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In den späten 1930er-Jahren gewährte ein neuer Highway an der Küste Kaliforniens erstmals einer breiteren Öffentlichkeit Zutritt zu einem einsamen Landstrich voller überwältigender Naturwunder: Big Sur. Angezogen von der Aura dieses schroffen, windumtosten Küstenstreifens, versuchten sich in der Folge namhafte Künstler wie Henry Miller, Joan Baez oder Jack Kerouac an einem Dasein in der Einsamkeit und erprobten einen Lebensstil, der heute kaum noch Aufsehen erregt, seinerzeit aber Wagemut und Pioniergeist erforderte: das Aufgehen im Naturerlebnis, Kontemplation und Konzentration aufs…mehr

Produktbeschreibung
In den späten 1930er-Jahren gewährte ein neuer Highway an der Küste Kaliforniens erstmals einer breiteren Öffentlichkeit Zutritt zu einem einsamen Landstrich voller überwältigender Naturwunder: Big Sur. Angezogen von der Aura dieses schroffen, windumtosten Küstenstreifens, versuchten sich in der Folge namhafte Künstler wie Henry Miller, Joan Baez oder Jack Kerouac an einem Dasein in der Einsamkeit und erprobten einen Lebensstil, der heute kaum noch Aufsehen erregt, seinerzeit aber Wagemut und Pioniergeist erforderte: das Aufgehen im Naturerlebnis, Kontemplation und Konzentration aufs Wesentliche. In seinem facettenreichen Porträt dieser mythischen Landschaft zeigt Jens Rosteck, wie Big Sur das Schaffen mehrerer Künstlergenerationen in einer Weise prägte, die bis heute Widerhall nicht nur in der amerikanischen Kultur erzeugt.
Autorenporträt
Jens Rosteck, 1962 geboren, lebte viele Jahre in Frankreich, wo er neben Essays zur Musik- und Literaturgeschichte eine Reihe von literarischen Biografien verfasste. Der promovierte Musikwissenschaftler, Kulturgeschichtler, Pianist und Autor wohnt heute im Badischen. Für mare schrieb er u.a. das Inselbuch »Mein Ibiza« (2013) sowie die viel beachteten Künstlerbiografien »Brel: Der Mann, der eine Insel war« (2016) und »Marguerite Duras: Die Schwester der Meere« (2018).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2020

