As we inhabit the heads of several key characters - some kids who have it, some who don't, some who are about to get it - what unfolds isn't the expected battle to fight the plague, or bring heightened awareness of it, or even to treat it.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.05.2011Geborgen im Nichts
„Black Hole“ von Charles Burns: Ein tiefschwarzer Comic über die Krankheit Jugend
Die Seuche ist nicht weiter erklärlich in ihrer Ursache, sie trifft die amerikanischen Teenager in ihrer aufregendsten Zeit, gegen Ende der Schulzeit. Teenager-Pest wird sie genannt, oder the bug. Sie ist erstaunlich variantenreich, auf grausam subtile Weise, in ihren körperlichen Auswirkungen, die einen haben plötzlich dicke Pusteln und Beulen im Gesicht, anderen wachsen Schwimmhäute zwischen den Fingern, einer entwickelt einen kleinen zweiten Mund am Hals, der wie ein Bauchredner-Dummy das Geschehen kommentiert, eine andere hat ein Schwänzchen am Po. Aber die Symptome waren zweitrangig, heißt es, aber wer „es“ einmal hatte, wurde „es“ nie wieder los. Übertragen wird „es“ durch den Sex.
Das klingt böse moralisch, aber der geniale Autor und Zeichner Charles Burns hat alles andere als Moral im Sinn mit seinem großen Comic-Roman „Black Hole“. Elf Jahre hat er daran gearbeitet, von 1993 bis 2004, zwölf Einzelbände, die eine unglaubliche stilistische und erzählerische Konsequenz aufweisen sind erschienen. Hauptberuflich arbeitete er in dieser Zeit auch als Grafiker mit großer Palette, für Coca Cola oder TIME und The New Yorker oder Iggy Pop. Seit einiger Zeit wird „Black Hole“ für die Verfilmung vorbereitet, für die Regie war mal David Fincher genannt, ein Drehbuch hat der Comic-Kollege Neil Gaiman geschrieben.
A horror romance nennt Burns sein Buch, und es könnte der schwärzeste Comic der letzten Dekaden sein – über die aufregendste und leerste, die traurigste und verletzlichste Zeit des Lebens, die man heutzutage beschwichtigend gern coming of age nennt. Mitte der Siebziger, in einem Suburb von Seattle, ein paar Teenager sitzen die letzten Schulstunden durch, sie verspüren frühe sexuelle Impulse, konsumieren Alkohol und Drogen, treffen sich auf nächtlichen Feten und zu bizarren Ritualen, versuchen sich der elterlichen Kontrolle zu entziehen und dem erstickenden bürgerlichen Ambiente. Eins der Bücher, die in dieser Generation gelesen werden, ist von Jack Kerouac, „The Subterraneans“, mit seinen irren, lebensverrückten Menschen, die „brennen, brennen, brennen“ wie sprühendes Feuerwerk.
Es ist die Zeit, da die Kids den eigenen Körper entdecken, die eigene Körperlichkeit, und, damit eng verbunden, die ersten Alpträume, in denen Deformierung, Zerstörung und Tod die Hauptrolle spielen. Die Zeit, da die Kids sich selbst monströs finden und den anderen zu Monstern werden. Die Krankheit der Jugend, sagt Charles Burns. Die Krankheit Jugend, Jugend als Krankheit. Er meint das positiv.
Nein, hat Burns mehrfach in Interviews abgewehrt, es ist nicht Aids gemeint. Die Krankheit entfacht auch keinerlei Hysterie – mit einer fast mittelalterlichen Ergebenheit reagieren die Betroffenen, sind sie bereit ihr Schicksal zu akzeptieren. Manche ziehen sich in die Wälder zurück, wo sie als Aussätzige leben, in Kommunen ums Lagerfeuer, versorgt mit Snickers und Playboy-Heften.
Mit einem Frosch gewissermaßen eröffnet sich die Perspektive des Buches, der seziert wird im Biologieunterricht, der aufgeschlitzte Bauch ist das erste schwarze Loch, dem die Helden sich konfrontiert sehen, das Schwindel erregt und sie in einen bodenlosen optischen Taumel geraten lässt. Ein Fest für Freudianer, von Burns durchaus mit Ironie inszeniert, mal aufdringlich und lächerlich, mal schön subtil – die Löcher und die aufgeplatzten Häute, das Schwänzchen von Eliza, die die Jungs als Lizard Queen verspotten. Die Liebe zum Grotesken hat Burns bei Daumier entdeckt, den er in der Bibliothek des Vaters fand. Das Groteske wird das eigentlich Vitale, Deformation der Beginn des Neuen. Im ganzen Buch ist jene befreiende Lust zu spüren, dass die Welt eine dunkle Seite hat, nicht nur love & peace ist wie in den Sechzigern. Die Lust am Sturz, am Fall ins schwarze, grundlose Loch. „I was in this totally black place. It was kind of spacey but it felt nice . . . nice and safe.“ Geborgen im Nichts. FRITZ GÖTTLER
CHARLES BURNS: Black Hole. Aus dem Amerikanischen von Heinrich Anders, Stefan Eckel und Ulrich Georg. Reprodukt, Berlin 2011. 368 S., 24 Euro.
