Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 0,83 €
  • Broschiertes Buch

Im Amerika der fünfziger und sechziger Jahre, in der Ära Kennedys und Martin Luther Kings, spielt dieser Roman. J. C. Oates erzählt von zwei Familien, den weißen Courtneys und den schwarzen Fairchilds. Beide streben den sozialen Aufstieg an, sind aber letztendlich gezwungen, ums nackte Überleben zu kämpfen.
Als eines Tages die Schülerin Iris Courtney auf dem Nachhauseweg von einem stadtbekannten Herumtreiber belästigt wird, eilt ihr der junge Schwarze Jinx zu Hilfe. Bei der Prügelei erschlägt er versehentlich den Hooligan und wirft ihn in den Fluß. Keiner weint dem Toten eine Träne nach,
…mehr

Produktbeschreibung
Im Amerika der fünfziger und sechziger Jahre, in der Ära Kennedys und Martin Luther Kings, spielt dieser Roman. J. C. Oates erzählt von zwei Familien, den weißen Courtneys und den schwarzen Fairchilds. Beide streben den sozialen Aufstieg an, sind aber letztendlich gezwungen, ums nackte Überleben zu kämpfen.

Als eines Tages die Schülerin Iris Courtney auf dem Nachhauseweg von einem stadtbekannten Herumtreiber belästigt wird, eilt ihr der junge Schwarze Jinx zu Hilfe. Bei der Prügelei erschlägt er versehentlich den Hooligan und wirft ihn in den Fluß. Keiner weint dem Toten eine Träne nach, auch die Polizei interessiert sich nicht für den Fall. Iris und Jinx jedoch bleiben durch ihr Geheimnis miteinander verstrickt. Vergessen können sie einander nie, auch wenn sich ihre Wege trennen und jeder auf seine Weise versucht, das Erlebte zu verarbeiten und zu verdrängen.
Autorenporträt
Joyce Carol Oates, geb. 1938 in Lockport (NY), zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre zahlreichen Romane und Erzählungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. Joyce C. Oates lebt in Princeton, New Jersey, wo sie Literatur unterrichtet. Im Jahr 2012 erhielt sie den Blue Metropolis Literary Grand Prix.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.1995

Trotzköpfchen beißt sich durch
Glückwunsch: Joyce Carol Oates legt ihren zwanzigsten Roman vor

Joyce Carol Oates' kaninchenhaftem Fleiß, mit dem ihre Übersetzer kaum Schritt halten können, verdanken wir in guten Jahren bis zu vier Bücher. Kein Milieu, kein Genre, nichts Menschliches scheint ihr fremd: nicht die Campus-Geschichte noch die Gothic Novel, weder neonaturalistische Sozial- noch Frauenromane. Sie hat behäbige Familiensagas, Gedichte, Dramen und einen Essay über Boxen geschrieben. Nicht ausgelastet mit ihren Creative-Writing-Seminaren, wirft sie sich neuerdings unter dem Schutz eines Pseudonyms sogar auf Psychothriller, in denen sie ihrem landestypischen Aggressionspotential noch hemmungsloser Abfuhr verschaffen kann.

Dabei kommt sie immer wieder auf ihre autobiographisch fundierten Leib-Themen zurück: die Entmythologisierung des amerikanischen Traums, Ablöse- und Trennungsprozesse im Spannungsfeld zwischen Mann und Frau, Weiß und Schwarz, Arm und Reich. Dreimal hat sie seit 1986 den von Scheitern, Verlusten oder wenigstens Entfremdung bedrohten Emanzipationskampf von Mädchen aus der weißen Unterschicht beschrieben. "Mein Werk", sagt sie, "ist voller Lebensgeschichten, die meine hätten sein können." "Marya", "You Must Remember This" und auch ihr zwanzigster Roman, "Because It Is Bitter, and Because It Is My Heart" aus dem Jahr 1990 - ein Stephen-Crane-Zitat, das nicht einmal irreführend als "Bitterkeit des Herzens" eingedeutscht wurde -, lassen sich in diesem Sinne als biographisches Triptychon lesen: Die Adoleszenzkrisen junger Mädchen sind Lebensentwürfe einer Autorin, die sich selber aus tristen Verhältnissen in die helle Welt von Princeton emporgeschrieben hat.

