"Heritage crime", übersetzt etwa "Erbverbrechen":
Für ein Verbrechen haftet nicht mehr nur der Täter selber, sondern in Sippenhaft auch seine Erben bis in die zweite Generation. Dafür gibt es spezielle "Familiengefängnisse", in denen durchaus auch kleine Kinder gefangen gehalten werden, denn die
Öffentlichkeit will Sündenböcke sehen für die schlechte Wirtschaftslage. Die Begründung ist, dass…mehr"Heritage crime", übersetzt etwa "Erbverbrechen":
Für ein Verbrechen haftet nicht mehr nur der Täter selber, sondern in Sippenhaft auch seine Erben bis in die zweite Generation. Dafür gibt es spezielle "Familiengefängnisse", in denen durchaus auch kleine Kinder gefangen gehalten werden, denn die Öffentlichkeit will Sündenböcke sehen für die schlechte Wirtschaftslage. Die Begründung ist, dass die Nachfahren von Verbrechern indirekt auch von den Verbrechen profitiert haben und daher auch dafür zahlen müssen.
Simon Mayo bietet in "Blame" großartige Ideen und brisante Themen, die interessante moralische und ethische Fragen aufwerfen: Die Tendenz des Menschen, stets nach einem Sündenbock für die eigene Schwierigkeiten zu suchen, die Tendenz der Politik, das wiederum für Wahlkampfzwecke auszunutzen, die Macht der Medien und vieles mehr.
Leider geht das Buch bei den meisten dieser Themen nicht in die Tiefe, denn ab einem gewissen Punkt der Geschichte muss die Handlung immer mehr hinter schierer, explosiver Action zurückstecken - Gefängnisrevolten, Kämpfe, wilde Fluchten, gefolgt von mehr Kämpfen...
Dadurch war das Buch in meinen Augen zwar ein kurzweiliges Vergnügen und las sich durchweg spannend - ich hätte es aber lieber gesehen, wenn der Autor das Tempo auch mal runter gefahren und dem Leser stattdessen diese dystopische Zukunft mit ihren politischen und gesellschaftlichen Strukturen näher gebracht hätte, mit wesentlich mehr Details.
Außerdem gibt es in meinen Augen ein paar gravierende Lücken und logische Fehler! Zum Beispiel ist es für Insassen anscheinend überhaupt gar kein Problem, frei auf ihre Bankkonten zuzugreifen, um die Wachen großzügig zu bestechen. (Wobei die Wachen bei dem Ausmaß, wie es hier beschrieben wird, inzwischen alle stinkreich sein müssten.) Oder ein Wachmann des Gefängnisses, in dem die Protagonistin sitzt, kennt einfach so das enorm wichtige Geheimnis eines enorm wichtigen Mannes - aber woher? Keine Ahnung, denn das wird nicht näher erklärt!
Die Charaktere fand ich überwiegend ganz gut geschrieben, auch wenn ein paar durch das schiere Tempo der Geschichte etwas blass bleiben.
Ant ist eine zornige junge Frau, die auf fast alles mit kämpferischem Eigensinn reagiert - was ich in ihrer Situation gut nachvollziehen konnte!
Ihre Beziehung zu ihrem kleinen Bruder Mattie ist unglaublich rührend. Die beiden sind in schwierigen Verhältnissen großgeworden, mit einem kriminellen, prügelnden, drogensüchtigen Vater (dem sie es auch zu verdanken haben, dass sie im Gefängnis sitzen) und einer Mutter, die jede Gegenwehr aufgegeben hat. Deswegen haben sie immer nur einander gehabt, und Ant hat für Mattie fast schon eine Mutterrolle eingenommen.
Interessant fand ich auch, dass wir mit Ant und Mattie zwei Protagonisten begegnen, die einmal nicht aus der weißen Mittelschicht kommen, sondern deren Wurzeln in der haitianischen Kultur liegen.
Was mich enorm gestört hat: Ant ist immer wieder wahnsinnig wichtig, auf eine Art und Weise, die ich oft maßlos überzogen fand. Die Begründung dafür kam mir meist etwas fadenscheinig vor. Ein Beispiel:
Inhaftierte Mitglieder einer Gang sind nach einer blutigen Revolte in der Position, Forderungen stellen zu können, da sie auch wichtige Geißeln in ihrer Gewalt haben. Statt besserer Haftbedingungen oder Freilassung ist ihre einzige (!!) Forderung, dass man ihnen Ant ausliefert - nur weil die sich mit einem Mitglied angelegt hat, das dabei noch nicht mal wirklich zu Schaden gekommen ist. Wirklich? Todesopfer auf beiden Seiten, ein enormes Polizeiaufgebot, und sie sagen: gebt uns Ant, dann vergessen wir das alles und gehen brav zurück in unsere Zellen?!
Der Schreibstil hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen, nur die Dialoge lasen sich für mich gelegentlich etwas holprig. Meiner Meinung nach schreibt Simon Mayo großartige Actionszenen, aber in den ruhigeren Szenen erreicht er nicht ganz die gleiche Qualität.