Produktdetails
- Goldmann Taschenbücher
- Verlag: Goldmann
- Gewicht: 308g
- ISBN-13: 9783442443772
- ISBN-10: 3442443776
- Artikelnr.: 24015638
Hart, hart, hart: Walter Mosley kämpft sich durch Los Angeles
Es gibt sie noch, die Stereotypen aus der kriminalliterarischen Dutzendware von vorgestern. Der irgendwo bellende Hund, die zu einem heiseren Flüstern gesenkte Stimme oder der Verbrecher aus verlorener Ehre, der von sich sagt, daß er im Knast ganz schön hart geworden sei - für den New Yorker Autor Walter Mosley haben sie sich noch nicht erledigt. "Weißte, ich bin im Knast ganz schön hart geworden", raunt ein Gangster in Mosleys neuem Roman "Black Betty", und wenn es hart auf hart geht, heißt es: "Die Hitze im Raum verwandelte sich in puren Haß."
Easy Rawlins, schwarzer Privatdetektiv und Held des Romans, der in den frühen sechziger Jahren in Los Angeles spielt, ist Experte in Sachen Härte und Haß. Er hat den Auftrag, eine Vermißte zu finden, und gerät dabei - erwartungsgemäß - in Schwierigkeiten. Es wird reichlich intrigiert, gelogen und geschossen, aber der Held ist darauf vorbereitet; das Leben auf der Straße hat ihn hart gemacht: "Unter anderem", erklärt er, "lernt man auf der Straße, daß man einen Tritt in den Hintern bekommt, wenn man einen höflichen Diener macht." Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr, jedenfalls in der südkalifornischen Unterwelt. Easy Rawlins ist so hartgekocht und abgebrüht, daß ihm selbst ein Kuß zur "Lippenrangelei" gerät.
Das harte Leben ist nämlich auch an den Frauen nicht spurlos vorübergegangen - "ein hartes Leben macht ein Mädchen schneller zur Frau, als es schwanger werden kann", verkündet der Ich-Erzähler. Zur Rauhbeinigkeit seiner Lebensphilosophie paßt die Sentimentalität, der er sich in den Feuerpausen hingibt. Dann sinniert er über das Wesen des Whiskeys: "Whiskey ist etwas Lebendiges und hat alle Gefühle in sich, zu denen ein Mensch nur fähig ist: zu Liebe, zu einem Lachen aus der Tiefe der Seele und zu einer Brüderlichkeit, wie sie sonst nur Nationen zusammenschweißt." Hier kommt der klebrige Kern des harten Burschen zum Vorschein.
Walter Mosley hat seinen Helden Easy Rawlins als empfindsamen Zyniker anzulegen versucht. Entstanden ist dabei nur die Figur eines reifen Idioten, der sich um Kopf und Kragen redet, sobald er den Mund aufmacht: "Vögel, versteckt in dem morschen Gestrüpp, klangen wie Menschen, die erdrosselt wurden", berichtet der Detektiv. Wenn er den Blick aufs Meer richtet, fällt ihm ein: "Der Ozean wälzt sich heran wie ein großes Tier auf Wanderschaft." Ist es an der Zeit, etwas Tiefschürfendes zu äußern, doziert er: "Hoffnung ist die schlimmste Form des Träumens." Und weil er, wie sein Whiskey, etwas Lebendiges ist und alle Gefühle in sich hat, zu denen ein Mensch nur fähig ist, ruft er einem Freund mit brechender Stimme nach: "Er war mehr als ein Freund und hatte mir häufiger das Leben gerettet, als für einen Mann gut war. Er war die dunkle Rückseite des Mondes."
Nach seinen Einsätzen in Mosleys Romanen "Teufel in Blau", "Roter Tod" und "Der weiße Schmetterling" tritt Easy Rawlins in "Black Betty" bereits zum vierten Mal in Erscheinung; weitere Romane sollen folgen und Mosleys schwarze Los-Angeles-Chronik vervollständigen. Da sich das Konzept auf dem Buchmarkt bewährt hat, ist nicht zu erwarten, daß der zu internationalem Prestige gelangte Autor sich in Zukunft größere Mühe geben wird. In Los Angeles wird sich voraussichtlich auch weiterhin die Hitze wie ein großes Tier auf Wanderschaft in puren Haß verwandeln. Irgendwo wird ein Hund bellen wie ein Mensch, der erdrosselt wird, und mit einer Stimme, die er zu einem heiseren Flüstern gesenkt hat, wird Easy Rawlins wiederholen, daß Hoffnung die schlimmste Form des Träumens sei. GERHARD HENSCHEL
Walter Mosley: "Black Betty". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dietlind Kaiser. Albrecht Knaus Verlag, München 1996. 352 S., geb., 39,80 DM.
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