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"Biosecurity" - hinter diesem Schlagwort verbirgt sich ein komplexes sicherheitspolitisches Konzept, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in vielen Schattierungen Eingang in unseren Alltag gefunden hat. Die Kulturwissenschaftlerin und Ärztin Petra Dickmann beleuchtet die Bedrohung durch biologische Waffen und möglichen Missbrauch biomedizinischen Wissens im Hinblick auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. Ihre Analyse wirft ein Schlaglicht auf die biopolitischen Hintergründe der Debatten und beschreibt, wie entsprechende Restriktionsversuche zu einer asymmetrischen…mehr

Produktbeschreibung
"Biosecurity" - hinter diesem Schlagwort verbirgt sich ein komplexes sicherheitspolitisches Konzept, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in vielen Schattierungen Eingang in unseren Alltag gefunden hat. Die Kulturwissenschaftlerin und Ärztin Petra Dickmann beleuchtet die Bedrohung durch biologische Waffen und möglichen Missbrauch biomedizinischen Wissens im Hinblick auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. Ihre Analyse wirft ein Schlaglicht auf die biopolitischen Hintergründe der Debatten und beschreibt, wie entsprechende Restriktionsversuche zu einer asymmetrischen Kommunikation führen, die letztlich eine filigrane Militarisierung des öffentlichen Forschungssektors nach sich zieht.
Autorenporträt
Dickmann, PetraPetra Dickmann (Dr. med., Dr. phil.) ist Research Fellow an der London School of Economics and Political Science (LSE).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klingt ziemlich unheimlich, was Manuela Lenzen hier als Resümee ihrer Lektüre präsentiert. Es wird immer mehr an Erregern geforscht, die als Biowaffe denkbar wären - damit man die nötigen Gegengifte ermitteln kann. Die Resultate der Forschung werden zensiert, damit sie nicht in die Hände von Terroristen geraten. Genau diese Zensur aber, so die Rezensentin, erscheint in den Ausführungen Dickmanns gerade als Problem - weil so der Öffentlichkeit jede Kontrolle über die Forschung entgleitet. Und dies hat alle möglichen Konsequenzen: etwa die Militarisierung der Forschung bei gleichzeitig abnehmender Transparenz der Vergabe von Mitteln. Gleichzeitig erahren wir von Lenzen, die das Buch nachdrücklich zur Lektüre empfiehlt, dass hochgefährliche Gifte im Alltag (etwa in Form von Zierplanzen) kursieren und nur in der richtigen Weise zerstäubt werden müssen, um gewaltigen Schaden anzurichten. Oh je, wohin sollen wir auswandern?

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2012

Das gefährliche Wissen, dass es geht und wie es geht
Selbstzensur und schleichende Militarisierung: Petra Dickmann zeigt Risiken der biomedizinischen Forschung auf

Die Forscher wollten die Infektionsgefahr des Vogelgrippevirus H5N1 besser verstehen - und bauten einen Supervirus, der zwischen Säugetieren übertragbar ist. Das amerikanische National Institute of Health hatte die Arbeit gefördert, doch als die Forscher die Ergebnisse bei "Science" und "Nature" einreichten, bat die amerikanische Regierung die Wissenschaftsmagazine, keine Details zu veröffentlichen. Begründung: Die Ergebnisse könnten von Terroristen missbraucht werden. Die Herausgeber entsprachen der Bitte widerwillig - die wichtigen Erkenntnisse dürften der wissenschaftlichen Community nicht vorenthalten werden.

"Dual Use" heißt das Problem: Forschung, die betrieben wird, um die Übertragungswege von Infektionskrankheiten zu klären, Impfstoffe zu entwickeln oder bioterroristische Angriffe abzuwehren, generiert zugleich Wissen, das für terroristische Zwecke missbraucht werden kann. Doch weder Publikationsverbote noch Listen mit "restricted persons", denen der Zugang zu den Laboratorien verwehrt wird, seien die richtige Antwort, meint Petra Dickmann, die an der London School of Economics über Risikokommunikation und Biosicherheit forscht. Mit einem Publikationsverbot werde dem wissenschaftlichen Arbeitsprozess ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung entzogen, und der wissenschaftlichen Gemeinschaft werde die Möglichkeit der Risikobewertung und der Diskussion von Präventionsmaßnahmen genommen. Nur weil Wissenschaftler dezentral auf Datenbanken zugreifen konnten, sei es möglich gewesen, die Infektionskrankheit Sars 2003 so effizient zu bekämpfen, schreibt Dickmann. Vermutlich habe sogar erst die Zensur der Informationen über den Ausbruch in China zur Pandemie geführt.

