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Hanif Kureishi erzählt von Menschen auf der Suche nach dem Glück, nach der Liebe. Vom Leben überfordert, erschreckt sie die graue Gleichförmigkeit ihres Alltags. Nirgends lassen sich ihre Träume und Sehnsüchte verwirklichen. Auch nicht in ihren Liebesverhältnissen. Jeder von ihnen, egal wie abgeklärt, desillusioniert und verstört er ist, hofft auf die Liebe, doch die ersehnte Nähe läßt sich nicht herstellen. "Von den wilden Träumen ihrer Jugend ist den Menschen, die Kureishi beschreibt, nur das unbestimmte Verlangen nach mehr geblieben. Mit einem scharfen Blick für das Groteske begleitet er…mehr

Produktbeschreibung
Hanif Kureishi erzählt von Menschen auf der Suche nach dem Glück, nach der Liebe. Vom Leben überfordert, erschreckt sie die graue Gleichförmigkeit ihres Alltags. Nirgends lassen sich ihre Träume und Sehnsüchte verwirklichen. Auch nicht in ihren Liebesverhältnissen. Jeder von ihnen, egal wie abgeklärt, desillusioniert und verstört er ist, hofft auf die Liebe, doch die ersehnte Nähe läßt sich nicht herstellen. "Von den wilden Träumen ihrer Jugend ist den Menschen, die Kureishi beschreibt, nur das unbestimmte Verlangen nach mehr geblieben. Mit einem scharfen Blick für das Groteske begleitet er sie, mal aggressiv, mal zärtlich gestimmt, auf ihrer Jagd nach dem Leben und der Liebe."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1997

Dauerkicker im blauen Labyrinth
Hanif Kureishi erzählt vom England der achtziger Jahre / Von Michael Allmaier

Die englische Sprache malt mit ihren Farbwörtern nicht nur die Oberfläche der Dinge, sondern auch das Gemüt des Menschen aus. Man kann sich in ihr gelb, weiß, grün, grau, schwarz oder sogar violett fühlen. Besonders das feeling blue, die Melancholie des kleinen Mannes, hat sich mit einer Vielzahl von Bedeutungen aufgeladen und so zu einem Ärgernis für Übersetzer entwickelt. Zumal in Deutschland hat es ja mit dem "blau sein" eine durchaus andere Bewandtnis. Man kann natürlich trotzdem die Flucht nach vorne antreten und die Übersetzung eines englischen Buchs "Blau ist die Liebe" nennen, selbst wenn es im Original gar nicht so heißt.

Es heißt "Love in a Blue Time" und bezieht sich damit auf die "blaue" Periode der englischen Subkultur. Man mag sich nur ungern der zynischen Theorie anschließen, daß Zeiten sozialer Härte die Künste beflügelten, aber für die Regierungsjahre von Margaret Thatcher besaß sie wohl Gültigkeit. Was als Protest gegen die Verelendung begann, geriet in den Werken vieler junger Künstler auch zu einer Hommage an das triste, wehleidige und manchmal verzweifelt komische England der Armen.

Es war vor allem der Film, der die Schlangen vor dem Sozialamt und die heruntergekommenen Reihenhaussiedlungen in der Vorstadt mit soviel Verve und Wärme dargestellt hat, daß man diese Menschen einen törichten Moment lang fast um ihre Existenz hätte beneiden können. Hanif Kureishi, der 1954 in dem Londoner Vorort Bromley zur Welt kam, hat vor allem als Drehbuchschreiber seinen Beitrag dazu geleistet. "Mein wunderbarer Waschsalon" und "Sammy und Rosie tun es" wurden von Stephen Frears verfilmt. Bei dem Film "London kills me" führte Kureishi 1991 selbst Regie. In dieser Zeit begann er sich auch als Buchautor einen Namen zu machen. Nach den beiden Romanen "Der Buddha aus der Vorstadt" (deutsch 1990) und "Das schwarze Album" (deutsch 1995) legt er nun mit "Blau ist die Liebe" zum ersten Mal einen Band mit Erzählungen vor.

