Blau ist selten.
Dem widerspricht der Blick in den Himmel, doch schaut man sich genauer um, dann erkennen wir schnell: In der Tier- und Pflanzenwelt treffen wir selten auf Blau. Seit Menschengedenken sucht man nach einmaligen blauen Steinen und Farbstoffen, die Textilien, Porzellan oder Gemälde verwandelt. Denn Blau übt seit jeher eine magische Faszination auf uns aus. Sei es die Suche der Romantiker nach der blauen Blume oder die wundersame blaue Färbung von Vogelfedern.
Kai Kupferschmidt erlag der Faszination schon als Kind und sie begleite ihn nun schon sein Leben lang. Um das Geheimnis dieser Farbe zu ergründen, begab er sich auf eine Reise von Japan hin zu einem Vulkansee in Oregon und bis zu den letzten Exemplaren der Spix-Aras in Brandenburg. Steine, Pflanzen, Tiere oder der entrückte Blick aus dem Weltall auf unseren Blauen Planeten zeugen von unermesslicher Schönheit, die sich dann in unserem Sprechen und Schreiben widerspiegelt. Aber alles beginnt mit dem Licht und unserem Sehen.
Dem widerspricht der Blick in den Himmel, doch schaut man sich genauer um, dann erkennen wir schnell: In der Tier- und Pflanzenwelt treffen wir selten auf Blau. Seit Menschengedenken sucht man nach einmaligen blauen Steinen und Farbstoffen, die Textilien, Porzellan oder Gemälde verwandelt. Denn Blau übt seit jeher eine magische Faszination auf uns aus. Sei es die Suche der Romantiker nach der blauen Blume oder die wundersame blaue Färbung von Vogelfedern.
Kai Kupferschmidt erlag der Faszination schon als Kind und sie begleite ihn nun schon sein Leben lang. Um das Geheimnis dieser Farbe zu ergründen, begab er sich auf eine Reise von Japan hin zu einem Vulkansee in Oregon und bis zu den letzten Exemplaren der Spix-Aras in Brandenburg. Steine, Pflanzen, Tiere oder der entrückte Blick aus dem Weltall auf unseren Blauen Planeten zeugen von unermesslicher Schönheit, die sich dann in unserem Sprechen und Schreiben widerspiegelt. Aber alles beginnt mit dem Licht und unserem Sehen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt hat dieses Buch vor allem den Farben im Tierreich gewidmet, besonders dem titelgebenden Blau, erklärt Rezensentin Katharina Rudolph. Sie fand den Band äußerst kurzweilig, weil der Autor sich ihr zufolge nicht nur kundig mit den wissenschaftlichen Erklärungen für die Farbfülle in der Tierwelt auseinandersetzt, sondern dabei auch mit Witz und Originalität punktet. So beantwortet er etwa die spannende Frage, ob Blaumeisen Blau genauso sehen wie wir Menschen und vieles Denkwürdige mehr, verspricht die Kritikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2019Wie blau sieht die Blaumeise?
Tarnung oder Sexappeal: Kai Kupferschmidt erkundet die Farbe Blau
Im Jahr 1911 erschien im Bulletin des American Museum of Natural History ein Aufsatz über Farben im Tierreich. Autor des Textes war kein Geringerer als Theodore Roosevelt. Der ehemalige amerikanische Präsident engagierte sich nicht nur in der Politik, sondern war auch passionierter Großwildjäger und Hobby-Naturforscher. Er wandte sich mit seinen Ausführungen gegen den Künstler Abbott Thayer, der behauptet hatte, dass evolutionärer Sinn und Zweck von Farben in der Tierwelt im Wesentlichen die Tarnung sei. Sogar der Flamingo habe nur deshalb eine so rosarote Farbe, weil er sich so im Abendrot, für den Vogel eine besonders gefährliche Zeit, gut tarnen könne.
Um seine Thesen zu illustrieren, schmückte die Titelseite von Thayers Buch "Concealing Coloration in the Animal Kingdom" ein von ihm gemalter Pfau, dessen Gefieder so sehr mit dem Grün eines ihn umgebenden Waldes und dessen strahlend blauer Hals so sehr mit dem Blau des Himmels verschmilzt, dass er kaum zu erkennen ist. Roosevelts Kommentar: Thayers Thesen seien etwa so überzeugend wie der Versuch, einen Raben in einen Kohlenkübel zu stecken, um zu beweisen, dass seine schwarzen Federn der Tarnung dienen.
