Von der Stiftung Buchkunst prämiert als "eines der schönsten deutschen Bücher"!
Ein Schweizer Kunsthistoriker auf der Flucht vor dem Skandal um seinen legendären Schriftsteller-Vater und eine deutsche Journalistin auf Recherchereise begegnen sich in Georgia. Nach kurzer Zeit geraten sie in den Bann der Geheimnisse einer alten Villa auf Humphrey Island, in der sich unerhörte Dinge abzuspielen
scheinen . . .
Schwüle Luft, üppige Vegetation, Alligatoren in den Sümpfen und ein schweres historisches Erbe: Zora del Buonos neuer Roman führt mitten hinein in das Lebensgefühl der amerikanischen Südstaaten und erzählt eine fesselnd Geschichte von Rache und Leidenschaft.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Ein Schweizer Kunsthistoriker auf der Flucht vor dem Skandal um seinen legendären Schriftsteller-Vater und eine deutsche Journalistin auf Recherchereise begegnen sich in Georgia. Nach kurzer Zeit geraten sie in den Bann der Geheimnisse einer alten Villa auf Humphrey Island, in der sich unerhörte Dinge abzuspielen
scheinen . . .
Schwüle Luft, üppige Vegetation, Alligatoren in den Sümpfen und ein schweres historisches Erbe: Zora del Buonos neuer Roman führt mitten hinein in das Lebensgefühl der amerikanischen Südstaaten und erzählt eine fesselnd Geschichte von Rache und Leidenschaft.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2011Ein Gemisch aus westafrikanischen Riten, Sprachen und geheimen Codes der Sklaven
Zwei Europäer geraten in den Bann einer alten Villa auf Humphrey Island: Zora del Buonos Roman ist durchtränkt von jener schwülen Schläfrigkeit, die so typisch ist für die amerikanischen Südstaaten.
Schreiben ist eine zwiespältige Angelegenheit. Vor allem, wenn es sich um Auftragsarbeit handelt. Da müssen einerseits sachlich Informationen vermittelt werden. Andererseits soll der Text lustvoll lesbar sein. Die Ich-Erzählerin in "Big Sue", dem zweiten Roman von Zora del Buono, Mitbegründerin der Zeitschrift "Mare", ist in ihrem Journalistenleben an einen faden Punkt angelangt. Japanische Selbstmörderinnen interessieren sie zwar - aber alles Ausformulierte ekelt sie an. Gelangweilt von der Redundanz ihrer eigenen Formulierungen, arbeitet sie deshalb als freischaffende Rechercheurin, als "Grundlagenermittlerin" - zur Zeit in Savannah, einer feuchtklimatisierten Stadt in Atlantiknähe, im amerikanischen Südstaat Georgia. Sie hat aber nicht "Georgia on her mind", sondern - für ein Sachbuch - Gullah, ein Gemisch aus westafrikanischen Riten, Sprachen und geheimen Codes der Sklaven. Mehr noch interessiert sie allerdings ein Schweizer Feingeist: Carl Fenner fällt ihr schon am Flughafen auf. Er trägt poliertes Leder, greift nach Zigaretten mit einer "sehr gepflegten Hand", fädelt beim Sprechen elegant ein französisches "oh, mon Dieu!" ein, als hätte er mehrere Jahre Privatschule nebst speziellem Schweizer Knigge-Training absolviert. Kaum aber umgarnt ihn die schwüle, träge Luft der Stadt, scheint eine Verwandlung mit dem zarten Manne vorzugehen. Die Akkuratesse lässt einige Treffen später nach, eine leichte Schlampigkeit rückt ins Bild. Und obwohl wir nicht wissen, was uns dieser Schweizer angeht, beginnen wir uns für ihn zu interessieren.
Zora del Buono, Jahrgang 1962, selbst Schweizer Herkunft und Weltreisende mit Wohnanker in Berlin, füllt ihre zunächst etwas flachen Figuren nach und nach mit Hintergrundinformationen auf. Sie muss es auch - sonst würden wir die Vorgänge auf der kleinen, Savannah vorgelagerten Insel, die jener mysteriöse Fenner bewohnt, wohl kaum verstehen. Fenner, ein Kunsthistoriker, soll dort eigentlich die Baugeschichte einer Villa schreiben. Humphrey Island, benannt nach einem korrupten Weißen, der im neunzehnten Jahrhundert die Insel fruchtbar machen half, dann aber teuer an Weiße verkaufte statt wie gesetzlich vorgesehen billig an schwarze Einheimische, ist ein gespenstischer Ort.
