Als Sohn eines Farmers hat August früh erfahren, was stilles Glück bedeutet. Bei der Arbeit kommt er zu sich. Kühe melken, Heu machen, die Geräte im Schuppen reparieren. Doch seine Mutter wünscht sich schon lange etwas anderes, nicht nur für ihn, und er muss nach der Scheidung mit nach Montana. Ein neues Leben, eine neue Landschaft erstreckt sich nun vor ihm. Zum ersten Mal begegnet August einer majestätischen Natur, der Freiheit, der Sehnsucht. Bloß brauchen diese Geschenke, wie alles in seinem Leben, Zeit und Kraft, und als er sich einlässt auf die falschen Freunde, auf unerreichbare Frauen, droht August in den Weiten und Träumen und Widersprüchen dieses Landes verloren zu gehen.
Ein Bildungsroman von atemberaubender Schönheit und Klarheit. Ein Roman, der danach fragt, welchen Abdruck Landschaften hinterlassen, wie aus Söhnen Männer werden und wonach es sich im Leben zu richten gilt. Mit Big Sky Country fügt Callan Wink einer großen Tradition ein neues Meisterwerk hinzu.
Ein Bildungsroman von atemberaubender Schönheit und Klarheit. Ein Roman, der danach fragt, welchen Abdruck Landschaften hinterlassen, wie aus Söhnen Männer werden und wonach es sich im Leben zu richten gilt. Mit Big Sky Country fügt Callan Wink einer großen Tradition ein neues Meisterwerk hinzu.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Oliver Jungen riecht den Duft von "frischem Heu" im Debütroman von Callan Wink. Hymnisch fährt der Kritiker fort: Die im Mittleren Westen der USA spielende Coming-of-Age-Geschichte um den jungen Farmerssohn August, der seinem Vater Darwin mit der Mutter entflieht, eine zarte Affäre mit deren Freundin beginnt und unbeteiligt eine Gruppenvergewaltigung beobachtet, überzeugt vor allem durch den Anschein von "Leichtigkeit", den Callan seinem amerikanischen "Seelenpanorama" verleiht, lobt der Rezensent. Entlang an zahlreichen Abenteuern folgt er dem Jungen beim Erwachsenwerden zwischen "Gleichmut" und Tradition, liest, wie dieser die patriarchale Prägung hinter sich lässt und bewundert nicht zuletzt die "beglückende Authentizität" dieses, wie Jungen findet, von Hannes Meyer exzellent übersetzten Romans.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2021In eine andere Umlaufbahn
Callan Winks Debüt „Big Sky Country“ erzählt vom Leben nach dem Ende der heroischen Männlichkeit
Es klingt wie ein großartiges Versprechen: „Big Sky Country“ heißt die deutsche Übersetzung des Romandebüts des US-Amerikaners Callan Wink und zapft Sehnsüchte an – nach Dinglichkeit, nach Weite, nach Landschaften, nach Tieren, Bergen, Flüssen und Seen, nach etwas jenseits der eigenen vier Wände und womöglich sogar eine noch tiefer liegende Sehnsucht. „Big Sky Country“ malt die Vorstellung aus, mit möglichst wenig Worten durchs Leben zu kommen. Einfach tun, was man muss, arbeiten, Tiere füttern, das Heu vor dem nächsten Regen reinbringen, die Angel in den Fluss halten und warten, bis ein Fisch anbeißt. Das echte Leben.
Es kann auch bedeuten, sich auf eine Schlägerei einzulassen statt ewig für den eigenen Rang der Gruppe zu streiten. Dann ist die Sache geklärt, und es gibt Zeit zum Abhängen, Rauchen, Trinken, durch die Gegend fahren. August, der junge Held des Romans, prügelt sich aber nicht gern, scheut überhaupt den Konflikt, auch wenn er keine Probleme damit hat, beispielsweise Katzen zu töten. Einen Dollar pro Schwanz bietet ihm sein Vater, um eine Plage zu dezimieren. Das ist bei den meisten Farmerjungen so, dass sie Tiere töten, erklärt uns der Erzähler. Das heißt, er erklärt es nicht, er sagt es nur.