Zunächst scheint es, als sei die "blue time" der zehn Geschichten unsere Gegenwart. Es ist von Techno und Ecstasy die Rede. Doch bei der Lektüre stößt man immer wieder auf Anachronismen. Die Musik kommt vom Plattenspieler, man spricht über die Apartheid, und selbst der Vietnam-Krieg scheint noch nicht lange passé zu sein. Nun ist es kein Geheimnis, daß arrivierte Schriftsteller Erzählbände wie diesen dazu nutzen, um ihre Schublade zu leeren. Aber wenn der Autor schon darauf verzichtet, seinen Arbeiten aus vermutlich vielen Jahren einen gemeinsamen Rahmen zu geben, so wäre man doch zumindest für eine chronologische Ordnung mit Entstehungsdaten dankbar.

Die meisten dieser Erzählungen stehen unverkennbar im Zeichen der achtziger Jahre, als die Sparmaßnahmen der Regierung die britische Unterschicht in Gewinner und Verlierer teilte oder jedenfalls in Menschen, die sich für eins davon hielten. Kureishi selbst sieht sich wohl als einen dieser unverhofften Gewinner, und entsprechend bitter porträtiert er sie. Seine Helden haben es mit mehr Ehrgeiz als Talent als Fotografen, Werbefilmer, Journalisten zu etwas gebracht. Sie heißen Roy, Rocco oder Bill; und wenn es Neureiche gibt, dann sind sie die Neu-Gebildeten. Sie zitieren aus den Werken von Montaigne oder Proust und sind doch in ihren Herzen die Rabauken geblieben, die sie immer schon waren. Wenn ihre begehrlichsten Wünsche Gestalt annehmen, dann träumen sie davon, bis zur Bewußtlosigkeit zu trinken oder mit der Frau eines Konkurrenten ins Bett zu gehen. So, wie Kureishi diese Figuren beschreibt, verurteilt man nicht ihre Gewöhnlichkeit, sondern nur den Erfolg, der sie ihren echten Wünschen entfremdet hat.

Seine Verlierer dagegen sind regelrechte Künstler des Verlierens - Schnorrer, kleine Dealer, Poeten ohne Werk -, die es immer wieder schaffen, sich in vergleichsweise unterhaltsame Schwierigkeiten zu bringen. Kureishi glorifiziert diese Art zu leben nicht. Aber er zeigt, daß sie etwas ganz anderes ist als der Grund, auf den man sinkt, wenn man sich fallen läßt: "Es brauchte Entschlossenheit, Organisation und ein gewisses Maß an Kreativität, um Tag und Nacht zu saufen, Freunde und Fremde zu beleidigen, uneingeladen auf Partys zu erscheinen und Teenager anzumachen, sich Geld zu leihen und es nie zurückzuzahlen, zu lügen, fadenscheinige Ausreden vorzubringen. Ausflüchte zu machen, verschlagen und egoistisch zu sein."

Roy, die Hauptfigur der Titelgeschichte "In a Blue Time", münzt diese Worte auf seinen Freund Jimmy, der ihn etwas später im Namen der Freundschaft um ein Geschäft bringen wird. Auch die anderen Geschichten kreisen um solche kleinen Tragödien von Sehnsucht und Moral. In "Seit kurzem" versucht ein Taugenichts, seine Geliebte an einen leichtgläubigen Bekannten zu verschachern. In "D'accord, Baby" betrügt ein Mann aus Rachsucht seine Frau und beschließt, das müsse er nun öfter tun. Zuweilen fragt man sich, ob man Figuren wie der mütterlichen Hure oder dem koksenden Yuppie nicht irgendwo schon einmal begegnet ist, und warum der Lebenshunger aller immer nur auf Sex und Drogen zielt. Doch eine gutunterrichtete Figur schlägt vor, "das Triviale als eine Öffnung zu sehen, durch die hindurch man dem Labyrinth des Geistes folgen kann".

