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Kein anderer Staatsmann des 19. Jahrhunderts hat seine Epoche so tiefgreifend geprägt wie Bismarck. Prägnant und facettenreich porträtiert Hans-Christof Kraus nicht nur den Politiker, sondern auch den Menschen mit all seinen Lichtund Schattenseiten.
Otto von Bismarck (1815-1898) zählt bis heute zu den faszinierendsten und zugleich umstrittensten Gestalten der deutschen und europäischen Geschichte: Doch wer war dieser Mann eigentlich? Was hat er erreicht, worin liegt seine Größe? Aber auch: Was hat er falsch gemacht, und was bleibt am Ende von ihm und von der Zeit, der er seinen Stempel…mehr

Produktbeschreibung
Kein anderer Staatsmann des 19. Jahrhunderts hat seine Epoche so tiefgreifend geprägt wie Bismarck. Prägnant und facettenreich porträtiert Hans-Christof Kraus nicht nur den Politiker, sondern auch den Menschen mit all seinen Lichtund Schattenseiten.

Otto von Bismarck (1815-1898) zählt bis heute zu den faszinierendsten und zugleich umstrittensten Gestalten der deutschen und europäischen Geschichte: Doch wer war dieser Mann eigentlich? Was hat er erreicht, worin liegt seine Größe? Aber auch: Was hat er falsch gemacht, und was bleibt am Ende von ihm und von der Zeit, der er seinen Stempel aufgedrückt hat? Souverän und ausgewogen urteilend geht Hans-Christof Kraus diesen und anderen Fragen nach. Kenntnisreich und spannend schildert er das Leben und die politische Karriere einer fast gescheiterten Existenz, die schließlich das Deutsche Reich gründete. Ausführlich zeigt der Autor aber auch die Kehrseite der politischen Größe Bismarcks, und gibt jenen politischen Gegenspielern ihre Stimme wieder, die durch Bismarcks selbst forcierten Nachruhm in der Geschichtsschreibung lange unterschätzt wurden.
Autorenporträt
Hans-Christof Kraus, geboren 1958, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie in Göttingen. Seit 2007 ist er Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in der deutschen und englischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, der Geschichte der Politik, der Verfassungsgeschichte, der politischen Ideengeschichte sowie in der Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2015

Steuermann und Wellenreiter
Wissenschaftliche Früchte zu Otto von Bismarcks zweihundertstem Geburtstag

An Büchern über Bismarck herrscht auf den ersten Blick kein Mangel. In gewisser Weise steht die Figur des Reichsgründers dabei geradezu am Beginn einer Renaissance des biographischen Genres, die in der Geschichtswissenschaft lange Zeit als ausgeschlossen galt. Lothar Galls klassisch gewordene Biographie, ein Meisterwerk nüchterner Reflexion, das den "weißen Revolutionär" im Titel führt, rehabilitierte 1980 jedoch nicht nur die Auseinandersetzung mit historischen Persönlichkeiten. Zugleich entzog sie Bismarck jener politisch-ideologischen Instrumentalisierung, die sich seit dem 19. Jahrhundert unablässig zwischen Bewunderung und Verachtung, Apotheose und Verdammnis bewegt hatte. Wobei der Untergang des Deutschen Reichs im Zweiten Weltkrieg die Tendenz zur Dämonisierung noch beförderte.

Von solchen weltanschaulichen Großdebatten sind wir heute weiter entfernt denn je. Die Neuerscheinungen zu Bismarcks 200. Geburtstag, deren Zahl bezeichnend überschaubar ist, fragen denn auch weniger nach dem Genialischen beziehungsweise Dämonischen, sondern nach den Widersprüchen einer Persönlichkeit, in der unterschiedliche Rollenbilder nebeneinander existieren: Preuße und Reichsgründer, Christ und Kulturkämpfer, Landjunker und Shakespeare-Verehrer, Hüne und Hypochonder.

Wer ein stimmiges Bismarck-Porträt erwartet, das einzelne Nuancen betont, ohne die Hell-dunkel-Kontraste über Gebühr zu strapazieren, ist mit der Biographie von Hans-Christof Kraus hervorragend bedient. Er erzählt die Geschichte von Bismarcks Leben hübsch der Reihe nach, stets abgewogen und anschaulich: von der unglücklichen Kindheit und den wilden Studienjahren über den Eintritt in die Politik und die frühe diplomatische Karriere bis hin zur Berufung zum preußischen Ministerpräsidenten, der Reichsgründung und den innen- wie außenpolitischen Herausforderungen der 1870er und 1880er Jahre.

