verhältnis unserer Körperzellen zueinander, für die wie für Bienen gilt, dass sie isoliert nicht einen Tag überleben könnten.
Die behauptete Analogie ist also keine. Das erweist sich, sobald Seeley spezifiziert, was er vom Bienenstock zu lernen gedenkt: „Bemühe dich um mehrere Lösungsmöglichkeiten für das Problem“, oder: „Bereichere die Kenntnisse der Gruppe durch Diskussionen.“ Das sind Ratschläge, die im Unbestimmten verbleiben müssen; um ihre grundsätzliche Berechtigung einzusehen, braucht man außerdem nicht Bienenforschung zu betreiben. Wenn man aus Seeleys (im Übrigen höchst empfehlenswerten) Buch etwas über die Bienen hinaus lernen kann, dann bestimmt am ehesten dies: Wo der Mensch sich bereit erklärt, aus der Geschichte oder von der Natur zu lernen, da lernt er am liebsten das, was er schon zu wissen glaubt.
BURKHARD MÜLLER
Thomas D. Seeley : Bienendemokratie. Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können. Deutsch von Sebastian Vogel. S. Fischer, Frankfurt/M.,318 S.,22,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Kommuniziert wird bei
den Bienen über einen
komplexen Schwänzeltanz
Seeley spricht, ohne das weiter
zu problematisieren, von
Diskussion, Respekt, Macht
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der Bienenstock, ein großartiger Fall von schwärmerischer Intelligenz. Aber ist er denn eine Demokratie? Thomas D. Seeley behauptet es jedenfalls
Der Bienenstock hat die Menschen von jeher fasziniert. Allein in der Gemeinschaft der Honigbiene bot sich ihnen eine Sozietät dar, die es mit der Komplexheit ihrer eigenen aufnehmen konnte, ja sie noch übertraf: Denn alle sozialen Tugenden, die für die Menschen Wunschträume blieben, nie in vollem Umfang zu realisieren – bei den Bienen besaßen sie Gültigkeit als ehernes Gesetz. Höchstens die Ameise kam noch in Betracht – aber die wirtschaftete für sich selbst, und daher rühmte man ihr nur die Emsigkeit nach. Die Biene aber lieferte der bedürftigen Menschheit zwei Dinge, an denen sie über die längsten Strecken ihrer Geschichte Mangel hatte, Süße und Licht, in Gestalt von Wachs und Honig.
Jede menschliche Gesellschaft erblickte im Bienenstock das, was sie selbst am liebsten gewesen wäre. Der lateinische Dichter Vergil, der das vierte Buch seiner „Georgica“ der Bienenzucht widmet, sieht den Bienenstock als Heerlager: „Und um den König geschart und das ragende Zelt des Gebieters, / Wühlen sie all’ und rufen den Feind laut drohend zur Feldschlacht.“ Monarchisch und militant, so will es der Blick des kaiserzeitlichen Römers. Martin Lindauer hingegen gelangt zur Biene, als er schwer verletzt von der Ostfront zurückkehrt, das Studium der Biologie aufnimmt und sich von einem Wesen in Bann schlagen lässt, das sein Leben dem friedlichen Aufbau widmet – eine „neue Welt der Menschlichkeit“; im Frühjahr 1945 beginnt er seine Promotion über die Honigbiene.
So berichtet es dessen dankbarer Schüler Thomas D. Seeley in seinem Buch „Bienendemokratie“. Der Titel lässt erkennen, dass, wer über Bienen spricht, dies immer noch mit dem Anspruch tut, auch den Menschen Wesentliches über sich selbst mitzuteilen. Seeley ist in Neuengland daheim und steht in der Tradition der dortigen Gemeindeversammlungen, wo jeder zu Wort kommen soll, Entscheidungen stets per Konsens fallen. Seine Bienen sind Quäker.
Es ist ein eminent lesbares Buch geworden, das einen erheblichen Teil von dem, was es zu sagen hat, in die Form des lebhaft erzählenden Erfahrungsberichts zu kleiden versteht. Mit einiger Wehmut liest man, welche Mühe sich Seeley einst gab, um Deutsch zu lernen, denn alle nennenswerte Bienenliteratur war selbstverständlich auf Deutsch verfasst: noch ein Fach, wenngleich ein kleines, in dem die linguistische Hoheit während der letzten Jahrzehnte aufs Englische übergegangen ist.
Der andere Teil dieses Buchs ist mathematisch codiert, in einer einfachen Mathematik – hier spielen Diagramme und Statistiken die Schlüsselrolle. Schon länger wusste man, dass Bienen einander über die besten Futterquellen informieren, indem sie im Stock einen Schwänzeltanz aufführen, der den sie betastenden Kolleginnen Richtung und Entfernung verrät. Dieser Tanz der Kundschafterinnen findet nun – und hierüber hat Seeley vor allem geforscht – Anwendung auch, wenn der Schwarm das alten Nest verlässt und die lebenswichtige Entscheidung über ein neues Quartier zu treffen hat. Wie machen die Bienen das?