"Bitterkeit des Herzens" ist, trotz mancher Geschwätzigkeit und Zugeständnissen an die Kolportage, vermutlich das beste Buch der drei. Joyce Carol Oates verknüpft, wie so oft durch eine Gewalttat, die Schicksale eines weißen Mädchens und eines schwarzen Jungen zu einem über weite Strecken einfühlsam erzählten Panorama der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre. Es ist die Zeit der beginnenden Bürgerrechtsbewegung, die Ära Kennedys. Die Mechanismen der Diskriminierung werden subtiler, die Rassenschranken durchlässiger; das stachelt nur die Ungeduld der selbstbewußter werdenden Schwarzen und den Fanatismus weißer Hillbillies an.

Jinx Fairchild ist Oates' Martin Luther King, "der Typ von Negerjunge, mit dem jeder, der für die Rassenintegration ist, zusammensein möchte". Ausgerechnet dieser friedfertige und vernünftige Sechzehnjährige tötet einen weißen, halb schwachsinnigen und gänzlich verrohten Herumtreiber, der Iris Courtney, einen Teenager aus der Kleinstadt Hammond im Norden des Bundesstaats New York, in einer Aprilnacht belästigt und bedroht hat: Little Red Garlock ist mit seiner unüberbietbar schweren Jugend ein biblisches Schlachtopfer wie aus einem Dostojewski-Roman.

Jinx, der ritterliche Mörder, wehrt den Dank und die spröden Annäherungsversuche der Geretteten unwirsch ab. Und doch verbindet die beiden von nun an ein dunkles Geheimnis, ein Gespinst aus Schuld und Sühne, Scham und verquerem Trotz. Ihre Lebenslinien berühren sich immer wieder, im Schulbus, im Kino, auf der Straße und noch mehr in Gedanken. Allein, sie können zusammen nicht finden: Zu groß sind, bei aller schicksalhaften Verbundenheit, die sozialen und emotionalen Unterschiede zwischen dem "dressierten Affen" und seinem "puppenhaften weißen Schwesterchen". Jinx, der Stolz seiner Mutter Minnie, bricht seine Highschool-Ausbildung ab, als ein Sportunfall den Hoffnungen auf eine Basketball-Karriere ein jähes Ende setzt. Er geht in die Fabrik, dann zur Armee; nur in Vietnam sind alle gleich vor dem Tod.

Iris dagegen gelingt der Ausbruch aus desolaten Familienverhältnissen. Sie heiratet in eine vom Glück begünstigte Dynastie von Akademikern ein, deren Patriarchin sie nicht versteht, aber adoptiert. In der ungleich turbulenteren Beziehung zwischen Iris und ihrer Mutter Persia, einer Schlampe vom Zuschnitt einer Medea, gelingen Oates kraftvolle Passagen, die an Faulkner, wenigstens an Dreiser gemahnen. Persias Todeskampf ist freilich nur ein verkitschter Alkoholikertraktat, und die lichte Welt reicher, europäisch gebildeter Kunsthistoriker gerät zu einem klischeehaften Sittengemälde, das eher an Dickens' Weihnachtsfrömmigkeit erinnert als an die Surrealisten, deren ästhetische Maximen die Savages so ostentativ beschwören.

Überhaupt ist Oates erzählerisch durchaus konventionell und politisch allzeit korrekt. Natürlich kommen bei ihr Mütter und Töchter besser, jedenfalls differenzierter weg als die Männer, und so wie ihre Iris kümmert sich auch die Autorin rührend um die schwarzen Dienstboten in der Küche. Aber sie unterschlägt nicht die Deformationen und Defekte, die den Underdogs aller Rassen, Klassen und Geschlechter aus ihrer Lage erwachsen. Getreu der Devise des Fotografen Leslie, die Welt nicht durch das Kameraobjektiv, sondern durch das mitfühlend irisierende Menschenauge zu sehen, hält sie dabei mit ihren Sympathien und Botschaften so wenig hinterm Berg, daß es der eingestreuten Signale "metaphysischen Hungers" und der unermüdlich gestellten Kunst- und Menschheitsfragen gar nicht mehr bedurft hätte.

Im Gegenteil. Immer dort, wo Joyce Carol Oates ihren skrupulösen Detailrealismus zugunsten des engagierten Melodrams aufgibt und zu moralisieren beginnt, streift sie die Grenze zur intellektuellen Mädchen- und Märchenliteratur. Dann beißt sich Trotzköpfchen durch. Lustlos läßt Iris sich vom Prinzen in seinem Schloß wachküssen; ihr Herz aber wird immer für ihr unglückliches schwarzes Brüderlein schlagen. MARTIN HALTER

Joyce Carol Oates: "Bitterkeit des Herzens". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Rüdiger Hipp. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1994. 414 S., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr