Texas 1981, Ronald Reagan ist Präsident, Jay Porter ein erfolgloser Anwalt mit einer Strip-Mall-Kanzlei. Entschlossen, den Geburtstag seiner schwangeren Frau Bernie unvergesslich zu machen, mietet er einen Kahn an und nimmt sie mit auf eine Mondscheinfahrt. Plötzlich hören sie Schreie, Schüsse, sehen wie ein Körper aufs Wasser trifft. Porter eilt zu Hilfe und rettet eine verängstigte Frau aus dem Bayou. In seiner Jugend war er ein Black-Power-Aktivist. Er ist nur knapp einer Inhaftierung anlässlich einer erfundenen Anklage wegen Verschwörung zum Mord entgangen. Er fährt die Frau zur nächsten Polizeistation und setzt sie vor der Tür ab. Als Jay erfährt, dass in jener Nacht ein Mann in der Nähe des Bayou getötet wurde, fühlt er sich gezwungen, tiefer zu graben und kommt in Kontakt mit den korrupten Praktiken der Ölindustrie. Houstons schwarze Hafenarbeiter drohen zu streiken, und Jays Schwiegervater, ein einflussreicher Geistlicher, bittet ihn, einen jungen Mann vor Gericht zu vertreten, der behauptet, von einem Hafenbeamten zusammengeschlagen worden zu sein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2022Godzilla im Souterrain
Krimis in Kürze: Attica Locke, Wollenhaupt & Grenz, Regina Nössler
Wer sich um seine Autorinnen und Autoren kümmert, der bringt, wie der Stuttgarter Polar-Verlag, nicht nur deren neueste Titel heraus. Weil der Herausgeber Wolfgang Franßen an Attica Locke glaubt, erscheint jetzt auch ihr zwölf Jahre alter Debütroman "Black Water Rising" (Polar, 456 S., geb., 24,- Euro). Dass das Buch mit einem Blurb von James Ellroy versehen ist, sollte niemanden beunruhigen. Locke hat keinen Hang zum Stakkato. Ihr Buch spielt in Houston zu Beginn der Achtzigerjahre. Sein Protagonist ist der afroamerikanische Anwalt Jay Porter. Er hat eine Vergangenheit in der Black-Power-Bewegung, er war im Gefängnis, obwohl er nicht zu den Militanten zählte, und seine damalige weiße Freundin hat es auf dem Marsch durch die Institutionen bis zur Bürgermeisterin von Houston geschafft.
Porter ist ruhiger geworden, manche halten ihn schon für angepasst. Er meidet unnötigen Ärger so lange, bis dieser Ärger ihn heimsucht. Bei einer Bootstour zum Geburtstag seiner schwangeren Frau wird er zufällig in einen Mordfall verwickelt, der ungeahnte Weiterungen haben wird. Die streikwilligen Hafenarbeiter setzen auf seine Kontakte ins Rathaus. Und er versucht sich herauszuwinden, aber aus dem Kräftespiel von Politik und Wirtschaft, in das er hineingeraten ist, kommt er nicht so einfach wieder frei.
Attica Lockes Buch ist ein bemerkenswertes Debüt, weil es mit großem Geschick eine komplizierte, spannende Intrige, Mord und Korruption mit der Geschichte von Ölindustrie und Black Power in Texas verbindet. Man hat Lockes Bücher nicht ohne Grund mit denen von Dennis Lehane oder George Pelecanos verglichen.
Gabriella Wollenhaupt und Friedemann Grenz sind ein schreibendes Ehepaar. Sie hat schon dreißigmal die Journalistin Maria Grappa durch Bierstadt geschickt, womit Dortmund gemeint ist; er hat vor vielen Jahren ein sehr konzises Buch über "Adornos Philosophie in Grundbegriffen" veröffentlicht. Von diesen Ausgangspunkten führt nicht zwingend ein direkter Weg in die letzten Jahre der Weimarer Republik. "Fräulein Wolf und die Ehrenmänner" (Grafit, 288 S., br., 13,- Euro) begibt sich auf mittlerweile recht ausgetretenes "Babylon Berlin"-Terrain. Anders als viele historische Krimis, die einfach drauflosfabulieren, konzentrieren sich Wollenhaupt und Grenz auf einen historischen Mordprozess gegen eine junge Frau, der in Gutachten, Akten und zeitgenössischer Presse gut dokumentiert ist.
