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Fast 100 Kinder konnte das Ehepaar Grossmann über mehr als 30 Jahre, von der Geburt an bis heute, wissenschaftlich begleiten und beobachten. Schon als Säugling binden wir uns an die Eltern, die uns versorgen und schützen. Ob es aber gelingt, eine sichere Bindung zu entwickeln, hängt von der Qualität der Erfahrungen mit Mutter und Vater ab. Und davon hängen wiederum unsere Erwartungen über die Reaktionen anderer Menschen ab, wenn wir deren Unterstützung brauchen. Wie die Forschungsergebnisse zeigen, führen positive Erfahrungen mit beiden Eltern zur Bereitschaft, verläßliche, vertrauensvolle…mehr

Produktbeschreibung
Fast 100 Kinder konnte das Ehepaar Grossmann über mehr als 30 Jahre, von der Geburt an bis heute, wissenschaftlich begleiten und beobachten. Schon als Säugling binden wir uns an die Eltern, die uns versorgen und schützen. Ob es aber gelingt, eine sichere Bindung zu entwickeln, hängt von der Qualität der Erfahrungen mit Mutter und Vater ab. Und davon hängen wiederum unsere Erwartungen über die Reaktionen anderer Menschen ab, wenn wir deren Unterstützung brauchen. Wie die Forschungsergebnisse zeigen, führen positive Erfahrungen mit beiden Eltern zur Bereitschaft, verläßliche, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Bereits in den ersten Lebensjahren wird das Fundament für Freundschaften, Partnerschaften und den rücksichtsvollen sozialen Umgang mit anderen gelegt.

Der Bindungsprozeß und die Entstehung psychischer Sicherheit wird von seinen frühen Anfängen ebenso dargestellt wie der Einfluß von Bindungen bei Erwachsenen und im hohen Lebensalter.

"Bilanzierende Bewertung: Karin und Klaus Großmann haben ein monumentales Werk vorgelegt, das man nur mit schlechtem Gewissen besprechen kann. ... Man steht vor einer riesigen Schatztruhe, die zu reich gefüllt ist, um eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Deshalb kann es nur einen guten Rat geben: greift selbst hinein!"
Kurt Eberhard (www.agsp.de, Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie, Jan. 2005)
Autorenporträt
Karin und Klaus E. Grossmann bei Klett-Cotta: Bindung und menschliche Entwicklung
Mit Karl Heinz Brisch / Lotte Köhler (Hrsg.): Bindung und seelische Entwicklungswege
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Wenn Kinder keine Probleme machen
Die lebenslangen Bindungsforschungen des Ehepaars Grossmann / Von Eberhard Rathgeb

Eine Frau trifft einen Mann. Der Mann sieht gut aus, und die Frau sieht gut aus, die beiden finden sich also gut. Und weil es schon so gut angefangen hat, werden sie denn auch die Nacht miteinander verbringen. Und noch eine Nacht und noch eine Nacht. Doch dann, eines Morgens, zieht sich der Mann seine Hose und sein Hemd an und zieht sich seinen Hut auf, schnürt seine Schuhe und zieht von dannen, und die Frau knüllt sich in das Bettlaken und hüllt sich in die Frage, wieso der Mann nicht bei ihr bleibt, sondern abhaut. Hier schreiten wir ein. Wir sagen nicht, daß der Mann mit dem Hut halt eben mal hier und dann halt eben mal dort seine Triebe treiben läßt. Wir erklären der Frau mit den schönen Hüften, daß der Mann mit dem Hut wahrscheinlich Bindungsängste hat.

John Bowlby wurde 1907 geboren, und nachdem er der Pionier der Bindungsforschung geworden war, starb er 1990. Er studierte Medizin und ließ sich in Kinderpsychiatrie und in Psychoanalyse ausbilden. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, baute er die Abteilung Kinderpsychotherapie in der Tavistock Clinic in London auf. Sein erstes Buch veröffentlichte er 1946. Darin beschäftigt er sich mit vierundvierzig jugendlichen Dieben und ihrer seelischen Entwicklung, die schiefgelaufen war. Zwölf Jahre später hatte er die Arbeiten von Konrad Lorenz kennengelernt, und darauf legte er die Grundlage seiner Bindungstheorie mit einem Aufsatz über die Bindungen zwischen Mutter und Kind. Öffentlich trug er seine Ideen in der Britischen Psychoanalytischen Gesellschaft vor, in der man darüber reihenweise die alles wissenden Köpfe schüttelte. Bowlby war ein Abtrünniger, er hielt nicht einmal den Ödipuskomplex fest. Er wurde berühmt. Seine großen Studien über Bindung, Trennung und Verlust liegen seit langem auf deutsch vor. Was kann man da noch für die Bindungstheorie tun?