Ein berückender Gleichmut schwebt über diesem Roman. Das englische Original, 2020 erschienen, heißt einfach „August“ nach seinem Protagonisten. Das ist nicht nur der achte Monat im Jahr, es bedeutet auch „geachtet, erhaben, ehrwürdig, bewundernswert“. So erklärt es seine zukünftige Mutter dem werdenden Vater, als sie während ihrer Schwangerschaft über Namen verhandeln. Die Spannung zwischen den beiden ist sofort da. Und August steht von Anfang dazwischen.
Sein Vater Darwin ist zufrieden mit seiner kleinen Farm in Michigan. Er hat eigenhändig ein Haus für die Familie gebaut, auf dem Grundstück der früh verstorbenen Schwiegereltern. Deren Ferienhaus am Torch Lake hat er verkauft, um in Milchkühe zu investieren. Dass das Vermögen aus ihrer Familie stammt, lässt Bonnie ihn spüren. Irgendwann zieht sie zurück ins leere Haus ihrer Eltern. Dort sitzt sie rauchend und lesend am Küchentisch, wenn August zum Mittagessen herüberkommt. Der Vater stellt eine junge Frau als Hilfskraft an, gerade mal sieben Jahre älter als August, die bald mehr ist als das.
Der Vater reicht die Scheidung ein, Mutter und Sohn räumen das Feld: Ein Aufbruch in ein neues Leben, quer durchs Land, nach Grand Rapids, zweitgrößte Stadt Michigans, wo Bonnie Bibliothekswissenschaften studiert, dann in die Kleinstadt Livingston in den Rocky Mountains. Die Fahrt nach Montana inszeniert Callan Wink als Roadnovel, nicht nur Richtung Westen, sondern geradezu in eine andere „Erdumlaufbahn“. Janis Joplin singt, August nimmt die mütterliche Euphorie wahr, so wie er alles hinnimmt – ein sensibler Beobachter des Lebens, in das ihn seine Eltern verfrachtet haben.
Wie der 1984 geborene Schriftsteller mit dessen Spannungen umgeht, ist famos. Er macht kein Drama draus, er verwandelt sie in Topografien, lässt sie in die Landschaften übergehen, als könne man Konflikte wie elektrische Spannung einfach ableiten. „Big Sky Country“ ist ein Coming-of-Age-Roman über Gefühle, Männer und Frauen, vor allem aber über das Verhältnis zwischen Dingen und Worten. Werden Erlebnisse kostbarer und tiefer, wenn wir die richtigen Vokabeln dafür haben? Müssen wir unsere Sprache immer weiter differenzieren, um immer mehr Wirklichkeit zu erfassen? Oder macht genau das die Substanz kaputt?
Wie Kieselsteine, die im Wasser versinken, wirft Callan Wink die markanten Ereignisse hin, die oft erst im Lauf der Erzählungen zu tiefen Eindrücken werden. Kurz bevor August mit der Mutter aufbricht, stirbt der Hund, den er zur Geburt bekam. Zwölf sei ein gutes Alter, sagt der Vater. Erst später dämmert ihm, dass er wahrscheinlich nicht den Hund gemeint hat, sondern das richtige Alter um den Verlust von jemandem zu erleben, den man liebt.
Als August noch ohne Freunde in der neuen Gegend herumschweift und eine Gruppe Jugendlicher von einer Brücke in den Fluss springen sieht, gräbt sich der Salto eines Mädchens im gelben Badeanzug in sein Gedächtnis. Ist es June gewesen, das klügste Mädchen der Klasse? Bei der Abschiedsparty für einen beim Militäreinsatz in Afghanistan getöteten Freund wird sie später zum Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Niemand spricht aus, was passiert ist. Immerhin sagt August eines Tages zu einem Freund: „Ich weiß, was das war.“
Der Roman spielt in der Bush-Ära rund um 9/11, und das erinnert daran, dass Gewalt und Verschwörungserzählungen nicht erst mit Trump in die USA kamen. Militarisierung und Deindustrialisierung greifen ineinander. Die Verunsicherung des männlichen Selbstverständnisses ist auch dort zu spüren, wo großkotzig anderes behauptet wird. Wenn sich die Mutter abends auf der Terrasse mit einer Nachbarin unterhält, bekommt August ihre Gespräche mit, nicht unbedingt spannend für ihn und doch eine intime Schule des Lebens, die in einer Verführung kulminiert.