Fiktive Hauptfigur ist die junge jüdische Reporterin Leonore Wolf, Nichte des Berliner Polizeivizepräsidenten Bernhard Weiß, die 1930 aus Wien nach Berlin kommt, beim Sozialdemokratischen Pressedienst anfängt und über den Mordfall an einem Uhrmacher berichtet, der sein Einkommen mit Nacktfotos junger Mädchen aufbesserte. Der Roman ist solide erzählt, lässt einige Damen und Herren der Zeitgeschichte auftreten, gönnt sich noch eine etwas zu kitschig ausgeschmückte Liebesgeschichte - und man hofft am Ende dann doch, dass nicht 29 weitere Bücher folgen wie über Frau Grappa.
Isabel Keppler ist 39 Jahre alt, "also fast tot, hatte nie eine Ausbildung zu Ende gebracht, lungerte im Leben herum". Sie hat zweieinhalb Jobs, einen Goldhamster namens "Godzilla", ist eine ziemliche Misanthropin und wohnt in einer Souterrainwohnung an der Kreuzberger Katzbachstraße. Wer die Straße kennt, weiß, dass kein Wort über die dortige Lärmbelästigung übertrieben ist. Und eines Tages liegt dann ein toter Mann in dieser Wohnung.
Das ist das Setting von Regina Nösslers Thriller "Katzbach" (Konkursbuch, 352 S., br., 12,90 Euro). Es beginnt mit einer Kapitelüberschrift "Danach", dann springt die Erzählung leichtfüßig in der Chronologie hin und her, zählt die Tage, die noch bis Heiligabend bleiben, blendet dann wieder ein wenig zurück. Nur wer der Mann ist, der da liegt, erfährt man nicht. Das ist ein simpler, aber sehr gut funktionierender erzählerischer Trick: Man rätselt und irrt immer wieder, bis zum Schluss. Regina Nössler erzählt das in einem nie aufdringlichen, sehr lässigen, manchmal leicht schnoddrigen Tonfall, der perfekt zur abgeklärten Weltsicht der Protagonistin passt. Isabel mag ja viele Fehler und Macken haben, aber selbstmitleidig ist sie nicht. PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Attica Locke, Wollenhaupt & Grenz, Regina Nössler
Wer sich um seine Autorinnen und Autoren kümmert, der bringt, wie der Stuttgarter Polar-Verlag, nicht nur deren neueste Titel heraus. Weil der Herausgeber Wolfgang Franßen an Attica Locke glaubt, erscheint jetzt auch ihr zwölf Jahre alter Debütroman "Black Water Rising" (Polar, 456 S., geb., 24,- Euro). Dass das Buch mit einem Blurb von James Ellroy versehen ist, sollte niemanden beunruhigen. Locke hat keinen Hang zum Stakkato. Ihr Buch spielt in Houston zu Beginn der Achtzigerjahre. Sein Protagonist ist der afroamerikanische Anwalt Jay Porter. Er hat eine Vergangenheit in der Black-Power-Bewegung, er war im Gefängnis, obwohl er nicht zu den Militanten zählte, und seine damalige weiße Freundin hat es auf dem Marsch durch die Institutionen bis zur Bürgermeisterin von Houston geschafft.
Porter ist ruhiger geworden, manche halten ihn schon für angepasst. Er meidet unnötigen Ärger so lange, bis dieser Ärger ihn heimsucht. Bei einer Bootstour zum Geburtstag seiner schwangeren Frau wird er zufällig in einen Mordfall verwickelt, der ungeahnte Weiterungen haben wird. Die streikwilligen Hafenarbeiter setzen auf seine Kontakte ins Rathaus. Und er versucht sich herauszuwinden, aber aus dem Kräftespiel von Politik und Wirtschaft, in das er hineingeraten ist, kommt er nicht so einfach wieder frei.
Attica Lockes Buch ist ein bemerkenswertes Debüt, weil es mit großem Geschick eine komplizierte, spannende Intrige, Mord und Korruption mit der Geschichte von Ölindustrie und Black Power in Texas verbindet. Man hat Lockes Bücher nicht ohne Grund mit denen von Dennis Lehane oder George Pelecanos verglichen.