Am Leitfaden des Dual-Use-Problems zeichnet Dickmann die Diskussion um die Biosicherheit von der ersten Selbstzensurerklärung der Herausgeber wissenschaftlicher Magazine im Jahre 2003 über einen Rückblick in die lange Geschichte der Biowaffen bis in die Gegenwart nach. Die Etats der Forschungsbereiche, die mit hochgefährlichen Organismen befasst sind, steigen rasant und auf Kosten der allgemeinen Gesundheitsforschung, beklagt die Autorin, die öffentliche Kontrolle des dort produzierten Wissens aber werde immer schwieriger und es zeichne sich eine schleichende Militarisierung der Forschung ab. An Beispielen wie der Aerosolherstellung und der "bioterroristischen Relevanz von Zierpflanzen" zeigt Dickmann auf, wie wenig sich biologische Waffen mit Kontrollmechanismen und Ausfuhrverboten, die für die Atomtechnologie entworfen wurden, unter Kontrolle halten lassen: Ein effizienter Weg, hochinfektiöse Keime zu verbreiten, ist die Luft.

Dazu muss eine Lösung mit Erregern so fein zerstäubt werden, dass diese in die Lunge eindringen können. Das ist technisch nicht einfach, doch die dazu erforderlichen Geräte sind frei zugänglich, denn sie werden in der Landwirtschaft zur Ausbringung von Pestiziden genutzt. Das hochgiftige Rizin ist im Pressrückstand, der bei der Herstellung von Rizinusöl anfällt, enthalten; der Rizinstrauch ist unter der Bezeichnung "Wunderbaum" eine gängige Zierpflanze. Botulinumtoxin, eines der stärksten bekannten Gifte, wird in Medizin und Kosmetik verwendet. Fachleute halten die weltweite Jahresproduktion für "bedenklich". Es gehe hier nach Ansicht Dickmanns nicht um Uran-Schmuggel. Was eine biologische Waffe ist, definiert weniger das Material als ein "intangible": das Wissen, dass es geht und wie es geht. Statt auf das Material konzentrieren sich Biosicherheitsexperten deshalb nicht nur auf die Erreger, sondern auf den Kontext.

Wie leicht sind sie zu bekommen und zu verbreiten? Welche Reaktionen sind zu erwarten, wenn es zu Infektionen kommt? Und sie konzentrieren sich auf die Forscher, bemühen psychologische und polizeiliche Überprüfungen. Ihr Schreckbild ist der terroristische "Schläfer". Doch die Verschiebung der Aufmerksamkeit von gefährlichen Erregern auf vielleicht gefährliche Personen, die mit ihnen arbeiten, wird leicht zu einem Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Die angemessene Antwort auf eine solche restriktive Biopolitik sei eine Diskussion über die gesellschaftlichen Vorstellungen von Sicherheit und eine Risikokommunikation, die vor dem Notfall stattfindet und die Menschen in die Lage versetzt, sich adäquat zu verhalten. Eine vorläufige Antwort, wie die Autorin betont. Am neuen H5N1 könnten wir schon mal üben.

MANUELA LENZEN

Petra Dickmann: "Biosecurity". Biomedizinisches Wissen zwischen Sicherheit und Gefährdung.

Transcript Verlag, Bielefeld 2011. 237 S., br., 29,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein sehr lesenswertes Buch.« Christof Potthof, GID, 220/10 (2013) »Die, gerade im deutschsprachigen Raum, viel zu selten geführte Diskussion oft genutzter aber selten reflektierter Begriffe macht das Buch lesenswert.« Gunnar Jeremias, Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 4 (2012) Besprochen in: Wissenschaft & Forschung, 1 (2012) Ethik in der Medizin, 24 (2012), Birgit Beck Deutschlandfunk, 20.02.2012, Jochen Steiner Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.04.2012, Volker Stollorz Wiener Zeitung, 03.04.2012 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.05.2012, Manuela Lenzen Servus TV, 18.10.2012 SWR1, 25.01.2021