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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.1997

Harte Blicke
John Lawtons Slapstick-Krimi

Wir schreiben das Jahr 1944, und die Stadt London, von Bombenangriffen der deutschen Wehrmacht beschädigt, aber nicht zermürbt, lebt in der Erwartung der alliierten Landung auf dem Kontinent. Da geschieht eine Reihe von mysteriösen Morden. Von einer Leiche wird nur ein Arm gefunden, von einer anderen nichts als dürftige Knochenreste, die eine gründliche Verbrennung überstanden haben, eine dritte ist überhaupt spurlos verschwunden - oder ist Peter Wolinski, der polnische Emigrant, der im East End im Hafen arbeitet und zu Hause über marxistischer Literatur brütet, etwa gar nicht ermordet worden? Der junge, tüchtige und überdurchschnittlich scharfsinnige Sergeant Troy von Scotland Yard, der sich im Verlauf der Handlung auch als extrem strapazierfähig herausstellen wird, wird mit der Aufklärung der Fälle beauftragt. Bald stoßen seine Ermittlungen an eine Grenze, die unüberwindlich scheint: Der vermutliche Täter ist Offizier des amerikanischen Geheimdienstes (damals noch OSS), und sein Alibi stammt von General Eisenhower persönlich.

Alles in diesem ersten Krimi des Engländers John Lawton erscheint dem Leser wohlbekannt, auch wenn man nicht dabeigewesen ist. Das ist kein Fehler, sondern eher eine Grundvoraussetzung des Genres, das seine Qualitäten ja üblicherweise auf der Folie des Bekannten entwickelt - oder zu entwickeln versucht. Hier, so scheint dem Rezensenten, bleibt es beim Versuch, obwohl der Autor keines der nötigen Ingredienzien ausgelassen hat. Vielleicht mutet er seinem Sergeanten doch zu viele körperliche Strapazen und Beschädigungen auf knappstem Raum zu, vielleicht sind die beiden verführerischen Frauengestalten doch einfach zu verführerisch, vielleicht liest man um das eine Mal zu oft Sätze wie: "Er drehte sich zu Troy um, hellwach im Gesicht und mit scharfem, zynischem Blick."

Die Übersetzung tut ein übriges, den Blick mehr auf die Schwächen als auf die Stärken der Angelegenheit zu lenken; die allzu wörtliche Wiedergabe des englischen Plaudertons ist dazu angetan, die Hölzernheit der Konstruktion wie der einzelnen Schilderungen auf die Spitze zu treiben. Da tröstet es wenig, daß auch der mittlerweile zum Inspektor avancierte Troy mit Unlustgefühlen zu kämpfen hat: "Selbst die rapide ansteigende Nachkriegskriminalität konnte ihn mit seinem Beruf nicht aussöhnen." WALTER KLIER

John Lawton: "Blackout". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Hedinger. Verlag Volk & Welt, Berlin 1996. 512 Seiten, geb., 48,- DM.

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