Nein, hat Burns mehrfach
in Interviews abgewehrt,
damit ist nicht Aids gemeint
Immer wieder überraschend, welche Auswirkungen die merkwürdige Teenager-Krankheit haben kann in Charles Burns’ „Black Hole“. Und wer „es“ einmal hat, heißt es lapidar, wird „es“ nicht mehr los. Abb.: Reprodukt
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„Black Hole“ von Charles Burns: Ein tiefschwarzer Comic über die Krankheit Jugend
Die Seuche ist nicht weiter erklärlich in ihrer Ursache, sie trifft die amerikanischen Teenager in ihrer aufregendsten Zeit, gegen Ende der Schulzeit. Teenager-Pest wird sie genannt, oder the bug. Sie ist erstaunlich variantenreich, auf grausam subtile Weise, in ihren körperlichen Auswirkungen, die einen haben plötzlich dicke Pusteln und Beulen im Gesicht, anderen wachsen Schwimmhäute zwischen den Fingern, einer entwickelt einen kleinen zweiten Mund am Hals, der wie ein Bauchredner-Dummy das Geschehen kommentiert, eine andere hat ein Schwänzchen am Po. Aber die Symptome waren zweitrangig, heißt es, aber wer „es“ einmal hatte, wurde „es“ nie wieder los. Übertragen wird „es“ durch den Sex.
Das klingt böse moralisch, aber der geniale Autor und Zeichner Charles Burns hat alles andere als Moral im Sinn mit seinem großen Comic-Roman „Black Hole“. Elf Jahre hat er daran gearbeitet, von 1993 bis 2004, zwölf Einzelbände, die eine unglaubliche stilistische und erzählerische Konsequenz aufweisen sind erschienen. Hauptberuflich arbeitete er in dieser Zeit auch als Grafiker mit großer Palette, für Coca Cola oder TIME und The New Yorker oder Iggy Pop. Seit einiger Zeit wird „Black Hole“ für die Verfilmung vorbereitet, für die Regie war mal David Fincher genannt, ein Drehbuch hat der Comic-Kollege Neil Gaiman geschrieben.
A horror romance nennt Burns sein Buch, und es könnte der schwärzeste Comic der letzten Dekaden sein – über die aufregendste und leerste, die traurigste und verletzlichste Zeit des Lebens, die man heutzutage beschwichtigend gern coming of age nennt. Mitte der Siebziger, in einem Suburb von Seattle, ein paar Teenager sitzen die letzten Schulstunden durch, sie verspüren frühe sexuelle Impulse, konsumieren Alkohol und Drogen, treffen sich auf nächtlichen Feten und zu bizarren Ritualen, versuchen sich der elterlichen Kontrolle zu entziehen und dem erstickenden bürgerlichen Ambiente. Eins der Bücher, die in dieser Generation gelesen werden, ist von Jack Kerouac, „The Subterraneans“, mit seinen irren, lebensverrückten Menschen, die „brennen, brennen, brennen“ wie sprühendes Feuerwerk.
Es ist die Zeit, da die Kids den eigenen Körper entdecken, die eigene Körperlichkeit, und, damit eng verbunden, die ersten Alpträume, in denen Deformierung, Zerstörung und Tod die Hauptrolle spielen. Die Zeit, da die Kids sich selbst monströs finden und den anderen zu Monstern werden. Die Krankheit der Jugend, sagt Charles Burns. Die Krankheit Jugend, Jugend als Krankheit. Er meint das positiv.
Nein, hat Burns mehrfach in Interviews abgewehrt, es ist nicht Aids gemeint. Die Krankheit entfacht auch keinerlei Hysterie – mit einer fast mittelalterlichen Ergebenheit reagieren die Betroffenen, sind sie bereit ihr Schicksal zu akzeptieren. Manche ziehen sich in die Wälder zurück, wo sie als Aussätzige leben, in Kommunen ums Lagerfeuer, versorgt mit Snickers und Playboy-Heften.
Mit einem Frosch gewissermaßen eröffnet sich die Perspektive des Buches, der seziert wird im Biologieunterricht, der aufgeschlitzte Bauch ist das erste schwarze Loch, dem die Helden sich konfrontiert sehen, das Schwindel erregt und sie in einen bodenlosen optischen Taumel geraten lässt. Ein Fest für Freudianer, von Burns durchaus mit Ironie inszeniert, mal aufdringlich und lächerlich, mal schön subtil – die Löcher und die aufgeplatzten Häute, das Schwänzchen von Eliza, die die Jungs als Lizard Queen verspotten. Die Liebe zum Grotesken hat Burns bei Daumier entdeckt, den er in der Bibliothek des Vaters fand. Das Groteske wird das eigentlich Vitale, Deformation der Beginn des Neuen. Im ganzen Buch ist jene befreiende Lust zu spüren, dass die Welt eine dunkle Seite hat, nicht nur love & peace ist wie in den Sechzigern. Die Lust am Sturz, am Fall ins schwarze, grundlose Loch. „I was in this totally black place. It was kind of spacey but it felt nice . . . nice and safe.“ Geborgen im Nichts. FRITZ GÖTTLER
CHARLES BURNS: Black Hole. Aus dem Amerikanischen von Heinrich Anders, Stefan Eckel und Ulrich Georg. Reprodukt, Berlin 2011. 368 S., 24 Euro.
Nein, hat Burns mehrfach
in Interviews abgewehrt,
damit ist nicht Aids gemeint
Immer wieder überraschend, welche Auswirkungen die merkwürdige Teenager-Krankheit haben kann in Charles Burns’ „Black Hole“. Und wer „es“ einmal hat, heißt es lapidar, wird „es“ nicht mehr los. Abb.: Reprodukt
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