Nachts hört Fenner Frauenseufzen aus dem Zimmer unter ihm. Männer wie Frauen scheinen dort Schlange zu stehen. Nie aber sieht er besagte Diva. Nur einmal hat er, mit einem gebastelten Fernrohr gewappnet, "sich rekelnde Beine" gesehen - "ungeheuer wohlgeformte Beine", "kräftig, eigentlich sogar dick, aber dennoch formvollendet und von blassester Noblesse, reinstes 17. Jahrhundert sei das, herrliches Fleisch in enormer Fülle, Waden wie die einer opulenten Putte, er dürfe sich das Gesäß dazu gar nicht vorstellen" - tut es aber ohne Unterlass. Die Ich-Erzählerin, auf Kontakte angewiesen, erlebt leicht angewidert, wie Fenner sich gar zu einem sexbesessenen Wesen verwandelt, das gern selbst jenen begehrten Frauenleib beglücken will. Ihr Name: Big Sue. Und sie ist wahrlich voluminös. Vielleicht sogar, mutmaßt die nach allen Seiten fleißig recherchierende Ich-Erzählerin, Opfer sogenannter "Feeder": Männer, die Frauen mit Essen anfüttern, um sich hernach in ihre Speckfalten zu wühlen, beruhigt, dass die Gemästete bald das Zimmer nicht mehr verlässt - die totale Abhängigkeit erzeugt hier erotischen Reiz. Tatsächlich bemerkt Fenner in der Villa regelmäßig Fressorgien. Oder ist "Big Sue" Zentrum eines religiösen Kults?
Gleich mehrere Erzählstränge werden hier recht originell miteinander verzwirbelt und auf ein klärendes, überraschendes Finale zugeschnitten. Das dunkle Thema Rassentrennung mischt sich mit Schweizer Vita, deren Blutsbande bis nach Humphrey Island führen. Fanatische amerikanische Christentumverehrer, die auf jener mysteriösen Insel einst unschuldige Dienstboten hängten, werden zu Bausteinen einer verfluchten Kette von Ereignissen, die aufgedeckt werden wollen - was der Ich-Erzählerin aus etwas unergründlich bleibender Motivation letztlich gelingt. Stunden verbringt sie im spärlichen Licht leerer Bibliotheksräume oder in ihrer eigenen, düsteren "introvertierten Bleibe". Mitunter trägt der Text schwer an seiner abenteuerlichen Verfugung und der häppchenweise gereichten Zusammenfassungen. Und doch ist es gerade die historische Last, die dem Roman und seinen extravaganten Figuren schließlich eine zweite Ebene einzieht.
Zora del Buonos Prosa überzeugt dennoch weniger im Arrangement, vielmehr atmosphärisch. Ohne ihre Schilderungen zu überdüngen, durchtränkt die Autorin ihren Roman mit jener regionalen schwülen Schläfrigkeit, welcher Fenner zusehends verfällt, während er zugleich immer quirliger, nervöser, verstörter wird. Wir sitzen mit der Ich-Erzählerin in der Mittagshitze auf einem der belebten Plätze, beschattet von mächtigen Sommermagnolien oder "Spanish Moos, silbern glänzende Pflanzenbündel von urtümlicher Gestalt, die von den Bäumen hingen, so tief, dass Eichen und Platanen wie beschützende große Geister mit zerfransten Frisuren über einem thronen". Und wir verfangen uns auch leicht in den Innenräumen, die Zora del Buono - lange Jahre Architektin - mit viel Liebe zum Detail beschreibt. Holzvertäfelte Wände werfen in der uralten Villa auberginefarbenes Licht, durch Jalousien fallen helle Streifen auf Handspiegel aus Silber, Bürsten, bunte Fläschchen und Dosen, alles wirkt seltsam museal, ein wenig wie in frühen Romanen Marguerite Duras'.
Und so folgt man meistens mit allen Sinnen der Aufbereitung jener dunklen Vergangenheit und ihren bizarren Gegenwartsausläufern, wenngleich alles etwas slapstickhaft endet, als würde die Autorin ihre kühn konstruierte Geschichte selbst ein wenig belächeln, unsicher, ob sie mehr das Rauschhafte oder das Biedere betonen soll. "Big Sue" ist eine Schnittmenge aus beiden, mit originellen Schattierungen und feinen Nuancen an deren sich überlappenden Rändern.
ANJA HIRSCH.
Zora del Buono: "Big Sue". Roman.
Mare Verlag, Hamburg 2010. 192 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Europäer geraten in den Bann einer alten Villa auf Humphrey Island: Zora del Buonos Roman ist durchtränkt von jener schwülen Schläfrigkeit, die so typisch ist für die amerikanischen Südstaaten.
