In den 1970er Jahren gab es an westdeutschen Hochschulen heftige politische Debatten um die Frage, worin die ›Praxisrelevanz‹ eines Studiums zu bestehen habe. Das Projekt einer permanenten Studienreform schlief in den 1980ern ein, ohne dass die Probleme gelöst waren. Zwanzig Jahre lang geschah nichts. Mittlerweile haben wir den ›Bologna-Prozess‹, der Kriterien wie mehr ›Praxis-‹ und ›Berufsorientierung‹ins Zentrum einer Reorganisation des Studiums stellt. Er ist jedoch eher von politischem Desinteresse begleitet. Warum? Weil durch die technokratische Art und Weise, wie sich auf ›Praxis‹ bezogen wird, alle möglichen Kontroversen und gesellschaftlichen Konflikte, die in diesem Begriff schlummern, entsorgt werden. Stattdessen wird so getan, als könne man ›berufsorientierend‹ als eine Art technisches Gütesiegel auf neu geschnitzte Studiengänge draufkleben. Das Studienheft versucht, diese Debatte zu repolitisieren - und sie dadurch erst zu einer fruchtbaren zu machen. Das funktioniert nur, wenn die Situation der Hochschule in die großen gesellschaftlichen Kontroversen um die Zukunft des Bildungssystems insgesamt eingeordnet wird. Angesichts der Intellektualisierung der gesellschaftlichen Arbeit (Schlagwort ›Wissensgesellschaft‹) sind etwa Fragen der Studienreform ebenso mit denen der traditionellen beruflichen Bildung wie mit denen der öffentlichen Schulen verknüpft. Wenn es folglich der vorliegenden Publikation gelingt, ein Denken in Widersprüchen, Konflikten und Alternativen - gegen das vorherrschende betriebswirtschaftliche ›Einheitsdenken‹ - wieder stärker zu ermöglichen, ist ihr Zweck erfüllt.