Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2003Weniger einfallsreich
DEUTSCHER BUNDESTAG. Der Lauf der Welt erschließt sich nur dem, den ein erinnerungsstarker Mitmensch auf die vorausgegangenen Namen hinweist. Dies läßt sich an den Bezeichnungen für die Bundestagsausschüsse erkennen. Der Auswärtige Ausschuß heißt zwar noch immer so wie vor über fünfzig Jahren, obwohl sich gerade auf seinem Feld Umwälzendes getan hat. In der ersten Wahlperiode (1949 bis 1953) gab es aber außerdem einen "Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen". Um zu wissen, worum es dort ging, muß man heute im Lexikon nachschlagen. Was meinte genau der "Ausschuß für Wiedergutmachung" oder der "zum Schutz der Verfassung"? Daß vom EVG-Ausschuß mit dem allumfassenden Wort "siehe" auf den Verteidigungsausschuß hingewiesen wird, dessen Geschichte erst Mitte der zweiten Legislaturperiode begann, muß dann offenbar nach Meinung der Herausgeber als Erläuterung reichen. So allerdings wird Band 3 des Biographischen Handbuchs nur für jene Heutigen brauchbar, die noch mit den Namen Fritz Erler, Ernst Majonica, Erich Mende und Carlo Schmid etwas anzufangen wissen. Man muß schon lange in den Bänden 1 und 2 (F.A.Z. vom 20. September 2002) suchen, bis sich neben der politischen Bedeutung der Genannten der Volltext des Kürzels EVG erschließt. Auch sonst ist diesmal die Fleißarbeit weniger einfallsreich geleistet worden als in den vorausgegangenen Bänden. Beim Verteidigungsausschuß ist nicht vermerkt, ob und wann er sich jeweils zugleich als Untersuchungsausschuß betätigt hat, und insgesamt sind die Untersuchungsausschüsse nach Artikel 44 des Grundgesetzes nicht erfaßt worden, zumindest nicht als besondere Gattung, deren Glieder allerdings vollkommen unabhängig voneinander sind. Ein paar Worte hätte auch der "Ausschuß für die Frage des Sitzes der Bundesorgane (Hauptstadtausschuß)" verdient. Um welche Stadt ging es denn da? Berlin - ist falsch. Das beigefügte Datum "1. Wahlperiode, letzte Sitzung: 3. 11. 1949" mag für die Generation der Autoren und Rezensenten das Rätsel lösen. Nur für die ist das Buch nicht gemacht, sondern hoffentlich für viele, viele junge Leser, auch im Ausland. (Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst : Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002. Unter Mitarbeit von Bruno Jahn. Band 3: Zeittafel, Verzeichnisse, Ausschüsse. Verlag K.G. Saur, München 2003. 639 Seiten, 148,- [Euro].)
G.H.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
DEUTSCHER BUNDESTAG. Der Lauf der Welt erschließt sich nur dem, den ein erinnerungsstarker Mitmensch auf die vorausgegangenen Namen hinweist. Dies läßt sich an den Bezeichnungen für die Bundestagsausschüsse erkennen. Der Auswärtige Ausschuß heißt zwar noch immer so wie vor über fünfzig Jahren, obwohl sich gerade auf seinem Feld Umwälzendes getan hat. In der ersten Wahlperiode (1949 bis 1953) gab es aber außerdem einen "Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen". Um zu wissen, worum es dort ging, muß man heute im Lexikon nachschlagen. Was meinte genau der "Ausschuß für Wiedergutmachung" oder der "zum Schutz der Verfassung"? Daß vom EVG-Ausschuß mit dem allumfassenden Wort "siehe" auf den Verteidigungsausschuß hingewiesen wird, dessen Geschichte erst Mitte der zweiten Legislaturperiode begann, muß dann offenbar nach Meinung der Herausgeber als Erläuterung reichen. So allerdings wird Band 3 des Biographischen Handbuchs nur für jene Heutigen brauchbar, die noch mit den Namen Fritz Erler, Ernst Majonica, Erich Mende und Carlo Schmid etwas anzufangen wissen. Man muß schon lange in den Bänden 1 und 2 (F.A.Z. vom 20. September 2002) suchen, bis sich neben der politischen Bedeutung der Genannten der Volltext des Kürzels EVG erschließt. Auch sonst ist diesmal die Fleißarbeit weniger einfallsreich geleistet worden als in den vorausgegangenen Bänden. Beim Verteidigungsausschuß ist nicht vermerkt, ob und wann er sich jeweils zugleich als Untersuchungsausschuß betätigt hat, und insgesamt sind die Untersuchungsausschüsse nach Artikel 44 des Grundgesetzes nicht erfaßt worden, zumindest nicht als besondere Gattung, deren Glieder allerdings vollkommen unabhängig voneinander sind. Ein paar Worte hätte auch der "Ausschuß für die Frage des Sitzes der Bundesorgane (Hauptstadtausschuß)" verdient. Um welche Stadt ging es denn da? Berlin - ist falsch. Das beigefügte Datum "1. Wahlperiode, letzte Sitzung: 3. 11. 1949" mag für die Generation der Autoren und Rezensenten das Rätsel lösen. Nur für die ist das Buch nicht gemacht, sondern hoffentlich für viele, viele junge Leser, auch im Ausland. (Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst : Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002. Unter Mitarbeit von Bruno Jahn. Band 3: Zeittafel, Verzeichnisse, Ausschüsse. Verlag K.G. Saur, München 2003. 639 Seiten, 148,- [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Rezensent mit dem Kürzel G.H. beklagt, dass zuviel Vorwissen bei der Lektüre dieses Handbuchs vorausgesetzt wird. Gerade bei jüngeren Lesern könnten einige Verständnisprobleme auftreten. Das Buch ist nach Ansicht des Rezensenten nur für diejenigen "brauchbar, die noch mit den Namen Fritz Erler, Ernst Majonica, Erich Mende und Carlo Schmid etwas anzufangen wissen" - was den Kreis der potentiellen Leser ja gewaltig einschränke, und das, obwohl das Buch interessante Themen behandele, die EVG-Verträge etwa oder die Hauptstadtfrage in der Nachkriegszeit. G.H. führt das Manko des Buches darauf zurück, dass Hintergrundinformationen fehlen und "die Fleißarbeit weniger einfallsreich geleistet worden ist als in den vorangegangenen Bänden".
© Perlentaucher Medien GmbH
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