Wer Thayers "Pfau im Wald" sehen und mehr erfahren möchte über diese und andere Auseinandersetzungen über Farben im Tierreich, kann zu einem kurzweiligen Kompendium greifen, das der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt der Farbe Blau gewidmet hat - aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Bei einigen Tierarten dient Blau tatsächlich der Tarnung. Auch wenn Thayer in seinem Absolutheitsanspruch viel zu weit ging, habe er den Blick dafür geschärft, so Kupferschmidt, "dass auch Farben, die nicht nach Tarnung aussehen, der Tarnung dienen können. Sogar Blau." Viele Meeresbewohner sind an ihren Oberseiten dunkelblau, an den Unterseiten dagegen hell, damit sie sowohl von oben (das Meer erscheint dunkel) als auch von unten (das Meer erscheint hell) mit ihrer Umgebung verschmelzen. Thayer prägte für dieses Phänomen die bis heute anerkannte Bezeichnung der Konterschattierung. Leuchtkalmare etwa sind Tarn-Profis: Sie können während der nächtlichen Jagd an ihren Unterseiten blau leuchten, wodurch sie für schwimmende Fressfeinde vor dem glänzenden Mondlicht an der Wasseroberfläche nahezu unsichtbar werden.
Dennoch war Roosevelts Kritik berechtigt. Die meisten Blaus (auch das Blau am Hals des Pfaus) dienen bei Tieren offenbar nicht der Tarnung, sondern im Gegenteil dazu, sich abzuheben und Aufmerksamkeit zu erregen. Insbesondere beim anderen Geschlecht. Blaufußtölpelweibchen zum Beispiel zeigen sich durch den Tanz des Männchens, bei dem es seine leuchtend blauen Füße gekonnt in Szene setzt, schwer beeindruckt. Die Weibchen lassen sich aber nicht nur vom schönen Schein blenden, denn das Blau leuchtet umso kräftiger, desto besser ein Männchen genährt ist. Die Färbung könnte auch ein "Gütesiegel" sein, ein "ehrliches Signal" im Sinne der Biologen.
Tatsächlich kann es die Evolution in Sachen Sexappeal auch auf die Spitze treiben. Merkmale wie blaue Federn, die für manche Forscher ein gutes Immunsystem anzeigen, können von Generation zu Generation immer opulenter werden: "Die Selektion wird zum Selbstläufer" und "aus dem ehrlichen Signal . . . eine Obsession." Zumindest so lange, wie der Erfolg bei den Weibchen nicht vom Nachteil überwogen wird, durch die leuchtenden Farben von Fressfeinden leichter aufgespürt zu werden.
Kupferschmidt gelingt es, solche Sachverhalte konzise und auch mit Witz darzustellen. Um grundlegende Fragen drückt er sich dabei nicht: Sehen Blaumeisen Blau genauso blau wie Menschen? Warum gibt es so wenige blaue Blumen? Wie funktionieren blaue Pigmente? Warum ist das Blaulicht der Polizei blau und nicht (viel auffälliger!) rot? Wie kann das Halsgefieder des Pfaus so herrlich blau glänzen, wenn es gar keine blauen Pigmente hat? Warum kannte der Dichter Homer kein Wort für die Farbe Blau, obwohl er doch an der tiefblauen Ägäis lebte? Und warum sind Russen besser darin als Deutsche, ein hellblaues Dreieck vor dunkelblauem Grund zu erkennen?
Und alle Anworten auf diese Fragen passen in einen hübschen, nicht besonders dicken und selbstverständlich blauen Band.
KATHARINA RUDOLPH
Kai Kupferschmidt: "Blau". Wie die Schönheit in die Welt kam.
Hoffmann und Campe
Verlag, Hamburg 2019.
240 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tarnung oder Sexappeal: Kai Kupferschmidt erkundet die Farbe Blau
Im Jahr 1911 erschien im Bulletin des American Museum of Natural History ein Aufsatz über Farben im Tierreich. Autor des Textes war kein Geringerer als Theodore Roosevelt. Der ehemalige amerikanische Präsident engagierte sich nicht nur in der Politik, sondern war auch passionierter Großwildjäger und Hobby-Naturforscher. Er wandte sich mit seinen Ausführungen gegen den Künstler Abbott Thayer, der behauptet hatte, dass evolutionärer Sinn und Zweck von Farben in der Tierwelt im Wesentlichen die Tarnung sei. Sogar der Flamingo habe nur deshalb eine so rosarote Farbe, weil er sich so im Abendrot, für den Vogel eine besonders gefährliche Zeit, gut tarnen könne.