Sobald sie zu schwärmen begonnen haben und als große bartförmige Traube an einem Ast hängen, starten Hunderte Kundschafterinnen nach allen Seiten und bringen Informationen über Dutzende Stellen, die infrage kämen. Zurück beim Schwarm, fangen sie an zu schwänzeln, aber mit unterschiedlichem Grad der Intensität, je nach Eignung des gefundenen Orts. Wie diese Pfadfinderinnen die verschiedenen Parameter, das Volumen, den Windschutz, die Größe des Fluglochs, die Sicherheit vor Honigräubern, nach einer nur etwa zehnminütigen Inspektion abgleichen und sozusagen eine Gesamtnote vergeben, das gehört weiterhin zu den vielen Rätseln der Bienenwissenschaft. Je nach Inbrunst ihrer Darbietung starten daraufhin auch andere, um sich selbst ein Bild zu machen. Finden sie ihre Vorgängerin bestätigt, machen sie ihrerseits Reklame für die neue Option. In einem Prozess, der sehr verwickelt sein und sich über Tage erstrecken kann, verringert sich so die Zahl der Alternativen immer weiter, bis endlich der Augenblick kommt, wo der Schwarm sich wie ein einziges Tier in die Luft erhebt und die neue Wohnung bezieht. Das alles stellt Seeley in großer Ausführlichkeit dar.
Der Vorgang interessiert nicht nur aus insektenkundlichen Gründen. Es handelt sich um den bestimmt interessantesten Fall dessen, was unter dem Namen der „Schwarmintelligenz“ große diskursive Beliebtheit erlangt hat. Seeley zieht zwei weitreichende Analogien. Zum einen fällt die Ähnlichkeit mit dem Nervensystem der höheren Tiere ins Auge, dessen dezentrale Funktionsweise man auch erst seit Kurzem begreift. Die Kundschafterbienen verhalten sich wie einzelne Neuronen, die auf disparate Impulse reagieren und durch ein Netzwerk wechselseitiger Hemmung und Verstärkung allmählich daraus die relevanten Informationen destillieren, um dem Organismus als Ganzem eine einhellige Handlung zu ermöglichen. Hier tritt der Bienenstock als Supra-Organismus in den Blick.
Die andere Analogie zielt in die Gegenrichtung: Die Bienen sind ja doch auch wieder räumlich getrennte Wesen, diese „einigen“ sich irgendwie. Hier erscheint der Bienenstock als Gesellschaft. Seeley spricht, ohne das weiter zu problematisieren, von Diskussion, Meinung, Respekt, Macht – und, immer wieder, von Demokratie. Demokratie aber setzt Individuen im emphatischen Sinn voraus, deren Wille und Interesse, so sehr sie einander brauchen, doch immer gegeneinander gerichtet bleiben. Das ist in einem Bienenstock, wo Funktionen wie Verdauung, Atmung, Regelung der Temperatur kollektive Aufgaben darstellen, von Grund auf anders. Der Stock insgesamt ist jenes Selbst, das sich um jeden Preis zu erhalten strebt. Hier gibt es so wenig ausgleichsbedürftigen Egoismus wie im Verhältnis unserer Körperzellen zueinander, für die wie für Bienen gilt, dass sie isoliert nicht einen Tag überleben könnten.
Die behauptete Analogie ist also keine. Das erweist sich, sobald Seeley spezifiziert, was er vom Bienenstock zu lernen gedenkt: „Bemühe dich um mehrere Lösungsmöglichkeiten für das Problem“, oder: „Bereichere die Kenntnisse der Gruppe durch Diskussionen.“ Das sind Ratschläge, die im Unbestimmten verbleiben müssen; um ihre grundsätzliche Berechtigung einzusehen, braucht man außerdem nicht Bienenforschung zu betreiben. Wenn man aus Seeleys (im Übrigen höchst empfehlenswerten) Buch etwas über die Bienen hinaus lernen kann, dann bestimmt am ehesten dies: Wo der Mensch sich bereit erklärt, aus der Geschichte oder von der Natur zu lernen, da lernt er am liebsten das, was er schon zu wissen glaubt.
BURKHARD MÜLLER
Thomas D. Seeley : Bienendemokratie. Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können. Deutsch von Sebastian Vogel. S. Fischer, Frankfurt/M.,318 S.,22,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Kommuniziert wird bei
den Bienen über einen
komplexen Schwänzeltanz
Seeley spricht, ohne das weiter
zu problematisieren, von
Diskussion, Respekt, Macht
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eine leicht verständliche Einführung [...] Mit jeder gelesenen Seite erschließt sich mehr, warum ein Forscher sein ganzes Leben einer einzigen Insektenart gewidmet hat. Jan Schapira Die Welt (Literarische Welt) 20140726