Schreiben ist eine zwiespältige Angelegenheit. Vor allem, wenn es sich um Auftragsarbeit handelt. Da müssen einerseits sachlich Informationen vermittelt werden. Andererseits soll der Text lustvoll lesbar sein. Die Ich-Erzählerin in "Big Sue", dem zweiten Roman von Zora del Buono, Mitbegründerin der Zeitschrift "Mare", ist in ihrem Journalistenleben an einen faden Punkt angelangt. Japanische Selbstmörderinnen interessieren sie zwar - aber alles Ausformulierte ekelt sie an. Gelangweilt von der Redundanz ihrer eigenen Formulierungen, arbeitet sie deshalb als freischaffende Rechercheurin, als "Grundlagenermittlerin" - zur Zeit in Savannah, einer feuchtklimatisierten Stadt in Atlantiknähe, im amerikanischen Südstaat Georgia. Sie hat aber nicht "Georgia on her mind", sondern - für ein Sachbuch - Gullah, ein Gemisch aus westafrikanischen Riten, Sprachen und geheimen Codes der Sklaven. Mehr noch interessiert sie allerdings ein Schweizer Feingeist: Carl Fenner fällt ihr schon am Flughafen auf. Er trägt poliertes Leder, greift nach Zigaretten mit einer "sehr gepflegten Hand", fädelt beim Sprechen elegant ein französisches "oh, mon Dieu!" ein, als hätte er mehrere Jahre Privatschule nebst speziellem Schweizer Knigge-Training absolviert. Kaum aber umgarnt ihn die schwüle, träge Luft der Stadt, scheint eine Verwandlung mit dem zarten Manne vorzugehen. Die Akkuratesse lässt einige Treffen später nach, eine leichte Schlampigkeit rückt ins Bild. Und obwohl wir nicht wissen, was uns dieser Schweizer angeht, beginnen wir uns für ihn zu interessieren.
Zora del Buono, Jahrgang 1962, selbst Schweizer Herkunft und Weltreisende mit Wohnanker in Berlin, füllt ihre zunächst etwas flachen Figuren nach und nach mit Hintergrundinformationen auf. Sie muss es auch - sonst würden wir die Vorgänge auf der kleinen, Savannah vorgelagerten Insel, die jener mysteriöse Fenner bewohnt, wohl kaum verstehen. Fenner, ein Kunsthistoriker, soll dort eigentlich die Baugeschichte einer Villa schreiben. Humphrey Island, benannt nach einem korrupten Weißen, der im neunzehnten Jahrhundert die Insel fruchtbar machen half, dann aber teuer an Weiße verkaufte statt wie gesetzlich vorgesehen billig an schwarze Einheimische, ist ein gespenstischer Ort.
Nachts hört Fenner Frauenseufzen aus dem Zimmer unter ihm. Männer wie Frauen scheinen dort Schlange zu stehen. Nie aber sieht er besagte Diva. Nur einmal hat er, mit einem gebastelten Fernrohr gewappnet, "sich rekelnde Beine" gesehen - "ungeheuer wohlgeformte Beine", "kräftig, eigentlich sogar dick, aber dennoch formvollendet und von blassester Noblesse, reinstes 17. Jahrhundert sei das, herrliches Fleisch in enormer Fülle, Waden wie die einer opulenten Putte, er dürfe sich das Gesäß dazu gar nicht vorstellen" - tut es aber ohne Unterlass. Die Ich-Erzählerin, auf Kontakte angewiesen, erlebt leicht angewidert, wie Fenner sich gar zu einem sexbesessenen Wesen verwandelt, das gern selbst jenen begehrten Frauenleib beglücken will. Ihr Name: Big Sue. Und sie ist wahrlich voluminös. Vielleicht sogar, mutmaßt die nach allen Seiten fleißig recherchierende Ich-Erzählerin, Opfer sogenannter "Feeder": Männer, die Frauen mit Essen anfüttern, um sich hernach in ihre Speckfalten zu wühlen, beruhigt, dass die Gemästete bald das Zimmer nicht mehr verlässt - die totale Abhängigkeit erzeugt hier erotischen Reiz. Tatsächlich bemerkt Fenner in der Villa regelmäßig Fressorgien. Oder ist "Big Sue" Zentrum eines religiösen Kults?
