A half century ago, a shocking Washington Post headline claimed that the world began in five cataclysmic minutes rather than having existed for all time; a skeptical scientist dubbed the maverick theory the Big Bang. In this amazingly comprehensible history of the universe, Simon Singh decodes the mystery behind the Big Bang theory, lading us through the development of one of the most extraordinary, important, and awe-inspiring theories in science.
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"It's hard to imagine a grander, more thrilling story...fast-paced...hugely entertaining...Big Bang is, quite literally, cosmic." New York Times
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2005Hubbles kosmische Bombe
Simon Singh erzählt, was es mit dem Urknall auf sich hat
Die Frage nach dem Ursprung des Kosmos hat auch nach Etablierung der Urknall-Theorie keine abschließende Antwort gefunden. Den komplizierten Streit um diese Theorie inszeniert Simon Singh in seinem neuen Buch "Big Bang" als ein unterhaltsames Lehrstück der Wissenschaftsgeschichte.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Laut James Ussher, seit 1624 Erzbischof von Armagh im Norden Irlands, kann man das genauer sagen: Der Anfang läßt sich auf den 22. Oktober 4004 vor Christus um sechs Uhr nachmittags datieren. (Hier hat Ussher den Julianischen Kalender verwendet, den Großbritannien erst 1752 aufgab.) Das war an einem Samstag. Eine Woche später, am Freitag abend, war die Schöpfung vollendet. Im Jahrhundert nach Ussher entdeckte Isaak Newton das Gesetz, welches beschreibt, wie Äpfel vom Baum fallen und Planeten ihre Sonne umkreisen. In Newtons Welt gibt es keinen natürlichen Anfangspunkt. Seine Gleichungen schildern einen ewig gleichen Kosmos.
Im Grunde hat Ussher die Welt besser beschrieben als Newton. Die Mehrheit der Kosmologen glaubt inzwischen, daß das Universum erst vor fünfzehn Milliarden Jahren abrupt zu existieren begann. Am Anfang gab es eine hektische Phase, gefolgt von relativer Ruhe. Stück für Stück bildeten sich die Bestandteile heraus - vom Fixstern bis zu den Mangrovensümpfen. Doch das Ende ist nah. Nichts wird bleiben, wie es ist. Der Kältetod, den man uns vorhersagt, ist furchtbarer als das Jüngste Gericht der Erzbischöfe.
Der Untertitel des englischen Originals lautet unbescheiden "The Most Important Scientific Discovery of All Time and Why You Need to Know About it". Wer sich für naturwissenschaftliche Fragen interessiert, wird sich nicht langweilen. Singhs Rezept verzichtet auf viele unangenehme technische Einzelheiten. Teilaspekte erklärt er liebevoll. Zusätzlich lockert der Autor seine Darstellung mit Geschichten aus dem Leben der Protagonisten auf. Die Kosmologie steht im Mittelpunkt.
Am Anfang, vor rund zehn bis zwanzig Milliarden Jahren, war unser Kosmos nur eine winzige heiße Singularität. Diese begann sich explosionsartig auszudehnen. Marodierende Wasserstoffkerne schnappten sich ein Elektron oder verschmolzen erst zu Helium und gewissen anderen Elementen. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Materieverteilung bewirkten die Entstehung von Sternen, die zu Galaxien verklumpten. Diese Explosion am Anfang war der Big Bang, der Urknall. Und eine der Galaxien ist unsere Milchstraße.
Um diese Beschreibung der Vergangenheit unserer Welt zu verstehen, muß man erst einmal die Gegenwart begriffen haben. Wobei Gegenwart vielleicht nicht der richtige Begriff ist. Wenn wir den Andromedanebel im Teleskop anschauen, dann war das Licht schon Millionen Jahre lang zu uns unterwegs. Dabei ist der Andromedanebel noch ein unmittelbarer Nachbar unserer eigenen Milchstraße. Je weiter wir ins All schauen, desto weiter schauen wir in die Vergangenheit. Was wir am Himmel sehen, ist nicht die Gegenwart, und das Bild wird leider mit zunehmender räumlicher und zeitlicher Entfernung immer unschärfer. Schon deshalb war einige Denkarbeit von besonders klugen Köpfen vonnöten, ehe alles einigermaßen erklärt war.