Callan Wink lässt nur wenige Möglichkeiten aus, sich über den Männerkult Montanas kalauernd als „Mantana“ lustig zu machen. Väter stehen in diesem Roman oft für eine Steigerung idiotischer Männlichkeit: „Alle haben ein Arschloch als Vater“, heißt es einmal. Anders als beispielsweise David Vann in seinen von Gewalt durchdrungenen Abrechnungsromanen, weckt Callan Wink Empathie für die väterliche Sprachlosigkeit. Wenn Vater und Sohn telefonieren, reden sie übers Wetter – und tauschen sich damit doch wortkarg über ihre Probleme aus.
Der Autor Callan Wink arbeitet im Sommer als Fly Fishing Guide auf dem Yellowstone River in Montana. Im Winter surft und schreibt er im kalifornischen Santa Cruz. Er war Wallace Stegner Fellow an der Stanford University und debütierte 2016 mit dem Erzählungsband „Dog Run Moon“, den Hannes Meyer so stilsicher wie nun den Roman als „Der letzte beste Ort“ übersetzte. „Big Sky Country“, die Bezeichnung für das von verlassenen Goldrausch-Städten geprägte Montana, ist ein suggestiver Titel für dieses Romandebüt. Es begibt sich auf die Suche nach einer Sprache für eine Natur, die ihr Widerstandspotenzial behauptet – gegen die Landwirtschaft und den Tourismus naturseliger Snobs.
Sein Autorenkollege William Finnegan hat Callan Wink einen „Hemingway für unsere Zeit“ genannt. Das ist nicht falsch, trifft die Sache aber nicht genau. Das Klima in Winks Prosa ist rau, aber nicht heroisch. Mehr als einmal denkt man bei seinem Roman an den Essay „Radikale Hoffnung“ des amerikanischen Philosophen Jonathan Lear, der in den Nachwehen von 9/11 am Beispiel der indigenen Bevölkerung der Great Plains über eine „Ethik im Angesicht kultureller Zerstörung“ nachdachte. Dass eine spezielle Form der Anpassung auch mutig sein kann, zeigte Lear am Verhalten der Crow, und man meint diese Lehre auch in Callan Winks Roman wiederzuerkennen. August hat keinen Begriff davon, was er will oder nicht, aber er weiß, dass die alten Männlichkeitsideale absurd geworden sind.
MEIKE FESSMANN
Konflikte leitet Wink
wie elektrische Spannung
in die Landschaft ab
Sport für Männer, die ohne viele Worte miteinander sprechen: Das Fliegenfischen, hier die Köder. Callan Winks Debütroman weckt Empathie für die Sprachlosigkeit der Vätergeneration. Der Autor selbst arbeitet im Sommer als Fly Fishing Guide auf dem Yellowstone River.
Foto: Sarah Labuda/unsplash
Callan Wink:
Big Sky Country.
Roman. Aus dem
Englischen von
Hannes Meyer.
Suhrkamp, Berlin 2020. 378 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Callan Winks Debüt „Big Sky Country“ erzählt vom Leben nach dem Ende der heroischen Männlichkeit
Es klingt wie ein großartiges Versprechen: „Big Sky Country“ heißt die deutsche Übersetzung des Romandebüts des US-Amerikaners Callan Wink und zapft Sehnsüchte an – nach Dinglichkeit, nach Weite, nach Landschaften, nach Tieren, Bergen, Flüssen und Seen, nach etwas jenseits der eigenen vier Wände und womöglich sogar eine noch tiefer liegende Sehnsucht. „Big Sky Country“ malt die Vorstellung aus, mit möglichst wenig Worten durchs Leben zu kommen. Einfach tun, was man muss, arbeiten, Tiere füttern, das Heu vor dem nächsten Regen reinbringen, die Angel in den Fluss halten und warten, bis ein Fisch anbeißt. Das echte Leben.
