Carl Sagan, Professor für Astronomie und Weltraumwissenschaften, unternimmt eine Reise durchs All und befaßt sich mit den neuesten Entdeckungen der modernen Weltraumforschung. Er führt den Leser durch das gesamte Sonnensystem und beschreibt ausführlich jeden Planeten. Höhepunkte bilden dabei seine Schilderungen der Voyager-Missionen und des Kometeneinschlags von Shoemaker-Levi-9 auf dem Jupiter. Am Schluß wirft Carl Sagan den Blick in eine ferne Zukunft, in der die Menschheit in den Kosmos aufbricht, um fremde Sonnensysteme zu erkunden und bisher unbekannte Planeten zu besiedeln.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.1996Die Weltallbürokratie ist schuld
Carl Sagan wägt Argumente für und gegen die Raumfahrt
Lange nahmen die Menschen an, das Universum sei eigens für sie gemacht. Das genaue Gegenbild zu diesem Glauben bietet ein Foto, das die Raumsonde Voyager 1 aus mehreren Milliarden Kilometern Entfernung aufgenommen hat. Es zeigt die Erdkugel als einen winzigen, unscheinbaren Lichtpunkt. "Unsere Anmaßung, unsere eingebildete Wichtigkeit, die wahnwitzige Vorstellung, daß wir im Universum einen besonderen Platz einnehmen, wird von diesem schwachen Lichtpunkt in Frage gestellt", schreibt Carl Sagan in dem Buch "Blauer Punkt im All", in dem er den Sinn der planetaren Raumfahrt zu begründen versucht. Die Bedeutung unseres Lebens und unseres zerbrechlichen Planeten hänge nur von unserem eigenen Verstand und Mut ab. Unsere Aufgabe sieht Sagan darin, den Lebenskreis des Menschen im Kosmos Schritt für Schritt zu erweitern. Das könne eines Tages sogar das Überleben der Menschheit ermöglichen, wenn die Erde womöglich von einer Katastrophe heimgesucht werde.
Der Autor plädiert nicht dafür, einen bemannten Flug zum Mars zu forcieren. Dazu sei die Zeit noch nicht reif. Aber es sei unsinnig, die Mittel für die Erkundung der Erde und der anderen Planeten mit Satelliten und Raumsonden zu kürzen, weil das Geld für angeblich wichtigere Vorhaben auf der Erde benötigt werde. Anhand einiger Beispiele zeigt Sagan, warum beides zusammengehört. Die Versuche etwa, den Anstieg des Treibhauseffektes der Erde vorauszusagen, stützen sich auf Klimamodelle, die sich anhand der Klimaverhältnisse auf anderen Planeten am besten überprüfen lassen. Dabei erweise sich, ob die Modell-Annahmen zuträfen. Sagan geht auch ausführlich darauf ein, daß die Gefährdung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) von Astronomen entdeckt worden sei, die an der Chlor- und Fluorchemie der Venusatmosphäre arbeiteten.
Nach Meinung des Autors wird die Erforschung der Planeten für die Zukunft ebenso wichtig sein, wie es die großen Entdeckungsreisen auf den sieben Weltmeeren für die Gegenwart waren. Sagan läßt den Leser noch einmal an den früheren Weltraummissionen teilnehmen und diskutiert die dabei erzielten Ergebnisse unter verschiedenen Aspekten. Hart geht er mit Bürokratie und Politik zu Gericht. Das oberste Gebot der Bürokratie sei die Selbsterhaltung. Sich selbst überlassen und ohne klare Instruktionen von oben habe sich die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa langsam in ein Programm zur Erhaltung von Pfründen, Jobs und Privilegien entwickelt. Vetternwirtschaft, an der nicht zuletzt der amerikanische Kongreß führend beteiligt gewesen sei, habe bei der Planung und Ausführung von Missionen und langfristigen Vorhaben mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Die wirklich bedeutenden Vorhaben scheiterten auch daran, daß kein Präsident langfristige Perspektiven entwickeln und verfolgen könne, die sich über mehrere Legislaturperioden hinzögen. Deshalb sei es schon aus politischen Gründen für einen bemannten Marsflug zu früh.