Der Verlag nennt das Buch einen "Wissenschaftskrimi". Ein fesselnder Krimi beschreibt nicht den direkten Weg von Slinkinskys Verbrechen bis zu seiner Verurteilung durch die zwölf Geschworenen. Er beschreibt indirekt, wie Chief Inspektor Mortimer Witherspoon die Einzelheiten der ruchlosen Tat herausgefunden hat. Analog schildert Singh nicht, wie unser Kosmos sich entwickelt hat, sondern wie unser Wissen über den Kosmos historisch entstanden ist. Dazu braucht er einen langen Atem, aber am Ende läuft es auf das gleiche hinaus. Solche Geschichten fangen immer bei den Griechen an. Manchmal sind die Griechen auch Ägypter oder Libyer.
Die alten Griechen wußten lange vor Kolumbus um die Kugelform unserer Erde. Ein Beweis dafür war zum Beispiel, daß die Schiffe am Horizont langsam nach unten verschwanden. Eratosthenes von Kyrene gelang es 225 vor Christus, den Umfang und damit den Durchmesser der Erdkugel zu bestimmen. Daraus bestimmten er und andere der Reihe nach folgende Größen: Durchmesser des Mondes, Entfernung des Mondes von der Erde, Entfernung der Sonne von der Erde, Durchmesser der Sonne. Im Grunde läßt sich das alles recht einsichtig erklären, und Singh tut das auch. Zum erstenmal in der Menschheitsgeschichte auf solche Ideen zu kommen, das ist eine große Leistung. Nachträglich betrachtet ist alles fast trivial. Da hier in einer logischen Kette eines am anderen hing, war der letzte Wert, der für den Sonnendurchmesser, der ungenaueste. Die beste Theorie ist nur ein Tand, wenn man keine genauen Messungen zur Verfügung hat.
Die Entwicklung besserer Meßinstrumente und besserer Theorien verlief parallel. Beides brauchte seine Zeit. Dank Kopernikus, Kepler, Galilei und Newton lernten wir, das Sonnensystem zu verstehen. Im Jahr 1838 konnte Friedrich Bessel mit einem Fehler von nur zehn Prozent die Entfernung zu dem Stern 61 Cygni messen. Das lieferte eine Schätzung für die Größe unserer Milchstraße. Erst von 1924 an war man davon überzeugt, daß es noch andere Galaxien gibt. Diese Entdeckung verdanken wir Edwin Hubble (1889 bis 1953), der die Distanz des Andromedanebels zu unserer Galaxis bestimmte. Hubble gelang noch ein zweiter Meisterstreich. Im Jahr 1929 fand er heraus, daß sich die meisten Galaxien von uns entfernen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die proportional zu ihrer Entfernung ist. Wie hat Hubble das gemacht? Man stelle sich eine tutende Dampflokomotive vor, die sich nähert und wieder entfernt. Der Ton der Pfeife wird erst höher (kleinere Wellenlänge), dann tiefer (größere Wellenlänge). Bei den Galaxien ist es ähnlich, nur muß man die Licht- statt der Schallwellen untersuchen. Bei diesem Phänomen der auseinanderfliegenden Galaxien ist unsere kleine unbedeutende Erde nicht auserwählt, wie man vielleicht glauben möchte. Jede Galaxie entfernt sich von jeder anderen. Unser subjektiver Eindruck ist dabei, daß sich jede speziell von uns entfernt.
Hubble folgte den Bahnen der Galaxien zurück in die Vergangenheit. Er stellte fest, daß sich die gesamte Materie im Universum vor 1,8 Milliarden Jahren an etwa der gleichen Stelle befunden haben mußte. Das war der erste Hinweis auf den Big Bang. Dieser Name wurde viel später von Fred Hoyle (1915 bis 2001, von 1972 an Sir Fred) geprägt. Die Zahl von 1,8 Milliarden mußte im Laufe der Zeit nach oben korrigiert werden, was aber nichts am Prinzip ändert. Einen weiteren Hinweis auf den Urknall lieferte Albert Einstein mit der Allgemeinen Relativitätstheorie von 1915. Seine Gleichungen besitzen eine Lösung, die ein expandierendes Universum beschreibt. Einstein wollte daran nicht glauben und kompensierte diesen Effekt mit der Einführung eines zusätzlichen Terms in den Formeln.