Es kann auch bedeuten, sich auf eine Schlägerei einzulassen statt ewig für den eigenen Rang der Gruppe zu streiten. Dann ist die Sache geklärt, und es gibt Zeit zum Abhängen, Rauchen, Trinken, durch die Gegend fahren. August, der junge Held des Romans, prügelt sich aber nicht gern, scheut überhaupt den Konflikt, auch wenn er keine Probleme damit hat, beispielsweise Katzen zu töten. Einen Dollar pro Schwanz bietet ihm sein Vater, um eine Plage zu dezimieren. Das ist bei den meisten Farmerjungen so, dass sie Tiere töten, erklärt uns der Erzähler. Das heißt, er erklärt es nicht, er sagt es nur.
Ein berückender Gleichmut schwebt über diesem Roman. Das englische Original, 2020 erschienen, heißt einfach „August“ nach seinem Protagonisten. Das ist nicht nur der achte Monat im Jahr, es bedeutet auch „geachtet, erhaben, ehrwürdig, bewundernswert“. So erklärt es seine zukünftige Mutter dem werdenden Vater, als sie während ihrer Schwangerschaft über Namen verhandeln. Die Spannung zwischen den beiden ist sofort da. Und August steht von Anfang dazwischen.
Sein Vater Darwin ist zufrieden mit seiner kleinen Farm in Michigan. Er hat eigenhändig ein Haus für die Familie gebaut, auf dem Grundstück der früh verstorbenen Schwiegereltern. Deren Ferienhaus am Torch Lake hat er verkauft, um in Milchkühe zu investieren. Dass das Vermögen aus ihrer Familie stammt, lässt Bonnie ihn spüren. Irgendwann zieht sie zurück ins leere Haus ihrer Eltern. Dort sitzt sie rauchend und lesend am Küchentisch, wenn August zum Mittagessen herüberkommt. Der Vater stellt eine junge Frau als Hilfskraft an, gerade mal sieben Jahre älter als August, die bald mehr ist als das.
Der Vater reicht die Scheidung ein, Mutter und Sohn räumen das Feld: Ein Aufbruch in ein neues Leben, quer durchs Land, nach Grand Rapids, zweitgrößte Stadt Michigans, wo Bonnie Bibliothekswissenschaften studiert, dann in die Kleinstadt Livingston in den Rocky Mountains. Die Fahrt nach Montana inszeniert Callan Wink als Roadnovel, nicht nur Richtung Westen, sondern geradezu in eine andere „Erdumlaufbahn“. Janis Joplin singt, August nimmt die mütterliche Euphorie wahr, so wie er alles hinnimmt – ein sensibler Beobachter des Lebens, in das ihn seine Eltern verfrachtet haben.
Wie der 1984 geborene Schriftsteller mit dessen Spannungen umgeht, ist famos. Er macht kein Drama draus, er verwandelt sie in Topografien, lässt sie in die Landschaften übergehen, als könne man Konflikte wie elektrische Spannung einfach ableiten. „Big Sky Country“ ist ein Coming-of-Age-Roman über Gefühle, Männer und Frauen, vor allem aber über das Verhältnis zwischen Dingen und Worten. Werden Erlebnisse kostbarer und tiefer, wenn wir die richtigen Vokabeln dafür haben? Müssen wir unsere Sprache immer weiter differenzieren, um immer mehr Wirklichkeit zu erfassen? Oder macht genau das die Substanz kaputt?
Wie Kieselsteine, die im Wasser versinken, wirft Callan Wink die markanten Ereignisse hin, die oft erst im Lauf der Erzählungen zu tiefen Eindrücken werden. Kurz bevor August mit der Mutter aufbricht, stirbt der Hund, den er zur Geburt bekam. Zwölf sei ein gutes Alter, sagt der Vater. Erst später dämmert ihm, dass er wahrscheinlich nicht den Hund gemeint hat, sondern das richtige Alter um den Verlust von jemandem zu erleben, den man liebt.