Vor fünfzig Jahren waren Bowlbys Annahmen revolutionär: Das Kind trägt wie manche andere Lebewesen auch das biologische Potential in sich, Bindungen einzugehen. Wenn es gelingt, daß ein Kind stabile Bindungen herausbildet, dann ist das für seine Entwicklung hilfreich. Karin Grossmann und Klaus E. Grossmann haben ein Forscherleben lang die Bindungstheorie empirisch erforscht - sie machten Langzeitstudien an Familien und ihren Kindern. Ihre Forschungsergebnisse und die Forschungsergebnisse anderer Bindungsforscher haben sie nun in einem dicken Buch zusammengetragen, aus dem wir auch erfahren, daß nicht nur die Mutter für die Bindungsentwicklung des Kindes wichtig ist, sondern auch der Vater.

Das empirische Material wird vorsichtig ausgewertet, die Zusammenhänge zwischen einer gelungenen frühkindlichen Bindungsentwicklung und einer gelungenen lebenslangen Bindungsgeschichte liegen nicht in allen Fällen auf der Hand, aber in vielen Fällen nahe. Die Sprache des Ehepaares Grossmann ist erfreulich schlicht und behutsam - innerlich stehen sie auf der Seite der Kinder, nicht auf der Seite der Eltern, die ihre Kinder ja gerne bei Bedarf einfach verlassen, um auf die Glückspiste zu gehen. Die Schwierigkeiten der Eltern, die Bindungsangebote der Kinder angemessen zu erfüllen, erwachsen nicht in allen Fällen aus der Absicht, das eigene Behagen dem Wohl der Kinder vorzuziehen - sondern in den meisten Fällen aus Bindungsstörungen der Eltern, zu denen es in ihrer Kindheit kam.

Für Eltern ist das Buch des Ehepaares Grossmann wahrscheinlich zu langwierig, für Studenten der Psychologie ist das Buch wahrscheinlich zu dick. Wahrscheinlich wird nur der Erwachsene das Buch lesen, der sich mit der empirischen Überprüfung einer Theorie befassen möchte, die - unmittelbar einleuchtet. Die Tatsache, daß die Bindungstheorie unmittelbar einleuchtet, begleitet einen durch die ganze Lektüre des Buches hindurch. Wer Kinder hat, der weiß, daß John Bowlby etwas erkannt hatte, was Vater, Mutter, Kind spüren - sofern Vater und Mutter nicht ganz dessen entbehren, was das Ehepaar Grossmann "Feinfühligkeit" nennt. Wer in seinem Leben eine Beziehung zu einem Mädchen oder eine Beziehung zu einem Jungen eingegangen ist und später eine Beziehung zu einer Frau oder eine Beziehung zu einem Mann und dabei "feinfühlig" war, der spürte, daß er in diesen Bindungen nicht frei war, sondern nach einem internen Arbeitsmodell vorging, in dem seine bisherigen Bindungserfahrungen verarbeitet worden sind. Wie nun aber der Erwachsene jene für eine glückliche Bindungsgeschichte notwendige Feinfühligkeit lernen kann - dazu kann das Ehepaar Grossmann nichts Entscheidendes sagen. Die ganze schöne Literatur aber steckt ja voller Bindungsprobleme, weshalb wir sagen müssen, daß der vom Bindungsleben bestraft wird, der nicht endlich mit dem Lesen der schönen Literatur anfängt.