Auch viele andere Wissenschaftler mochten das Konzept des Urknalls nicht. Ein Grund dafür war wohl die Ähnlichkeit mit den Schöpfungsmythen vieler Religionen. Gerade in England erinnerte der Urknall vielleicht unangenehm an die genial-naiven Berechnungen des Erzbischofs Ussher, die man damals in der Einleitung mancher King-James-Bibel nachlesen konnte. Das wichtigste Konkurrenzmodell zum Big Bang stammte aus Cambridge. Fred Hoyle, Thomas Gold und Hermann Bondi propagierten das Steady-State-Modell. Auch bei diesem expandiert das Universum, aber zwischen den auseinanderstrebenden Galaxien entsteht immer wieder neue Materie. Ein einziges neues Atom pro Jahrhundert von der Größe des Empire State Buildings reicht aus, um das Materiedefizit durch die Expansion auszugleichen. Die Nadel im Heuhaufen ist im Vergleich dazu ein Brontosaurus. Das Steady-State-Universum ändert sich ständig, sieht aber dabei immer gleichartig aus.
Fred Hoyle war ein in der Wolle gefärbter Ikonoklast. Die Rolle des Advocatus Diaboli war ihm auf den Leib geschneidert. Seine wissenschaftlichen Hypothesen waren nicht immer erfolgreich, aber nie langweilig. In seiner Freizeit schrieb er Science-fiction-Romane. Die wichtigsten Vertreter der gegnerischen Big-Bang-Theorie waren George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman. Gamow war der Witzbold unter den dreien. Er schrieb keine Romane, aber Spottgedichte, von denen Singh einige zitiert. Die Debatte zwischen den Big-Bang- und den Steady-State-Anhängern begann 1946 und endete 1992 mit einem Sieg der Big-Bang-Fraktion, der auf genauen Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung beruhte. Diese Auseinandersetzung war eine Folge von Scharmützeln. Es gab diverse Aspekte, bei denen man untersuchte, welche der beiden Theorien sie besser erklärte. Beschränken wir uns auf ein Beispiel: die Häufigkeit der chemischen Elemente im Universum. Das Verhältnis von Wasserstoff zu Helium konnten Gamow und Alpher mit der Kernfusion in den ersten fünf Minuten nach dem Urknall erklären. Da war der Kosmos noch heiß wie eine gerade explodierende H-Bombe. Auch das Bor und das Lithium mögen so entstanden sein.
Aber nicht der Kohlenstoff! Es ist ausgeschlossen, daß er in der Glut des Urknalls zusammengekocht wurde. Das lassen die Formeln der Kernphysiker nicht zu. Wenn man aber erst einmal den Kohlenstoff erklärt hat, dann ist es mit den anderen Elementen nicht mehr so schwierig. Dieses Kohlenstoff-Problem löste 1953 ausgerechnet Fred Hoyle. Dabei dachte er an sein Steady-State-Modell, bei dem permanent Wasserstoff aus dem Nichts entsteht. Die Theorie paßt fast noch besser zum Big Bang. Hoyle entdeckte den Mechanismus der Entstehung der schweren Elemente: Diese reichern sich langsam in Sternen an. Die Sterne werden alt und explodieren. Der Sternenmüll wird von neuen Sternen inkorporiert. Auch diese Sterne werden alt und explodieren. Unsere Sonne ist vermutlich schon ein Stern der dritten Generation. Ohne diese rastlose Arbeit der Elementfabriken in den Sternen gäbe es keinen Kohlenstoff, also auch keine Druckerschwärze, kein Zeitungspapier und keine kohlenstoffbasierten Lebewesen, die die Zeitung lesen. Vielleicht hat Singh tatsächlich recht. Der Big Bang ist die wichtigste Entdeckung aller Zeiten, und wir sollten ihn verstehen. Doch die Geschichten vom Garten Eden, von der Schlange und von Kain und Abel, die Erzbischof Ussher studierte, waren viel befriedigender.
