B Kritische Biologie aktueller als je zuvor S Adolf Portmann (1897-1982) war Professor für Zoologie, Leiter der zoologischen Universitätsanstalt und Rektor an der Baseler Universität. Sein langes Forscherleben war vor allem der Morphologie gewidmet, den Phänomenen der lebendigen Gestalt. Biologische Termini wie "Selbstdarstellung" und "Innerlichkeit" sind mit seinem Namen verbunden. Wesentlich war ihm die besondere Qualität des Lebendigen gegenüber der unbelebten Natur. Portmann war ein scharfer Kritiker der Pläne, den Menschen zu "verbessern", ob durch Selektion, Manipulation oder sonstige Arten des Zugriffs. Seine Argumente gegen die "Menschenzüchter" sind von einer beklemmenden Aktualität, denn mehr als je zuvor erscheint heute die planmäßige Veränderung der menschlichen Erbsubstanz technisch möglich. Die Kritik Portmanns beschränkt sich dabei nicht auf ethische und moralische Überlegungen. Es ist durchaus auch die Kritik des Biologen, der die Erfolgsmeldungen der Evolutions biologen, Genetiker und Verhaltensforscher nicht akzeptieren kann. Wo sie behaupten, man kenne jetzt die genetische Ursache oder den "Sinn", nämlich Selektionsvorteil, eines komplexen Verhaltens oder einer organischen Struktur, da stellt Portmann zuallererst die Frage: Was wissen wir darüber eigentlich? Die Kritik der Simplifikateure, der "großzügigen Erklärungen" ist es, die Portmanns Überlegungen heute so bedeutsam macht. Die Abwehr ideologisch aufgeblähter Biologismen ist heute nötiger denn je. Denn hören wir nicht täglich von Expertenseite, dass gentechnologische Eingriffe in lebendiges Erbgut völlig harmlos seien, weil man den Vorgang mit allen Konsequenzen sicher beherrsche? Ob gentechnisch veränderte Petunien oder die Diagnose von Erbkrankheiten, die Wissenschaft behauptet genau zu wissen, was sie tut. Adolf Portmanns gezielte Fragen haben wir heute nötiger denn je. Der vorliegende Band "Biologie und Geist" umfasst 14 Vorträge. Er erschien erstmals 1956.