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»Blau steht dir nicht«, sagt die Großmutter, und auch der Großvater rät vom Matrosinnenberuf ab. Dabei ist es Jennys größter Traum: »Sie sah sich auf einem Schiff, umringt von singenden Matrosen. Sie hatte ihren blauen Anzug an, bis die Matrosen ihr ein blaues Hemd überzogen, wie sie es trugen. Es war viel zu groß, aber alle betonten, wie gut es ihr stehen würde.« Eine Kindheit am Meer. Eine Sehnsucht nach Freiheit. In ihrem eindrücklichen Debüt erzählt Judith Schalansky vom Aufwachsen an der Ostseeküste der DDR, von unbändigem Freiheitsdrang und dem Drang, die ganze Welt zu bereisen.

Produktbeschreibung
»Blau steht dir nicht«, sagt die Großmutter, und auch der Großvater rät vom Matrosinnenberuf ab. Dabei ist es Jennys größter Traum: »Sie sah sich auf einem Schiff, umringt von singenden Matrosen. Sie hatte ihren blauen Anzug an, bis die Matrosen ihr ein blaues Hemd überzogen, wie sie es trugen. Es war viel zu groß, aber alle betonten, wie gut es ihr stehen würde.« Eine Kindheit am Meer. Eine Sehnsucht nach Freiheit. In ihrem eindrücklichen Debüt erzählt Judith Schalansky vom Aufwachsen an der Ostseeküste der DDR, von unbändigem Freiheitsdrang und dem Drang, die ganze Welt zu bereisen.
Autorenporträt
Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign. Ihr Werk, darunter der international erfolgreiche Bestseller Atlas der abgelegenen Inseln sowie der Roman Der Hals der Giraffe, ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach ausgezeichnet. Sie ist Herausgeberin der Naturkunden und lebt als Gestalterin und freie Schriftstellerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2008

Süßwassermatrosin

Kein Viermaster, aber ein beeindruckendes Romandebüt: Judith Schalansky schippert durch die Untiefen einer sehnsuchtsvollen Kindheit an der Ostsee.

Matrosenroman" lautet die Genrebezeichnung des Buches von Judith Schalansky: "Blau steht dir nicht". Dieser ungewöhnliche Untertitel könnte einen Abenteuerroman auf hoher See suggerieren, aber es handelt sich um etwas anderes: das poetische Verarbeiten eines Motivs und die Erforschung einer persönlichen Besessenheit. Die junge Jenny trifft zwei Matrosen auf einer Promenade und findet, es gebe nichts Schöneres als deren Uniform. Sie denkt, dass sie gerne selbst ein Matrose wäre, der allerdings, so sagt das Buch, immer ein Mann sein muss - und so rezitiert sie wie ein Mantra: "Ma-tro-se". Die Matrosenuniform, die Jenny von diesem Augenblick an wie eine fixe Idee beherrschen wird, ist Sinnbild des Militärs, Modeerscheinung des neunzehnten Jahrhunderts und Requisit der homosexuellen Ästhetik zugleich. Sie bietet der Autorin den Anlass für gründliche historische Recherchen einerseits und erotische Schwärmereien andererseits: so verwirrend wie fesselnd für den Leser.

Der Text erzählt zunächst aus der Perspektive eines Kindes das Leben an der Ostsee zu DDR-Zeiten. Jenny, die in der Gegend von Greifswald bei ihren Großeltern aufwächst, ist von dieser Landschaft fasziniert: Das Weißblau des Meeres, die Eigenschaften der Luft, des Tanges, des Lehms; der Nebel, der Meeresschaum und die Nadeln der Kiefer, die ihre Schritte dämpfen, nehmen sie völlig in Anspruch. Das Gesehene wird, sei es durch ein fotografisches Objektiv oder durch die zusammengekniffenen Augen der Heldin, präzise beschrieben. Jenny schlägt Bilderbücher, die sie im Kopf hat, auf, wenn die Bilder der Außenwelt verblassen und sie nicht mehr befriedigen.

