Jamal Tuschick erzählt von ungleichen Zwillingsbrüdern: Der Ich-Erzähler wächst bei seinen Eltern in Kassel auf, Kaiman, der Bruder, bei seinen Großeltern im Schwäbischen. Der Roman beginnt mit der Schilderung des kleinbürgerlich-proletarischen Kasseler Milieus, der Jugendgang um den sagenhaften »Lord«, den Ausbruchsversuchen des Erzählers, seinen ersten sexuellen Erfahrungen. Kaimans Jugend dagegen war behütet, er wurde frühzeitig auf eine bürgerliche Existenz vorbereitet, die er ohne Selbstzweifel durchlebt: »Er hat in Mailand zu Mittag gegessen.«
Im Vergleich erscheint das Leben des Ich-Erzählers unstet. Immer steht er kurz vor einem Absturz. Er stolpert von einer Beziehungskatastrophe in die nächste, stets im Bewußtsein der überlegenheit des Bruders: »Ihm gehört alles.«
Im Vergleich erscheint das Leben des Ich-Erzählers unstet. Immer steht er kurz vor einem Absturz. Er stolpert von einer Beziehungskatastrophe in die nächste, stets im Bewußtsein der überlegenheit des Bruders: »Ihm gehört alles.«
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ein "schöner Poproman" hätte es werden können, ein einspuriger Roman ist es geworden, meint Rezensent Gustav Mechlenburg. Anlässlich eines Familienfestes lässt Jamal Tuschicks Ich-Erzähler die letzten dreißig Jahre Revue passieren, und was dabei herauskommt, so unser Rezensent, ist die "schonungslose Selbstdarstellung eines Zweitklassigen". Denn der Ich-Erzähler sei vollkommen "unauffällig und glanzlos" und nur deshalb "unangepasst", weil "er den Anschluss verpasst hat". Also, folgert der Rezensent, an und für sich "ein reizvoller Ich-Erzähler" - der seine Bedeutungslosigkeit damit kompensiert, dass er zum Räsonierer wird, in dessen scharfem Blick ein "provinzielles Kasseler Panorama mit asozialem Einschlag" entsteht. Doch das "rundumschlagende Allesverstehen" des Helden nimmt keine konstruktiven Formen an, klagt Mechlenburg, im Gegenteil, es wächst sich aus zu einer "konsequenten Ablehnung jeglicher Lebensentwürfe", die schon "ans Krankhafte grenzt". Dem Leser bleibe nichts anderes übrig, als zuzuschauen, wie "die jugendliche Untüchtigkeit zu vergrübelter Übellaunigkeit" werde, denn es ändere sich, von der wachsenden Ratlosigkeit einmal abgesehen, nichts. Schade um Tuschicks "wunderbare Kurzcharakterisierungen", lesen wir: Das Buch krankt an der übermäßigen "Konsequenz in der Erfüllung der Charakterzüge seines Helden". "Ein wenig mehr Schmackes", schließt der Rezensent, und das Buch hätte "schön ätzend" werden können - ist es aber nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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