ERNST HORST
Simon Singh: "Big Bang". Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Naturwissenschaft. Aus dem Englischen von Klaus Fritz. Carl Hanser Verlag, München 2005. 541 S., Abb., Tabellen, geb., 24,90 [Euro].
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Simon Singh erzählt, was es mit dem Urknall auf sich hat
Die Frage nach dem Ursprung des Kosmos hat auch nach Etablierung der Urknall-Theorie keine abschließende Antwort gefunden. Den komplizierten Streit um diese Theorie inszeniert Simon Singh in seinem neuen Buch "Big Bang" als ein unterhaltsames Lehrstück der Wissenschaftsgeschichte.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Laut James Ussher, seit 1624 Erzbischof von Armagh im Norden Irlands, kann man das genauer sagen: Der Anfang läßt sich auf den 22. Oktober 4004 vor Christus um sechs Uhr nachmittags datieren. (Hier hat Ussher den Julianischen Kalender verwendet, den Großbritannien erst 1752 aufgab.) Das war an einem Samstag. Eine Woche später, am Freitag abend, war die Schöpfung vollendet. Im Jahrhundert nach Ussher entdeckte Isaak Newton das Gesetz, welches beschreibt, wie Äpfel vom Baum fallen und Planeten ihre Sonne umkreisen. In Newtons Welt gibt es keinen natürlichen Anfangspunkt. Seine Gleichungen schildern einen ewig gleichen Kosmos.
Im Grunde hat Ussher die Welt besser beschrieben als Newton. Die Mehrheit der Kosmologen glaubt inzwischen, daß das Universum erst vor fünfzehn Milliarden Jahren abrupt zu existieren begann. Am Anfang gab es eine hektische Phase, gefolgt von relativer Ruhe. Stück für Stück bildeten sich die Bestandteile heraus - vom Fixstern bis zu den Mangrovensümpfen. Doch das Ende ist nah. Nichts wird bleiben, wie es ist. Der Kältetod, den man uns vorhersagt, ist furchtbarer als das Jüngste Gericht der Erzbischöfe.
Der Untertitel des englischen Originals lautet unbescheiden "The Most Important Scientific Discovery of All Time and Why You Need to Know About it". Wer sich für naturwissenschaftliche Fragen interessiert, wird sich nicht langweilen. Singhs Rezept verzichtet auf viele unangenehme technische Einzelheiten. Teilaspekte erklärt er liebevoll. Zusätzlich lockert der Autor seine Darstellung mit Geschichten aus dem Leben der Protagonisten auf. Die Kosmologie steht im Mittelpunkt.
Am Anfang, vor rund zehn bis zwanzig Milliarden Jahren, war unser Kosmos nur eine winzige heiße Singularität. Diese begann sich explosionsartig auszudehnen. Marodierende Wasserstoffkerne schnappten sich ein Elektron oder verschmolzen erst zu Helium und gewissen anderen Elementen. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Materieverteilung bewirkten die Entstehung von Sternen, die zu Galaxien verklumpten. Diese Explosion am Anfang war der Big Bang, der Urknall. Und eine der Galaxien ist unsere Milchstraße.
Um diese Beschreibung der Vergangenheit unserer Welt zu verstehen, muß man erst einmal die Gegenwart begriffen haben. Wobei Gegenwart vielleicht nicht der richtige Begriff ist. Wenn wir den Andromedanebel im Teleskop anschauen, dann war das Licht schon Millionen Jahre lang zu uns unterwegs. Dabei ist der Andromedanebel noch ein unmittelbarer Nachbar unserer eigenen Milchstraße. Je weiter wir ins All schauen, desto weiter schauen wir in die Vergangenheit. Was wir am Himmel sehen, ist nicht die Gegenwart, und das Bild wird leider mit zunehmender räumlicher und zeitlicher Entfernung immer unschärfer. Schon deshalb war einige Denkarbeit von besonders klugen Köpfen vonnöten, ehe alles einigermaßen erklärt war.