Die Küste der Künstler
Jens Rosteck erkundet Big Sur in den Biografien seiner Bewohner
Big Sur sei kein Ort, sondern eine Gemütsverfassung. Das befindet Jens Rosteck nicht nur an einer Stelle seiner Hommage an den legendären kalifornischen Küstenstreifen. Seine Feststellung leuchtet unmittelbar ein. Big Sur lässt sich ohne Weiteres als Chiffre begreifen für jene friedliche, freiheitsliebende, experimentierfreudige Geisteshaltung, mit der insbesondere in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Künstler, empfindsame Käuze und andere schrullige Naturen am rauen Saum des sonnigen US-Bundesstaates auf die Suche nach sich selbst und existenziellen Wahrheiten gingen. Henry Miller, Jack Kerouac, John Steinbeck und Joan Baez gehörten dazu, Hunter S. Thompson oder die Beatles in ihrer Guru-Phase.
Warum sich die kreative Prominenz ausgerechnet an diesem Gestade herumtrieb, erklärt Rosteck unter anderem mit der Beschaffenheit der Region. Bis in die späten 1930er-Jahre war die wilde Schönheit Big Surs unzugänglich für die Allgemeinheit. Erst der Bau einer Schnellstraße, ein heute auch von Touristen viel befahrenes Teilstück des Highway One, erschloss den etwa 100 Kilometer langen, vom tosenden Pazifik und den steilen Hängen der Santa-Lucia-Berge begrenzten Landstrich zwischen San Simeon und Carmel. Big Sur lag fortan in Reichweite von San Francisco und Los Angeles und war aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten doch immer noch weitgehend abgeschnitten vom Rest Kaliforniens.
Die Aura eines gelobten Landes für Aussteiger auf der Suche nach alternativen Lebensformen umgibt Big Sur noch heute. Nur dass es keinen Mut oder Pioniergeist mehr erfordere, sondern längst dem Zeitgeist entspreche, sich zu Natur und Einsamkeit zu bekennen und zumindest für eine gewisse Zeit den materiellen Zwängen zu entsagen, so Rosteck. Das war Anfang der Sechzigerjahre anders, als betuchte, in indischer Spiritualität erfahrene Stanford-Kommilitonen das New-Age-Kongresszentrum Esalen gründeten, das schnell zum Luxus-Retreat mutierte und für einen Haufen Geld zu Selbstfindungsseminaren und zum Nacktbaden in heißen Quellen lud. Zur inspirierenden Aura Big Surs für Schriftsteller, Maler und Musiker kam der Ruf, ein Hippie Hangout zu sein, dem viele Besucher folgten.
Die touristische Entwicklung der Küste betrachtet Rosteck kritisch, aber auch mit einem gewissen Gleichmut. Big Sur habe es genauso überstanden, von Aussteigern, selbst ernannten Esoterikern und gescheiterten Intellektuellen überrannt zu werden wie es Erdrutsche überstanden hat. Dafür kämpften die Bewohner aber auch: Tankstellen sind heute Mangelware, Fast-Food-Ketten verboten und Stopps nur an bestimmten Punkten möglich.
Rosteck legt Spuren zu den ehemaligen Aufenthaltsorten berühmter und unbekannter Protagonisten, denen es sich bei einem Besuch in Big Sur zu folgen lohnt. Gleichzeitig ist seine Liebeserklärung an die Küste auch eine Einladung zum Armchair Travelling, zur Gedankenreise vom Lesesessel aus, nicht nur an den entlegenen Ort, sondern auch in jene entrückte Zeit. Deren Kolorit fängt er mit viel Sympathie für die an ihrem Bewusstsein herumdokternden Utopisten ein, die sich aus heutiger Sicht doch allzu leicht als naiv belächeln ließen. Doch besonders verbunden ist der Autor mit den tatsächlich in Big Sur sesshaft Gewordenen. Denen, die es geschafft haben, sich dauerhaft niederzulassen in diesem „Niemandsland“, wie er schreibt, „in dem nur die Elemente zu Hause zu sein scheinen und kein sterbliches Wesen je eine echte Heimat findet“. Denn der Große Süden – so die Übersetzung des englisch-spanischen Namens, eine Referenz an die Zeit spanischer Herrschaft und das Intermezzo Kaliforniens als mexikanische Provinz – entfaltet eine gewaltige physische Präsenz, die sich der Vereinnahmung durch den Menschen widersetzt. Big Sur soll kein Ort, sondern ein Zustand sein? Das handfeste Gegenteil erlebten viele, die hierher kamen, in Bretterverschlägen ohne Strom und fließend Wasser hausten, Stürmen trotzten und in der Eintönigkeit ihres beschwerlichen Alltags langsam durchdrehten – aber wenigstens eine grandiose Aussicht aufs Meer genossen.
Doch wo anfangen und wo aufhören, ohne sich im Beliebigen und Anekdotischen zu verzetteln, wenn man, so der Untertitel des Bandes, „Geschichten einer unbezähmbaren Küste“ erzählen will? Wo Henry Miller nach wilden Jahren zu innerer Ruhe fand und mehrere Ehefrauen verschliss. Oder Joan Baez mit Bob Dylan im Jaguar-Cabrio durch die Canyons preschte. Jack Kerouac in einer feuchten Holzhütte ohne Fensterscheiben ins Delirium tremens fiel. Hunter S. Thompson nackt bis auf eine Sonnenbrille seine ersten Reportagen schrieb, im Nebenjob die heißen Quellen von Esalen bewachte und von Störenfrieden verprügelt wurde, die sich auf dem Privatgelände ein illegales Bad gönnen wollten.
Rosteck entschied sich für eine Herangehensweise als Sammler auf Streifzügen in die Kulturgeschichte und setzt das große Gesamtbild einer Seelenlandschaft aus vielen einzelnen Teilen, aus Biografien, Filmen und Songs zusammen. Letzteren gilt ein besonderes Augenmerk des promovierten Musikwissenschaftlers. Mit dem Video zu Alanis Morissettes Ballade „Big Sur“ steigt er ein, an der er den lockeren Grundton lobt, die leichte, in sich ruhende Art der Erzählung – womit er auch den Sound seiner eigenen Sprache vorgibt. Und so, wie Morissette in ihrem Song die großen Big-Sur-Geister vertraut mit Vornamen anruft und sich dadurch bei ihnen einreiht, stehen sie auch über Rostecks Kapiteln: Alanis, Henry, Joan oder Liz.
„Big Sur“ ist lehrreich und unterhaltsam, so kenntnisreich wie leidenschaftlich geschrieben. Und am Ende versteht man das Außergewöhnliche dieser Küste: Es ist der Ort, der die Menschen formt, nicht umgekehrt.
JOCHEN TEMSCH
Jens Rosteck:
Big Sur.
Geschichten einer
unbezähmbaren Küste.
Mareverlag,
Hamburg 2020.
256 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Günther Wessel lässt sich gern von Jens Rosteck in den kalifornischen Nationalpark Big Sur entführen, der heute vielleicht von Touristen gut besucht sein mag, aber einst die Sehnsuchtsdestination der Aussteiger war. Lyriker und Fundamentalökologen verschlug es hierhier, Henry Miller, Hunter S. Thompson und Ravi Shankar. Von ihnen erzählt Rosteck, wie der Rezensent beteuert, in "glänzend formulierten" Essays, die ihm aber auch wunderbar das grandiose Naturerlebnis dieses Ortes vermitteln.

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