Das Argument, die Raumfahrt finanziere sich bereits aus ihren Nebenprodukten, hält Sagan für kontraproduktiv. Es ist seiner Meinung nach zu leicht zu durchschauen. Im übrigen würden oft angebliche Nebenprodukte angeführt, die es vorher schon gegeben hätte. Der Autor schreibt, er habe einmal mit dem Erfinder des Herzschrittmachers gesprochen, der angesichts der Unverfrorenheit, mit der sich die Nasa seiner Erfindung rühme, selbst beinahe einen Herzinfarkt bekommen hätte.
Sagan entwickelt in dem Buch die Perspektive einer möglichen Zukunft, in der die Menschheit andere Welten im Kosmos besiedelt und auf diese Weise einem Ende vorbeugen kann, das beispielsweise der Einschlag eines Kleinplaneten auf der Erde für die menschliche Art bedeuten würde. Das sind natürlich Spekulationen. Wie sehr, das zeigt sich auch daran, daß sich Sagans Vorstellungen von der Kolonisierung unserer Nachbarplaneten in den vergangenen zwanzig Jahren drastisch geändert haben. Gleichwohl ist die Lektüre interessant - etwa, wenn er über die mit der Umlenkung von Kleinplaneten verbundenen Gefahren oder über die bislang erfolglose Suche nach Außerirdischen berichtet.
In dem Buch erweist sich Sagan wieder einmal als ein guter Erzähler von Geschichten aus Astronomie und Raumfahrt, die im übrigen eindrucksvoll illustriert sind. Als ein kleines Manko erweist sich der Umstand, daß der Band eine Ergänzung zu seinem Buch "Unser Kosmos" darstellt, so daß einzelne schon dort behandelte Aspekte - insbesondere die Erforschung des Jupiter - zu kurz kommen. Für den deutschen Leser ist ärgerlich, daß Wernher von Braun, der wesentlich zum Erfolg der bemannten Mondfahrt beigetragen hat, nach Sagans Darstellung von Konstantin Ziolkowskijs und Robert Goddards Visionen inspiriert worden ist. Sein eigentlicher geistiger Vater, Hermann Oberth, wird mit keinem Wort erwähnt. GÜNTER PAUL
Carl Sagan: "Blauer Punkt im All". Unsere Zukunft im Kosmos. Aus dem Amerikanischen von Susanne Bunzel. Droemer Knaur Verlag, München 1996. 432 S., Abb., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Carl Sagan wägt Argumente für und gegen die Raumfahrt
Lange nahmen die Menschen an, das Universum sei eigens für sie gemacht. Das genaue Gegenbild zu diesem Glauben bietet ein Foto, das die Raumsonde Voyager 1 aus mehreren Milliarden Kilometern Entfernung aufgenommen hat. Es zeigt die Erdkugel als einen winzigen, unscheinbaren Lichtpunkt. "Unsere Anmaßung, unsere eingebildete Wichtigkeit, die wahnwitzige Vorstellung, daß wir im Universum einen besonderen Platz einnehmen, wird von diesem schwachen Lichtpunkt in Frage gestellt", schreibt Carl Sagan in dem Buch "Blauer Punkt im All", in dem er den Sinn der planetaren Raumfahrt zu begründen versucht. Die Bedeutung unseres Lebens und unseres zerbrechlichen Planeten hänge nur von unserem eigenen Verstand und Mut ab. Unsere Aufgabe sieht Sagan darin, den Lebenskreis des Menschen im Kosmos Schritt für Schritt zu erweitern. Das könne eines Tages sogar das Überleben der Menschheit ermöglichen, wenn die Erde womöglich von einer Katastrophe heimgesucht werde.