Der Verlag nennt das Buch einen "Wissenschaftskrimi". Ein fesselnder Krimi beschreibt nicht den direkten Weg von Slinkinskys Verbrechen bis zu seiner Verurteilung durch die zwölf Geschworenen. Er beschreibt indirekt, wie Chief Inspektor Mortimer Witherspoon die Einzelheiten der ruchlosen Tat herausgefunden hat. Analog schildert Singh nicht, wie unser Kosmos sich entwickelt hat, sondern wie unser Wissen über den Kosmos historisch entstanden ist. Dazu braucht er einen langen Atem, aber am Ende läuft es auf das gleiche hinaus. Solche Geschichten fangen immer bei den Griechen an. Manchmal sind die Griechen auch Ägypter oder Libyer.
Die alten Griechen wußten lange vor Kolumbus um die Kugelform unserer Erde. Ein Beweis dafür war zum Beispiel, daß die Schiffe am Horizont langsam nach unten verschwanden. Eratosthenes von Kyrene gelang es 225 vor Christus, den Umfang und damit den Durchmesser der Erdkugel zu bestimmen. Daraus bestimmten er und andere der Reihe nach folgende Größen: Durchmesser des Mondes, Entfernung des Mondes von der Erde, Entfernung der Sonne von der Erde, Durchmesser der Sonne. Im Grunde läßt sich das alles recht einsichtig erklären, und Singh tut das auch. Zum erstenmal in der Menschheitsgeschichte auf solche Ideen zu kommen, das ist eine große Leistung. Nachträglich betrachtet ist alles fast trivial. Da hier in einer logischen Kette eines am anderen hing, war der letzte Wert, der für den Sonnendurchmesser, der ungenaueste. Die beste Theorie ist nur ein Tand, wenn man keine genauen Messungen zur Verfügung hat.
Die Entwicklung besserer Meßinstrumente und besserer Theorien verlief parallel. Beides brauchte seine Zeit. Dank Kopernikus, Kepler, Galilei und Newton lernten wir, das Sonnensystem zu verstehen. Im Jahr 1838 konnte Friedrich Bessel mit einem Fehler von nur zehn Prozent die Entfernung zu dem Stern 61 Cygni messen. Das lieferte eine Schätzung für die Größe unserer Milchstraße. Erst von 1924 an war man davon überzeugt, daß es noch andere Galaxien gibt. Diese Entdeckung verdanken wir Edwin Hubble (1889 bis 1953), der die Distanz des Andromedanebels zu unserer Galaxis bestimmte. Hubble gelang noch ein zweiter Meisterstreich. Im Jahr 1929 fand er heraus, daß sich die meisten Galaxien von uns entfernen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die proportional zu ihrer Entfernung ist. Wie hat Hubble das gemacht? Man stelle sich eine tutende Dampflokomotive vor, die sich nähert und wieder entfernt. Der Ton der Pfeife wird erst höher (kleinere Wellenlänge), dann tiefer (größere Wellenlänge). Bei den Galaxien ist es ähnlich, nur muß man die Licht- statt der Schallwellen untersuchen. Bei diesem Phänomen der auseinanderfliegenden Galaxien ist unsere kleine unbedeutende Erde nicht auserwählt, wie man vielleicht glauben möchte. Jede Galaxie entfernt sich von jeder anderen. Unser subjektiver Eindruck ist dabei, daß sich jede speziell von uns entfernt.
Hubble folgte den Bahnen der Galaxien zurück in die Vergangenheit. Er stellte fest, daß sich die gesamte Materie im Universum vor 1,8 Milliarden Jahren an etwa der gleichen Stelle befunden haben mußte. Das war der erste Hinweis auf den Big Bang. Dieser Name wurde viel später von Fred Hoyle (1915 bis 2001, von 1972 an Sir Fred) geprägt. Die Zahl von 1,8 Milliarden mußte im Laufe der Zeit nach oben korrigiert werden, was aber nichts am Prinzip ändert. Einen weiteren Hinweis auf den Urknall lieferte Albert Einstein mit der Allgemeinen Relativitätstheorie von 1915. Seine Gleichungen besitzen eine Lösung, die ein expandierendes Universum beschreibt. Einstein wollte daran nicht glauben und kompensierte diesen Effekt mit der Einführung eines zusätzlichen Terms in den Formeln.