Dabei weiß Kraus nur zu gut, dass der Historiker weder zum Richter noch zum Henker taugt. Er kennt Bismarcks Schwächen, er weiß um seine Grenzen, etwa mit Blick auf die unnachgiebige Haltung gegenüber Katholiken und Sozialdemokraten. Er ist mit Bismarcks Rachsucht und Egoismus, gewissermaßen die Kehrseite seiner unbändigen Willenskraft, peinlich vertraut, und er zögert nicht, "politische Fehleinschätzungen" unumwunden zu benennen, etwa die Isolierung Frankreichs nach 1871, die die europäische Ordnung dauerhaft belastete und die Blockbildung vorantrieb. Aber er scheut sich, den Stab über Bismarck zu brechen. Nicht verurteilen will er den "Eisernen Kanzler", sondern ihn in ganz traditionellem Sinn verstehen, die Beweggründe seines Handelns entschlüsseln und das Handeln selbst an den Möglichkeiten und Bedingungen der Epoche messen. Vor diesem Hintergrund werden auch Bismarcks Leistungen deutlicher, etwa beim Aufbau des Sozialstaats, den Kraus als "einmalige Pionierleistung" bewertet, oder bei jener "aktiven europäischen Friedenspolitik", die sich ebenso durch taktische Finesse wie durch diplomatische Flickschusterei auszeichnete.

Es wird Leser geben, die ein solches Buch, ohne modisches Vokabular, ohne denunziatorische Aufgeregtheit, ohne pseudo-journalistischen Gegenwartsbezug, schlichtweg für altmodisch halten, für den Versuch, Bismarcks Leben und Werk mit dem methodischen Rüstzeug des Kaiserreichs zu rekonstruieren, für ein gleichsam neorankeanisches Glasperlenspiel. Die unaufgeregte Haltung, mit der Kraus seinem Helden begegnet, der distanzierte Blick, mit dem er Bismarcks politisches Handeln betrachtet, es weder verdammt noch verherrlicht, setzt sie bereits im voraus ins Unrecht. Wenn Kraus, in enger Tuchfühlung mit den Quellen, etwa schildert, wie sich Bismarck in den 1850er Jahren Schritt für Schritt von seinen hochkonservativen Anfängen entfernte, wie sein Denken pragmatischer und zugleich unbefangener wurde, wie die adlige Prinzipienreiterei zunehmend einer realpolitischen Betrachtungsweise wich, dann entsteht ein feinziseliertes Bild von Bismarcks Gedankenwelt. Differenzierung tut wohl.

Dem würde Christoph Nonn, der Bismarck in seiner Biographie ungleich stärker mit übergeordneten Tendenzen der Zeit zu verbinden sucht, gewiss nicht widersprechen. Allerdings ist Nonn nicht darauf bedacht, Zuspitzungen zu vermeiden, und um große Thesen ist er gleichfalls nicht verlegen. Wo Kraus gediegen zu Jacob Burckhardts "Weltgeschichtlichen Betrachtungen" greift, um das Phänomen historischer Größe zu erwägen, ist der Fall für ihn bereits abgeschlossen: "Bismarck war kein Genie. Er war ein begabter Diplomat und als Innenpolitiker leidlich erfolgreich." Pardon wird nicht gegeben. Was Nonns Biographie dennoch lesenswert macht, ist indes weniger seine Neigung zu eindeutigen Urteilen als der durchaus sympathische Ansatz, Bismarck, soweit es geht, zu relativieren, sein Denken und Handeln im europäischen Kontext zu betrachten, seine Politik mit der eines Disraeli in Großbritannien, eines Cavour in Italien zu vergleichen. Manch vermeintlich außergewöhnliche Leistung Bismarcks, etwa die Art und Weise, wie er den deutschen Nationalstaat zuwege brachte, erscheint in dieser Perspektive kaum spektakulär, eher als überfällige Annäherung an ein europäisches Modell denn als geniale Tat eines einzelnen Mannes. "Bismarck war stets eine Hebamme historischer Ereignisse, nicht ihr Schöpfer", umschreibt Nonn, in einem leicht schiefen Bild, das, was Bismarcks eigener Wahlspruch ungleich lapidarer, auch eleganter zum Ausdruck bringt: "Fert unda nec regitur", die Welle trägt, aber sie ist nicht beherrschbar. Bismarck selbst standen die Grenzen seiner Macht nur zu deutlich vor Augen. Auch Relativierung tut wohl.

An anderer Stelle freilich lässt Nonn alle Vorsicht fahren. Bismarcks latenter Antisemitismus ist gewiss kein schönes, wenn auch keineswegs unbekanntes Kapitel dieses Lebens. Und Nonn beschreibt es, was moralisch legitim ist, in den düstersten Farben, gleichsam die Rampe von Auschwitz vor Augen. Ob Bismarck aber am Ende tatsächlich einen Staatsstreich plante, um das Parlament auszuschalten, die antisemitische Bewegung gegen die Liberalen zu mobilisieren, und so beinahe eine "bürgerkriegsähnliche Situation" heraufbeschwor, "mit Hunderten, ja Tausenden von Todesopfern", darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Wenig überzeugend ist schließlich auch Nonns Versuch, manche Parallelen zur heutigen Situation herauszustellen. Bismarcks Schutzzollpolitik hat mit der angeblich "nationalegoistischen Wirtschaftspolitik", mit deren Hilfe die Bundesrepublik eine "einseitige Förderung der deutschen Exporte" bezwecke, kaum etwas gemein. Und ob prognostische Fähigkeiten der Geschichtswissenschaft ausreichen, um Lehren aus dem Kaiserreich insoweit auf den arabischen Frühling zu beziehen, als "Phasen eines schnellen Übergangs von der Agrar- in die Industriegesellschaft" geradezu gesetzmäßig "alles andere als optimale Bedingungen für eine politische Modernisierung" bilden, steht dahin.