Als August noch ohne Freunde in der neuen Gegend herumschweift und eine Gruppe Jugendlicher von einer Brücke in den Fluss springen sieht, gräbt sich der Salto eines Mädchens im gelben Badeanzug in sein Gedächtnis. Ist es June gewesen, das klügste Mädchen der Klasse? Bei der Abschiedsparty für einen beim Militäreinsatz in Afghanistan getöteten Freund wird sie später zum Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Niemand spricht aus, was passiert ist. Immerhin sagt August eines Tages zu einem Freund: „Ich weiß, was das war.“
Der Roman spielt in der Bush-Ära rund um 9/11, und das erinnert daran, dass Gewalt und Verschwörungserzählungen nicht erst mit Trump in die USA kamen. Militarisierung und Deindustrialisierung greifen ineinander. Die Verunsicherung des männlichen Selbstverständnisses ist auch dort zu spüren, wo großkotzig anderes behauptet wird. Wenn sich die Mutter abends auf der Terrasse mit einer Nachbarin unterhält, bekommt August ihre Gespräche mit, nicht unbedingt spannend für ihn und doch eine intime Schule des Lebens, die in einer Verführung kulminiert.
Callan Wink lässt nur wenige Möglichkeiten aus, sich über den Männerkult Montanas kalauernd als „Mantana“ lustig zu machen. Väter stehen in diesem Roman oft für eine Steigerung idiotischer Männlichkeit: „Alle haben ein Arschloch als Vater“, heißt es einmal. Anders als beispielsweise David Vann in seinen von Gewalt durchdrungenen Abrechnungsromanen, weckt Callan Wink Empathie für die väterliche Sprachlosigkeit. Wenn Vater und Sohn telefonieren, reden sie übers Wetter – und tauschen sich damit doch wortkarg über ihre Probleme aus.
Der Autor Callan Wink arbeitet im Sommer als Fly Fishing Guide auf dem Yellowstone River in Montana. Im Winter surft und schreibt er im kalifornischen Santa Cruz. Er war Wallace Stegner Fellow an der Stanford University und debütierte 2016 mit dem Erzählungsband „Dog Run Moon“, den Hannes Meyer so stilsicher wie nun den Roman als „Der letzte beste Ort“ übersetzte. „Big Sky Country“, die Bezeichnung für das von verlassenen Goldrausch-Städten geprägte Montana, ist ein suggestiver Titel für dieses Romandebüt. Es begibt sich auf die Suche nach einer Sprache für eine Natur, die ihr Widerstandspotenzial behauptet – gegen die Landwirtschaft und den Tourismus naturseliger Snobs.
Sein Autorenkollege William Finnegan hat Callan Wink einen „Hemingway für unsere Zeit“ genannt. Das ist nicht falsch, trifft die Sache aber nicht genau. Das Klima in Winks Prosa ist rau, aber nicht heroisch. Mehr als einmal denkt man bei seinem Roman an den Essay „Radikale Hoffnung“ des amerikanischen Philosophen Jonathan Lear, der in den Nachwehen von 9/11 am Beispiel der indigenen Bevölkerung der Great Plains über eine „Ethik im Angesicht kultureller Zerstörung“ nachdachte. Dass eine spezielle Form der Anpassung auch mutig sein kann, zeigte Lear am Verhalten der Crow, und man meint diese Lehre auch in Callan Winks Roman wiederzuerkennen. August hat keinen Begriff davon, was er will oder nicht, aber er weiß, dass die alten Männlichkeitsideale absurd geworden sind.
MEIKE FESSMANN
Konflikte leitet Wink
wie elektrische Spannung
in die Landschaft ab
Sport für Männer, die ohne viele Worte miteinander sprechen: Das Fliegenfischen, hier die Köder. Callan Winks Debütroman weckt Empathie für die Sprachlosigkeit der Vätergeneration. Der Autor selbst arbeitet im Sommer als Fly Fishing Guide auf dem Yellowstone River.
Foto: Sarah Labuda/unsplash
Callan Wink:
Big Sky Country.
Roman. Aus dem
Englischen von
Hannes Meyer.
Suhrkamp, Berlin 2020. 378 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Einer der großen Einsamen der amerikanischen Literatur. Vielleicht der letzte.« Elmar Krekeler DIE WELT 20210320