Gabriella Wollenhaupt und Friedemann Grenz sind ein schreibendes Ehepaar. Sie hat schon dreißigmal die Journalistin Maria Grappa durch Bierstadt geschickt, womit Dortmund gemeint ist; er hat vor vielen Jahren ein sehr konzises Buch über "Adornos Philosophie in Grundbegriffen" veröffentlicht. Von diesen Ausgangspunkten führt nicht zwingend ein direkter Weg in die letzten Jahre der Weimarer Republik. "Fräulein Wolf und die Ehrenmänner" (Grafit, 288 S., br., 13,- Euro) begibt sich auf mittlerweile recht ausgetretenes "Babylon Berlin"-Terrain. Anders als viele historische Krimis, die einfach drauflosfabulieren, konzentrieren sich Wollenhaupt und Grenz auf einen historischen Mordprozess gegen eine junge Frau, der in Gutachten, Akten und zeitgenössischer Presse gut dokumentiert ist.
Fiktive Hauptfigur ist die junge jüdische Reporterin Leonore Wolf, Nichte des Berliner Polizeivizepräsidenten Bernhard Weiß, die 1930 aus Wien nach Berlin kommt, beim Sozialdemokratischen Pressedienst anfängt und über den Mordfall an einem Uhrmacher berichtet, der sein Einkommen mit Nacktfotos junger Mädchen aufbesserte. Der Roman ist solide erzählt, lässt einige Damen und Herren der Zeitgeschichte auftreten, gönnt sich noch eine etwas zu kitschig ausgeschmückte Liebesgeschichte - und man hofft am Ende dann doch, dass nicht 29 weitere Bücher folgen wie über Frau Grappa.
Isabel Keppler ist 39 Jahre alt, "also fast tot, hatte nie eine Ausbildung zu Ende gebracht, lungerte im Leben herum". Sie hat zweieinhalb Jobs, einen Goldhamster namens "Godzilla", ist eine ziemliche Misanthropin und wohnt in einer Souterrainwohnung an der Kreuzberger Katzbachstraße. Wer die Straße kennt, weiß, dass kein Wort über die dortige Lärmbelästigung übertrieben ist. Und eines Tages liegt dann ein toter Mann in dieser Wohnung.
Das ist das Setting von Regina Nösslers Thriller "Katzbach" (Konkursbuch, 352 S., br., 12,90 Euro). Es beginnt mit einer Kapitelüberschrift "Danach", dann springt die Erzählung leichtfüßig in der Chronologie hin und her, zählt die Tage, die noch bis Heiligabend bleiben, blendet dann wieder ein wenig zurück. Nur wer der Mann ist, der da liegt, erfährt man nicht. Das ist ein simpler, aber sehr gut funktionierender erzählerischer Trick: Man rätselt und irrt immer wieder, bis zum Schluss. Regina Nössler erzählt das in einem nie aufdringlichen, sehr lässigen, manchmal leicht schnoddrigen Tonfall, der perfekt zur abgeklärten Weltsicht der Protagonistin passt. Isabel mag ja viele Fehler und Macken haben, aber selbstmitleidig ist sie nicht. PETER KÖRTE
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Katharina Granzin hält es für eine gute Idee, dass der Titel von Attica Lockes "sozialkritischem" Kriminalroman im Original belassen wurde. Denn dadurch werde vor allem die "latent revolutionäre" Stimmung der schwarzen Hafenarbeiter in Houston, Texas eingefangen, die dort in den achtziger Jahren herrschte und mit der es im Roman ein schwarzer Anwalt und früherer Bürgerrechtler namens Jay zu tun bekommt. Darüber hinaus gehe es auch noch um einen anderen Mord und um kapitalistische Beweggründe hinter den Verbrechen, und diese verschiedenen Fälle und Bedeutungsebenen würden schließlich in vorbildlicher Krimi-Manier zusammengeführt, lobt Granzin. Außerdem fühlt sie sich in mehreren Punkten an die Krimis von Sara Paretsky erinnert und kann sich den Roman aufgrund seiner "originellen" Charaktere und der vielen Actionszenen gut als Film oder Serie vorstellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Was für ein Ritt! Black Water Rising ist ein Debüt der Superlative, eine wunderbare Abhandlung über die 1980er Jahre in Texas, der beste Bad Town-Roman seit langem. Attica Locke ist in jeder Hinsicht eine herausragende junge Autorin." James Ellroy