Ganz in den Vordergrund rückt der Gegenwartsbezug hingegen in Tilman Mayers Sammelband, der Bismarck zwar als "Monolith" apostrophiert, insgesamt jedoch ein angenehm-vielgestaltiges Bild des Jubilars entwirft. Die einzelnen Aufsätze, zum Teil bereits an anderer Stelle veröffentlicht, reichen thematisch von Bismarcks Regierungsstil über die Verfassung des Kaiserreichs bis zur Wiedervereinigung 1989/90. Mit Bismarck, so Mayer, seien "beispielhaft Maßstäbe gesetzt worden, die heute, wo man sich eher im Klein-Klein gefällt, vielleicht schwer auszuhalten sind". Die Frage freilich, welche Maßstäbe das im Einzelnen sind und für wen sie gelten sollen, bleibt unbeantwortet und wird auch durch den Beitrag von Peter März, der die Regierungspraxis von Bismarck, Bülow, Adenauer und Kohl vergleicht, nicht greifbarer. Dessen ungeachtet vermag Hans Fenske die modernen Elemente in der Verfassung des Norddeutschen Bundes, auf die Bismarck persönlich Einfluss nahm, herauszustellen. Werner Plumpe unterstreicht die Folgerichtigkeit, mit der die Sozialpolitik seit den 1870er Jahren zu neuen Ufern aufbrach, und Michael Stürmer nutzt seinen Rückblick für einen Weckruf in Richtung Geopolitik. Bismarck, so bemerkt Kanzleramtschef Peter Altmaier im Geleitwort ein wenig burschikos, sei "ein Mann von heute, nicht von gestern". Wäre das wahr, bestünde Anlass zur Sorge. Warum wir beruhigt sein können, zeigen die wissenschaftlichen Früchte dieses Jubiläumsjahres zur Genüge. Man begeht stille Feste.

CARSTEN KRETSCHMANN

Hans-Christof Kraus: Bismarck. Größe - Grenzen - Leistungen. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2015. 330 S., 19,95 [Euro].

Christoph Nonn: Bismarck. Ein Preuße und sein Jahrhundert. C. H. Beck Verlag München 2015. 400 S., 24,95 [Euro].

Tilman Mayer (Herausgeber): Bismarck: Der Monolith. Reflexionen am Beginn des 21. Jahrhunderts. Osburg Verlag, Hamburg 2015. 365 S., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hans-Christof Kraus hat laut Carsten Kretschmann eine Biografie zu Bismarck vorgelegt, die sich sehen lassen kann. Chronologisch, stimmig und ohne allzu starke Kontrastierungen, scheint dem Rezensenten das Buch dennoch die Schwächen Bismarcks nicht zu verhehlen. Dass der Autor politische Fehler benennt, ohne den Stab über den Staatsmann zu brechen, sondern indem er Bismarcks Handeln differenziert und eng entlang der Quellen an den Möglichkeiten seiner Zeit misst, hält Kretschmann für eine gute Idee. Wer allerdings "modisches" Vokabular, Denunziatorik und Gegenwartsbezug sucht, der wird bei Kraus nicht fündig, meint der Rezensent.

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»Wer ein stimmiges Bismarck-Porträt erwartet, das einzelne Nuancen betont, ohne die Hell-dunkel-Kontraste über Gebühr zu strapazieren, ist mit der Biographie von Hans-Christof Kraus hervorragend bedient... Es wird Leser geben, die ein solches Buch, ohne modisches Vokabular, ohne denunziatorische Aufgeregtheit, ohne pseudo-journalistischen Gegenwartsbezug, schlichtweg für altmodisch halten... Die unaufgeregte Haltung, mit der Kraus seinem Helden begegnet, der distanzierte Blick, mit dem er Bismarcks politisches Handeln betrachtet, es weder verdammt noch verherrlicht, setzt sie bereits im voraus ins Unrecht... Ein feinziseliertes Bild von Bismarcks Gedankenwelt.« Carsten Kretschmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.3.2015 »Hans-Christof Kraus führt durchweg kompetent in Leben und Werk ein. Und sein Buch gewinnt zuletzt noch durch eine Qualifikation, die in Teilen des deutschen Wissenschaftsbetriebs seltsamerweise oft als Makel gesehen wird: Er kann unterhaltsam schreiben.« Christoph Nonn, Historische Zeitschrift, Oktober 2015 »In einem großen Wurf arbeitet der Passauer Geschichtsprofessor Hans-Christof Kraus Erfolge wie auch Fehlschläge des Reichsgründers heraus.« Mark-Christian von Busse, Hessische/Niedersächsische Zeitung, 28.3.2015 »Mit bezwingender Klarheit arbeitet Kraus die Überlegung heraus, von denen Bismarck sich leiten ließ.« Patrick Bahners, Cicero Literaturen, März 2015