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Helmut Qualtinger, geboren am 08.10.28 in Wien, gestorben am 29.09.86 in Wien, Schauspieler, Kabarettist, Journalist und Schriftsteller, begann seine Laufbahn in den legendären Wiener Kellertheatern der Nachkriegsjahre und läutete zusammen mit Gerhard Bronner, Carl Merz und Michael Kehlmann die goldenen 50er Jahre des Wiener Kabaretts ein. 1961 setzte er mit seinem Herrn Karl dem österreichen Kleinbürger ein satirisches Denkmal. Die Werkausgabe besteht aus 5 Bänden.

Produktbeschreibung
Helmut Qualtinger, geboren am 08.10.28 in Wien, gestorben am 29.09.86 in Wien, Schauspieler, Kabarettist, Journalist und Schriftsteller, begann seine Laufbahn in den legendären Wiener Kellertheatern der Nachkriegsjahre und läutete zusammen mit Gerhard Bronner, Carl Merz und Michael Kehlmann die goldenen 50er Jahre des Wiener Kabaretts ein. 1961 setzte er mit seinem Herrn Karl dem österreichen Kleinbürger ein satirisches Denkmal.
Die Werkausgabe besteht aus 5 Bänden.
Autorenporträt
Helmut Qualtinger, geboren 1928 in Wien, gestorben 1986 in Wien, war einer der größten Künstler seiner Zeit und gleichermaßen genial als Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.1998

Radetzkymarscheillaise
Die satirischen Kolumnen von Helmut Qualtinger und Carl Merz

Ein österreichisches Erfolgspaar: Der eine hat sich umgebracht, der andere zu Tode gesoffen. Eine österreichische Erfolgsgeschichte: Der eine wurde vergessen, der andere zur Kultfigur. Die Rede ist von Carl Merz und Helmut Qualtinger. Zuerst die gute Nachricht: Die vom verstorbenen Traugott Krischke konzipierte Qualtinger-Ausgabe steht jetzt vollzählig im Regal. Der letzte Band enthält eine Auswahl jener Satiren, die seit Mitte der fünfziger bis in die frühen sechziger Jahre unter dem kabarettistischen Kolumnentitel "Blattl vorm Mund" im Wiener "Neuen Kurier" erschienen sind. Nun die schlechte: Auf dem Umschlag erblickt man nur den Namen Qualtinger, nicht jedoch den seines Kompagnons Merz. Solche Ungerechtigkeit hat sich schon bewährt. Auch im Falle des Meisterwerks der beiden Co-Autoren, des unvergeßlichen "Herrn Karl", prägte sich bloß der in der Tat geniale Sprechvirtuose als Verfasser dem Gedächtnis ein. Wie sehr freilich der Schriftsteller Helmut Qualtinger auf Witz, Stil und Inspiration von Carl Merz angewiesen war, beweisen viele der von ihm allein geschaffenen Arbeiten. Sie sind einfach schwächer. Doch wir wollen nicht jammern. Was seit kurzem zwischen zwei Buchdeckeln kommentiert vorliegt, ist größtenteils ausnehmend vergnüglicher Lesestoff.

Gewiß, fast alles wurde aus der Tagesaktualität geschöpft, jede Anspielung muß der jüngeren Generation selbst in Wien mittlerweile erklärt werden. Merz und Qualtinger schrieben mit Vorliebe Subtext. Zudem wirken manche der kalauernden Humoresken voll von Namensverballhornungen ziemlich angestrengt und deshalb ermüdend. Indes finden sich genug fabelhafte, wie gestochene Miniaturen, die zum klassischen Bestand des Wiener Feuilletons in der Nachfolge eines Anton Kuh gehören. Das Pointenfeuerwerk des Spotts läßt die Gesellschaft von Anno dazumal in ihrer ganzen Lächerlichkeit erstrahlen. Einiges, darunter ein glänzendes Porträt der Opernball-Society, trifft noch heute den Nagel auf den Trottelkopf. Das Schöne an den besten, den Kabinettstücken der Sammlung: In sie ist der Mief der beginnenden Wohlstandsrepublik mit allgemeiner "Automobilmachung", bürokratischem Sumpertum, Jazz und "Karajanserei" ohne Substanzverlust eingegangen: Während der Lektüre kann man die Atmosphäre geradezu riechen.

Bewußt stellte der Stimmenimitator Helmut Qualtinger sein Rezitatorentalent in den Dienst sowohl der "Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus als auch von Hitlers "Mein Kampf". Ein Demaskierungskünstler begnügt sich nicht mit Nonsens und Blödelei, mit Burgtheaterkapriolen und dem in den Kinderschuhen steckenden TV-Schwachsinn. Österreichs fatal gemütlicher Umgang mit Kriegsverbrechern und braunem Sumpf bildet darum das Leitmotiv mehrerer gnadenlos ernster Satiren. Beneidenswert obendrein eine Fülle von Formulierungen, die in denkbarer Verknappung Charakteristisches auszudrücken vermögen. Die rhythmische Kennmelodie der österreichischen Konterrevolution, die im Finale der Neujahrskonzerte ein philharmonisches Publikum regelmäßig zum Mittrampeln animiert, heißt hier schlicht "Radetzkymarscheillaise". Und Alexander Lernet-Holenia, der schneidigste Poet aus Kakaniens Erbmasse, taucht als "Pegasusdragoner" im Offizierscasino der Literatur auf. Rechtens rühmte Heimito von Doderer den beiden Blattl-vorm-Mundartdichtern "echte" Heiterkeit nach: "Diese ist's, welche sie befähigt, leicht wie die Falter über alle Sachen hin zu huschen und dabei scharf wie die Falken zu sehen."

Ilse Walter leistet in den Anmerkungen zumeist Vorzügliches. Offenbar kann sie Anton Wildgans nicht ausstehen, denn dessen Kryptozitat vom Volk der Tänzer und der Geiger wird auf die geflügelten Worte "Volk der Dichter und Denker" zurückgeführt. Mit dem hohen Adel hat die Kommentatorin ebenfalls Schwierigkeiten: Otto Habsburg ist in natura doch etwas jünger. Auch der Inzest im Hause Metternich scheint keineswegs so kraß wie behauptet. Pauline Metternich war nie "Nichte und Gattin von Clemens Fürst Metternich", sondern des Staatskanzlers Enkelin. Der Gattenonkel der berühmtesten Salondame ihrer Zeit nannte sich Richard. Aber - siehe oben - wir wollen nicht jammern, wir wollen preisen. ULRICH WEINZIERL

Carl Merz und Helmut Qualtinger: "Blattl vorm Mund". Texte für den ,Neuen Kurier'". Herausgegeben von Ilse Walter. "Werkausgabe", Bd. 5. Herausgegeben von Traugott Krischke. Deuticke Verlag, Wien 1997. 352 S., geb., 55,- DM.

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