Was für Kureishi einnimmt, ist seine vollkommen unprätentiöse Art zu schreiben. Er wählt sich naheliegende Themen und versucht mit keinem Wort, origineller, kundiger oder engagierter zu sein als seine ungezählten Vorgänger. Er versucht sich einfach an Geschichten, wie sie das Leben schreibt, ohne den sentimentalen Beiklang, den diese Wendung heute hat. Gern liest man etwa von diesem sehr englischen Besäufnis: "Offenbar waren sie hungrig geworden. Nachdem sie mit dem Hammer auf eine Büchse Bohnen eingeschlagen und die Wände damit bespritzt hatten, war Roy auf Jimmys Schultern geklettert, um die verdreckte Decke mit einem Kissenbezug abzuwischen, den er dann Jimmy ins Maul stopfen mußte, damit der endlich Ruhe gab. Roy wußte nicht mehr, wie spät es war, als sie sich auszogen, um den Skinhead Moonstomp auszuführen, und ob er sich nur eingebildet hatte, daß ihr Nachbar erst gegen die Wände und dann an die Haustür getrommelt hatte." Nicht, daß man unbedingt dabeigewesen sein möchte. Aber man darf doch einen weiteren törichten Augenblick lang glauben, daß man diese beiden lieber zu Freunden als zu Nachbarn hätte.

Leider läßt sein anschaulicher Stil den Verfasser oft im Stich. Schon auf einer der ersten Seiten begegnen wir Jimmy, der bewußtlos am Boden liegt, neben sich "eine zerbrochene Flasche". So stellt man sich die Behausung eines Trinkers vor. Aber sieht es wirklich so aus? Jimmy, so lesen wir, trinkt harte Sachen, am liebsten Whisky oder Gin. Und die gibt es wohl nicht zufällig in diesen kantigen kleinen Flaschen, die eine Menge aushalten. Und wenn sie wirklich einmal zerbrechen, bleibt nichts übrig, was man noch eine Flasche nennen könnte - nur ein abgeschlagener Hals vielleicht oder eine Anzahl Scherben, die noch am Etikett kleben. Sicher, das sind Spitzfindigkeiten. Doch bei dem naturalistischen Anspruch dieses Werks müssen sie erlaubt sein. Denn die leider beträchtliche Summe dieser kleinen Ungenauigkeiten hält dem Leser in steter Erinnerung, daß hier nicht das Leben schreibt, sondern doch nur ein gelegentlich recht nachlässiger Autor.

Auch der Übersetzer Bernhard Robben nimmt es mit den Details nicht sehr genau. Seine Kommafehler mag man hinnehmen, auch seine grammatischen Eigenheiten von der Art, daß er "versteinern" reflexiv, "schulden" intransitiv und "lehren" mit dem Dativ gebraucht. Ärgerlich wird es, wenn er anfängt, im Stil des Küchenlateins zu übersetzen. Ordinary heißt nun einmal nicht "ordinär", ebensowenig wie inhumane "unmenschlich" ist. Ungeziefer beseitigt nicht der exterminator, und die career eines drogensüchtigen Mädchens hat ganz gewiß nichts mit einer "Karriere" zu tun. An anderer Stelle wieder weiß Robben seine Phantasie nicht im Zaum zu halten. In seinem London fährt die Pariser "Metro", in seinen Kneipen haben sogenannte "Dauerkicker" die Flipperspieler vertrieben. Erotische Stellen reichert er gern mit einer Gossensprache an, von der im Original nichts zu finden ist. Hanif Kureishi mag kein großer Stilist sein, aber etwas mehr Sorgfalt hätte er doch verdient.

Hanif Kureishi: "Blau ist die Liebe". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben.Kindler Verlag, München 1997. 269 S., geb., 36,90 DM.

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