Gleich mehrere Erzählstränge werden hier recht originell miteinander verzwirbelt und auf ein klärendes, überraschendes Finale zugeschnitten. Das dunkle Thema Rassentrennung mischt sich mit Schweizer Vita, deren Blutsbande bis nach Humphrey Island führen. Fanatische amerikanische Christentumverehrer, die auf jener mysteriösen Insel einst unschuldige Dienstboten hängten, werden zu Bausteinen einer verfluchten Kette von Ereignissen, die aufgedeckt werden wollen - was der Ich-Erzählerin aus etwas unergründlich bleibender Motivation letztlich gelingt. Stunden verbringt sie im spärlichen Licht leerer Bibliotheksräume oder in ihrer eigenen, düsteren "introvertierten Bleibe". Mitunter trägt der Text schwer an seiner abenteuerlichen Verfugung und der häppchenweise gereichten Zusammenfassungen. Und doch ist es gerade die historische Last, die dem Roman und seinen extravaganten Figuren schließlich eine zweite Ebene einzieht.
Zora del Buonos Prosa überzeugt dennoch weniger im Arrangement, vielmehr atmosphärisch. Ohne ihre Schilderungen zu überdüngen, durchtränkt die Autorin ihren Roman mit jener regionalen schwülen Schläfrigkeit, welcher Fenner zusehends verfällt, während er zugleich immer quirliger, nervöser, verstörter wird. Wir sitzen mit der Ich-Erzählerin in der Mittagshitze auf einem der belebten Plätze, beschattet von mächtigen Sommermagnolien oder "Spanish Moos, silbern glänzende Pflanzenbündel von urtümlicher Gestalt, die von den Bäumen hingen, so tief, dass Eichen und Platanen wie beschützende große Geister mit zerfransten Frisuren über einem thronen". Und wir verfangen uns auch leicht in den Innenräumen, die Zora del Buono - lange Jahre Architektin - mit viel Liebe zum Detail beschreibt. Holzvertäfelte Wände werfen in der uralten Villa auberginefarbenes Licht, durch Jalousien fallen helle Streifen auf Handspiegel aus Silber, Bürsten, bunte Fläschchen und Dosen, alles wirkt seltsam museal, ein wenig wie in frühen Romanen Marguerite Duras'.
Und so folgt man meistens mit allen Sinnen der Aufbereitung jener dunklen Vergangenheit und ihren bizarren Gegenwartsausläufern, wenngleich alles etwas slapstickhaft endet, als würde die Autorin ihre kühn konstruierte Geschichte selbst ein wenig belächeln, unsicher, ob sie mehr das Rauschhafte oder das Biedere betonen soll. "Big Sue" ist eine Schnittmenge aus beiden, mit originellen Schattierungen und feinen Nuancen an deren sich überlappenden Rändern.
ANJA HIRSCH.
Zora del Buono: "Big Sue". Roman.
Mare Verlag, Hamburg 2010. 192 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rausch oder Biedermeier? Dass sich Zora del Buono nicht entscheiden konnte, wohin ihre Geschichte tendiert, lässt Anja Hirsch beim Lesen von diesen Polen ab- und hinschweifen zu den feinen Nuancen und den Rändern des Romans. Hier trifft sie auf originelle Verknüpfungen von Erzählsträngen und eine zielgerichtete Dramaturgie, auf gewagte Themenmischungen und vor allem historische Tiefe, Atmosphäre! Die "schwüle Schläfrigkeit" und Sinnlichkeit der Orte und Figuren erinnern Hirsch an frühe Romane von Marguerite Duras.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Die Presse überschlug sich mit Lob zu Zora del Buonos Romandebüt CANITZ VERLANGEN:
"Was manchen Büchern an Handlung und innerer Notwendigkeit fehlt, hat
Zora del Buonos Buch im Überfluss. Unglaublich komprimiert, präzise und kühl
schreibt sich del Buono durch die Zeitgeschichte und auf das dramatische Ziel
zu." Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Canitz' Verlangen ist ein außerordentlich gelungener Debütroman." Die Welt
"Ein großer Wurf." Neue Zürcher Zeitung
"Das Buch ist außerordentlich. Es beschreibt ein dunkles Kapitel deutscher
Geschichte
ohne ein einziges moralisches Wort." Frankfurter Rundschau
"Was manchen Büchern an Handlung und innerer Notwendigkeit fehlt, hat
Zora del Buonos Buch im Überfluss. Unglaublich komprimiert, präzise und kühl
schreibt sich del Buono durch die Zeitgeschichte und auf das dramatische Ziel
zu." Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Canitz' Verlangen ist ein außerordentlich gelungener Debütroman." Die Welt
"Ein großer Wurf." Neue Zürcher Zeitung
"Das Buch ist außerordentlich. Es beschreibt ein dunkles Kapitel deutscher
Geschichte
ohne ein einziges moralisches Wort." Frankfurter Rundschau