Um seine Thesen zu illustrieren, schmückte die Titelseite von Thayers Buch "Concealing Coloration in the Animal Kingdom" ein von ihm gemalter Pfau, dessen Gefieder so sehr mit dem Grün eines ihn umgebenden Waldes und dessen strahlend blauer Hals so sehr mit dem Blau des Himmels verschmilzt, dass er kaum zu erkennen ist. Roosevelts Kommentar: Thayers Thesen seien etwa so überzeugend wie der Versuch, einen Raben in einen Kohlenkübel zu stecken, um zu beweisen, dass seine schwarzen Federn der Tarnung dienen.
Wer Thayers "Pfau im Wald" sehen und mehr erfahren möchte über diese und andere Auseinandersetzungen über Farben im Tierreich, kann zu einem kurzweiligen Kompendium greifen, das der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt der Farbe Blau gewidmet hat - aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Bei einigen Tierarten dient Blau tatsächlich der Tarnung. Auch wenn Thayer in seinem Absolutheitsanspruch viel zu weit ging, habe er den Blick dafür geschärft, so Kupferschmidt, "dass auch Farben, die nicht nach Tarnung aussehen, der Tarnung dienen können. Sogar Blau." Viele Meeresbewohner sind an ihren Oberseiten dunkelblau, an den Unterseiten dagegen hell, damit sie sowohl von oben (das Meer erscheint dunkel) als auch von unten (das Meer erscheint hell) mit ihrer Umgebung verschmelzen. Thayer prägte für dieses Phänomen die bis heute anerkannte Bezeichnung der Konterschattierung. Leuchtkalmare etwa sind Tarn-Profis: Sie können während der nächtlichen Jagd an ihren Unterseiten blau leuchten, wodurch sie für schwimmende Fressfeinde vor dem glänzenden Mondlicht an der Wasseroberfläche nahezu unsichtbar werden.
Dennoch war Roosevelts Kritik berechtigt. Die meisten Blaus (auch das Blau am Hals des Pfaus) dienen bei Tieren offenbar nicht der Tarnung, sondern im Gegenteil dazu, sich abzuheben und Aufmerksamkeit zu erregen. Insbesondere beim anderen Geschlecht. Blaufußtölpelweibchen zum Beispiel zeigen sich durch den Tanz des Männchens, bei dem es seine leuchtend blauen Füße gekonnt in Szene setzt, schwer beeindruckt. Die Weibchen lassen sich aber nicht nur vom schönen Schein blenden, denn das Blau leuchtet umso kräftiger, desto besser ein Männchen genährt ist. Die Färbung könnte auch ein "Gütesiegel" sein, ein "ehrliches Signal" im Sinne der Biologen.
Tatsächlich kann es die Evolution in Sachen Sexappeal auch auf die Spitze treiben. Merkmale wie blaue Federn, die für manche Forscher ein gutes Immunsystem anzeigen, können von Generation zu Generation immer opulenter werden: "Die Selektion wird zum Selbstläufer" und "aus dem ehrlichen Signal . . . eine Obsession." Zumindest so lange, wie der Erfolg bei den Weibchen nicht vom Nachteil überwogen wird, durch die leuchtenden Farben von Fressfeinden leichter aufgespürt zu werden.
Kupferschmidt gelingt es, solche Sachverhalte konzise und auch mit Witz darzustellen. Um grundlegende Fragen drückt er sich dabei nicht: Sehen Blaumeisen Blau genauso blau wie Menschen? Warum gibt es so wenige blaue Blumen? Wie funktionieren blaue Pigmente? Warum ist das Blaulicht der Polizei blau und nicht (viel auffälliger!) rot? Wie kann das Halsgefieder des Pfaus so herrlich blau glänzen, wenn es gar keine blauen Pigmente hat? Warum kannte der Dichter Homer kein Wort für die Farbe Blau, obwohl er doch an der tiefblauen Ägäis lebte? Und warum sind Russen besser darin als Deutsche, ein hellblaues Dreieck vor dunkelblauem Grund zu erkennen?
Und alle Anworten auf diese Fragen passen in einen hübschen, nicht besonders dicken und selbstverständlich blauen Band.
KATHARINA RUDOLPH
Kai Kupferschmidt: "Blau". Wie die Schönheit in die Welt kam.
Hoffmann und Campe
Verlag, Hamburg 2019.
240 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Anhand von Anekdoten, Reportagefragmenten und Forschungsgeschichten gelingt es Kupferschmidt, die Wissenschaft vom Blau unterhaltsam und anschaulich zu erklären.« Sonja Kastilan Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20191020