Auch viele andere Wissenschaftler mochten das Konzept des Urknalls nicht. Ein Grund dafür war wohl die Ähnlichkeit mit den Schöpfungsmythen vieler Religionen. Gerade in England erinnerte der Urknall vielleicht unangenehm an die genial-naiven Berechnungen des Erzbischofs Ussher, die man damals in der Einleitung mancher King-James-Bibel nachlesen konnte. Das wichtigste Konkurrenzmodell zum Big Bang stammte aus Cambridge. Fred Hoyle, Thomas Gold und Hermann Bondi propagierten das Steady-State-Modell. Auch bei diesem expandiert das Universum, aber zwischen den auseinanderstrebenden Galaxien entsteht immer wieder neue Materie. Ein einziges neues Atom pro Jahrhundert von der Größe des Empire State Buildings reicht aus, um das Materiedefizit durch die Expansion auszugleichen. Die Nadel im Heuhaufen ist im Vergleich dazu ein Brontosaurus. Das Steady-State-Universum ändert sich ständig, sieht aber dabei immer gleichartig aus.
Fred Hoyle war ein in der Wolle gefärbter Ikonoklast. Die Rolle des Advocatus Diaboli war ihm auf den Leib geschneidert. Seine wissenschaftlichen Hypothesen waren nicht immer erfolgreich, aber nie langweilig. In seiner Freizeit schrieb er Science-fiction-Romane. Die wichtigsten Vertreter der gegnerischen Big-Bang-Theorie waren George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman. Gamow war der Witzbold unter den dreien. Er schrieb keine Romane, aber Spottgedichte, von denen Singh einige zitiert. Die Debatte zwischen den Big-Bang- und den Steady-State-Anhängern begann 1946 und endete 1992 mit einem Sieg der Big-Bang-Fraktion, der auf genauen Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung beruhte. Diese Auseinandersetzung war eine Folge von Scharmützeln. Es gab diverse Aspekte, bei denen man untersuchte, welche der beiden Theorien sie besser erklärte. Beschränken wir uns auf ein Beispiel: die Häufigkeit der chemischen Elemente im Universum. Das Verhältnis von Wasserstoff zu Helium konnten Gamow und Alpher mit der Kernfusion in den ersten fünf Minuten nach dem Urknall erklären. Da war der Kosmos noch heiß wie eine gerade explodierende H-Bombe. Auch das Bor und das Lithium mögen so entstanden sein.
Aber nicht der Kohlenstoff! Es ist ausgeschlossen, daß er in der Glut des Urknalls zusammengekocht wurde. Das lassen die Formeln der Kernphysiker nicht zu. Wenn man aber erst einmal den Kohlenstoff erklärt hat, dann ist es mit den anderen Elementen nicht mehr so schwierig. Dieses Kohlenstoff-Problem löste 1953 ausgerechnet Fred Hoyle. Dabei dachte er an sein Steady-State-Modell, bei dem permanent Wasserstoff aus dem Nichts entsteht. Die Theorie paßt fast noch besser zum Big Bang. Hoyle entdeckte den Mechanismus der Entstehung der schweren Elemente: Diese reichern sich langsam in Sternen an. Die Sterne werden alt und explodieren. Der Sternenmüll wird von neuen Sternen inkorporiert. Auch diese Sterne werden alt und explodieren. Unsere Sonne ist vermutlich schon ein Stern der dritten Generation. Ohne diese rastlose Arbeit der Elementfabriken in den Sternen gäbe es keinen Kohlenstoff, also auch keine Druckerschwärze, kein Zeitungspapier und keine kohlenstoffbasierten Lebewesen, die die Zeitung lesen. Vielleicht hat Singh tatsächlich recht. Der Big Bang ist die wichtigste Entdeckung aller Zeiten, und wir sollten ihn verstehen. Doch die Geschichten vom Garten Eden, von der Schlange und von Kain und Abel, die Erzbischof Ussher studierte, waren viel befriedigender.
ERNST HORST
Simon Singh: "Big Bang". Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Naturwissenschaft. Aus dem Englischen von Klaus Fritz. Carl Hanser Verlag, München 2005. 541 S., Abb., Tabellen, geb., 24,90 [Euro].
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