Wir selbst hätten gerne mehr über die Entwicklung von Bindungen in Familien mit mehreren Kindern erfahren, denn auch für weniger feinfühlige Menschen, die zu Vätern und Müttern werden, muß es auf der Hand liegen, daß es Bindungsunterschiede zwischen den Eltern und ihrem Erstgeborenen einerseits und den Eltern und dem, sagen wir, dritten oder vierten Kind andererseits gibt. Auch können wir uns Familien vorstellen, in denen beide, die Mutter und der Vater, berufstätig sind, was ja in den meisten Fällen so ist, weil das Geld hinten und vorne nicht mehr reicht und die Kinder in frühen Jahren schon in den Kindergarten gehen müssen und nachmittags von einer anderen Person betreut werden, bis die Eltern endlich wieder nach Hause kommen und ihren Elternpflichten nachgehen. Von den Schwierigkeiten der Bindungen in zusammengesetzten Familien, in sogenannten Patchwork-Familien, ganz zu schweigen, obwohl auch dieses Problem uns interessiert. So können wir uns Familien vorstellen, in denen unterschiedlich viele Kinder von unterschiedlichen Vätern - in den meisten Fällen bleiben bei Trennungen die Kinder bei den Müttern, die sich in einigen Fällen nach neuen Vätern umsehen - zusammengewürfelt leben, sagen wir, ein, zwei, drei Kinder von einem Vater, der nicht mehr bei den Kindern wohnt, und ein, zwei, drei Kinder von einem anderen Vater, der in der Patchwork-Familie lebt. Da entsteht ein verzwicktes Bindungsgeflecht - ein Bindungsgeflecht von einem immensen Schwierigkeitsgrad, das beim Ehepaar Grossmann als Studienobjekt nicht dargestellt wird. Für Bindungsforscher bleibt noch eine Menge zu tun.

Von traumatisierten Kindern ist beim Ehepaar Grossmann auch nicht die Rede. Wenn wir alle Fälle, die uns einfallen, auflisten würden, alles Fälle, die besondere Ausgangslagen für die Bindungsgeschichten der Kinder sind - und so individuell wie die Väter und Mütter mit ihren Bindungserfahrungen -, dann geraten wir darüber ins Grübeln, was mit der empirischen Überprüfung einer Theorie gewonnen ist. Die empirische Überprüfung kann eben nur einen winzig kleinen Durchschnittskreis erfassen - so winzig klein, daß man ihn nicht einmal sehen würde, wenn nicht Forscher daraus eine Gruppe von Fällen gemacht hätten, über die nachzudenken der eingeforderte Knicks der unerschöpflichen Empirie vor der erschöpfenden Methode ist.

Bedrückend ist, daß ein so großer Aufwand an Forschungsleistung nötig sein soll, um etwas zu bestätigen, was selbst ein Wink der Natur zwischen Kind und Mutter und Kind und Vater ist und als ein solcher Wink von jeder Mutter und jedem Vater wahrgenommen wird - vorausgesetzt, es handelt sich bei beiden nicht um dumpfe Klötze, sondern um lebendige Seelen. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, daß die einfachsten natürlichen Ausdrucksformen des Lebens - wie eben: eine Bindung zu seinem Kind aufzunehmen mit all der Feinfühligkeit, über die man gebietet, und mit all der Feinfühligkeit, in die man vielleicht noch hineinfinden kann - zu den kompliziertesten natürlichen Ausdrucksformen des Lebens geworden sind, weil nur noch halbtote Seelen herumlaufen. Die Psychologisierung des Lebens, die der Soziologe Arnold Gehlen schon vor vierzig Jahren feststellte, hat die Last der gelebten Nichtswürdigkeiten nicht von den Seelen geräumt, sondern dort noch aufgetürmt. Die verlorene Natur braucht offenbar nun Forschungsbeistand, um über die Runden zu kommen.

Karin Grossmann und Klaus E. Grossmann: "Bindungen - das Gefüge psychischer Sicherheit". Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004. 672 S., geb., 42,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Psychologenpaar Karin Grossmann und Klaus E. Grossmann arbeitet seit Jahrzehnten zum Thema Bindung, hat unter anderem "Langzeitstudien an Familien und ihren Kindern" unternommen. Die Ergebnisse allerdings findet Eberhard Rathgeb ein wenig enttäuschend. Zum einen deshalb, weil sie im Grunde bestätigen, was man sich schon denken konnte, etwa, dass "Zusammenhänge zwischen einer gelungenen frühkindlichen Bindungsentwicklung und einer gelungenen lebenslangen Bindungsgeschichte" bestehen. Außerdem bedauert der Rezensent, dass in der empirischen Überprüfung "eben nur ein winzig kleiner Durchschnittskreis" erfasst wird. Es folgen Schlussbetrachtungen zum Thema "Feinfühligkeit" und "halbtote Seelen", die mit dem besprochenen Buch aber nur noch am Rande zu tun haben.

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