Der Autor plädiert nicht dafür, einen bemannten Flug zum Mars zu forcieren. Dazu sei die Zeit noch nicht reif. Aber es sei unsinnig, die Mittel für die Erkundung der Erde und der anderen Planeten mit Satelliten und Raumsonden zu kürzen, weil das Geld für angeblich wichtigere Vorhaben auf der Erde benötigt werde. Anhand einiger Beispiele zeigt Sagan, warum beides zusammengehört. Die Versuche etwa, den Anstieg des Treibhauseffektes der Erde vorauszusagen, stützen sich auf Klimamodelle, die sich anhand der Klimaverhältnisse auf anderen Planeten am besten überprüfen lassen. Dabei erweise sich, ob die Modell-Annahmen zuträfen. Sagan geht auch ausführlich darauf ein, daß die Gefährdung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) von Astronomen entdeckt worden sei, die an der Chlor- und Fluorchemie der Venusatmosphäre arbeiteten.
Nach Meinung des Autors wird die Erforschung der Planeten für die Zukunft ebenso wichtig sein, wie es die großen Entdeckungsreisen auf den sieben Weltmeeren für die Gegenwart waren. Sagan läßt den Leser noch einmal an den früheren Weltraummissionen teilnehmen und diskutiert die dabei erzielten Ergebnisse unter verschiedenen Aspekten. Hart geht er mit Bürokratie und Politik zu Gericht. Das oberste Gebot der Bürokratie sei die Selbsterhaltung. Sich selbst überlassen und ohne klare Instruktionen von oben habe sich die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa langsam in ein Programm zur Erhaltung von Pfründen, Jobs und Privilegien entwickelt. Vetternwirtschaft, an der nicht zuletzt der amerikanische Kongreß führend beteiligt gewesen sei, habe bei der Planung und Ausführung von Missionen und langfristigen Vorhaben mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Die wirklich bedeutenden Vorhaben scheiterten auch daran, daß kein Präsident langfristige Perspektiven entwickeln und verfolgen könne, die sich über mehrere Legislaturperioden hinzögen. Deshalb sei es schon aus politischen Gründen für einen bemannten Marsflug zu früh.
Das Argument, die Raumfahrt finanziere sich bereits aus ihren Nebenprodukten, hält Sagan für kontraproduktiv. Es ist seiner Meinung nach zu leicht zu durchschauen. Im übrigen würden oft angebliche Nebenprodukte angeführt, die es vorher schon gegeben hätte. Der Autor schreibt, er habe einmal mit dem Erfinder des Herzschrittmachers gesprochen, der angesichts der Unverfrorenheit, mit der sich die Nasa seiner Erfindung rühme, selbst beinahe einen Herzinfarkt bekommen hätte.
Sagan entwickelt in dem Buch die Perspektive einer möglichen Zukunft, in der die Menschheit andere Welten im Kosmos besiedelt und auf diese Weise einem Ende vorbeugen kann, das beispielsweise der Einschlag eines Kleinplaneten auf der Erde für die menschliche Art bedeuten würde. Das sind natürlich Spekulationen. Wie sehr, das zeigt sich auch daran, daß sich Sagans Vorstellungen von der Kolonisierung unserer Nachbarplaneten in den vergangenen zwanzig Jahren drastisch geändert haben. Gleichwohl ist die Lektüre interessant - etwa, wenn er über die mit der Umlenkung von Kleinplaneten verbundenen Gefahren oder über die bislang erfolglose Suche nach Außerirdischen berichtet.
In dem Buch erweist sich Sagan wieder einmal als ein guter Erzähler von Geschichten aus Astronomie und Raumfahrt, die im übrigen eindrucksvoll illustriert sind. Als ein kleines Manko erweist sich der Umstand, daß der Band eine Ergänzung zu seinem Buch "Unser Kosmos" darstellt, so daß einzelne schon dort behandelte Aspekte - insbesondere die Erforschung des Jupiter - zu kurz kommen. Für den deutschen Leser ist ärgerlich, daß Wernher von Braun, der wesentlich zum Erfolg der bemannten Mondfahrt beigetragen hat, nach Sagans Darstellung von Konstantin Ziolkowskijs und Robert Goddards Visionen inspiriert worden ist. Sein eigentlicher geistiger Vater, Hermann Oberth, wird mit keinem Wort erwähnt. GÜNTER PAUL
Carl Sagan: "Blauer Punkt im All". Unsere Zukunft im Kosmos. Aus dem Amerikanischen von Susanne Bunzel. Droemer Knaur Verlag, München 1996. 432 S., Abb., geb., 49,80 DM.
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