Eine tiefe Sehnsucht nach Ferne zieht sich durch den ganzen Roman. Jennys Großeltern wohnen in einem mit welken Blüten und trockenen Zweigen verzierten Haus, an der Ostsee, "wo andere Urlaub machen", wie sie immer wieder betonen. Doch der Greifswalder Strand mit seinem abgegrenzten Badebereich scheint erstarrt zu sein: Es ist Nebensaison. Jenny widmet sich dem Schifferknoten, um ein Geheimnis zu enträtseln. Der Topos des Knotens kehrt im Roman mehrmals wieder, mitunter etwas erzwungen. Doch zu viele Wiederholungen erlaubt das schmale Format des Buches nicht. Schalansky fügt Bruchstücke verschiedener Gattungen zusammen, wobei die Stimme der Erzählerin die einzelnen Szenen und Bilder eng miteinander verknüpft. Und es wird immer wieder beteuert: "Alles ist möglich."

Schwarzweiße Fotografien, die zum Teil dem persönlichen Archiv der Autorin entstammen, bebildern den Text. Ihnen scheint der Text manchmal sogar den Vortritt zu lassen, wie zum Beispiel im Falle von Claude Cahun, der androgynen Dichterin mit dem rasierten Schädel, die als Matrose posiert. Der durchdringende Blick der abgebildeten Frau sticht hervor, der Text wird zur Randnotiz; seinen poetischen Reiz verliert er dabei aber nicht.

Nach der Wende scheint tatsächlich alles möglich zu sein. Die erwachsene Jenny, nunmehr die Ich-Erzählerin, verreist, studiert und möchte ein Buch schreiben. Sie spürt für ihre Recherchen dünnen Fragmenten der Geschichte nach, jenen leeren Stellen, die in der DDR nicht in die Geschichtsbücher eingegangen sind - ein abgerissenes Haus in Riga, die Ermordung der russischen Zarenfamilie. Unvermittelt treten dabei noch weitere historische Figuren auf: Wolfgang Koeppen, Sergei Eisenstein und Graf Zeppelin.

Jenny ist weiterhin auf der Suche nach Matrosen; Riga und New York sind Stationen dieser Suche. In New York sieht sie einen Matrosen, der ihr entgegenkommt. Er hat sie aber nicht bemerkt und läuft an ihr vorbei. Eine weitere verfehlte Beziehung folgt. Am Ende steht die endgültige Ernüchterung: Die einzigen echten Matrosen, die es damals in Greifswald gab, waren Grenzschützer. Doch die Greifswalder Insel Oie ist keine Fata Morgana, wie Jenny es sich als Kind vorgestellt hat. Sie fährt schließlich zu dieser Insel, geht an Land, und alles bleibt möglich. Dem Leser bleibt vor allem ein tiefes Fernweh.

Die experimentelle Form mag am Anfang verunsichern, doch die Sprachfertigkeit der Autorin und die Poesie, die aus dem Zusammentreffen von Bildern und Text entsteht, sind ergreifend. Ein vielversprechendes Debüt.

ELISE CANNUEL

Judith Schalansky: "Blau steht dir nicht". Matrosenroman. Marebuchverlag, Hamburg 2008. 139 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "vielversprechendes" Debüt lobt Rezensentin Elise Cannuel diesen Band der Autorin Judith Schalansky, der sie manchmal durchaus irritierte, aber immer wieder auch ergriff. Das Buch erzählt von Jenny, die zu DDR-Zeiten an der Ostsee bei Greifswald aufwächst und für die es nichts Schöneres gibt als Matrosen. Sie geben Anlass für Fernweh, "historische Recherchen" und "erotische Schwärmereien", was die Rezensentin gleichermaßen fesselnd wie verwirrend fand. Worin der poetische Reiz des Bandes nun genau besteht, wird nicht ganz klar, aber die beeindruckte Rezensentin Cannuel lässt keinen Zweifel daran, dass er seine Wirkung tut und dass dabei Schifferknoten, Sergej Eisenstein, die Ermordung der Zarenfamilie, Wolfgang Koeppen und ein Haus in Riga ebenso eine Rolle spielen wie die Schwarzweiß-Fotografien aus dem Archiv der Autorin.

© Perlentaucher Medien GmbH