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Luise Schilling ist jung, wissbegierig und voller Zukunft. Anfang der brodelnden zwanziger Jahre kommt sie an das Weimarer Bauhaus. Sie studiert bei Professoren wie Gropius oder Kandinsky und wirft sich hinein in die Träume und Ideen ihrer Epoche. Zwischen Technik und Kunst, Kommunismus und Avantgarde, Populismus und Jugendbewegung lernt Luise gesellschaftliche Utopien kennen, die uns bis heute prägen. Rasant und äußerst gegenwärtig erzählt Theresia Enzensberger von einer jungen Frau in den Wirren ihres Lebens: von den Konflikten zwischen Rechts und Links bis zum Sprung eines jungen Liebespaares in einen nächtlichen Fluss.…mehr

Produktbeschreibung
Luise Schilling ist jung, wissbegierig und voller Zukunft. Anfang der brodelnden zwanziger Jahre kommt sie an das Weimarer Bauhaus. Sie studiert bei Professoren wie Gropius oder Kandinsky und wirft sich hinein in die Träume und Ideen ihrer Epoche. Zwischen Technik und Kunst, Kommunismus und Avantgarde, Populismus und Jugendbewegung lernt Luise gesellschaftliche Utopien kennen, die uns bis heute prägen. Rasant und äußerst gegenwärtig erzählt Theresia Enzensberger von einer jungen Frau in den Wirren ihres Lebens: von den Konflikten zwischen Rechts und Links bis zum Sprung eines jungen Liebespaares in einen nächtlichen Fluss.
Autorenporträt
Theresia Enzensberger wurde 1986 geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Film und Filmwissenschaft am Bard College in New York studiert und schreibt als freie Autorin Prosa, Essays, Reportagen und Kritiken. 2014 gründete sie das preisgekrönte BLOCK Magazin. Bei Hanser erschien 2017 ihr erster Roman Blaupause, der in mehrere Sprachen übersetzt und mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet wurde, sowie zuletzt ihr Roman Auf See (2022), der für den Deutschen Buchpreis nominiert war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2017

Man muss modern sein!
Theresia Enzensbergers Debütroman "Blaupause" erzählt von einer Frau am Bauhaus der zwanziger Jahre - und trifft und meint doch unsere Gegenwart

Das ist natürlich ein ziemlich guter Trick: Theresia Enzensberger hat einen Roman über die zwanziger Jahre und das Bauhaus geschrieben. "Blaupause" heißt er. Auf dem Cover ist ein nachkoloriertes Bauhausfoto zu sehen, das vom Dach eines Hauses mit Blick nach unten auf lauter junge Menschen aufgenommen ist, die, von der Sonne geblendet, nach oben ins Objektiv der Kamera gucken und sich dabei die Hände vors Gesicht halten oder die Augen halb schließen. "Anfang der brodelnden zwanziger Jahre kommt Luise Schilling an das Weimarer Bauhaus. Jung, wissbegierig und voller Zukunft studiert sie bei Professoren wie Gropius oder Klee und stürzt sich hinein in die Träume und Ideen ihrer Epoche", steht hinten auf dem Klappentext. Und man kriegt schon Angst vor dem "Brodeln" der zwanziger Jahre und den "Träumen und Ideen" der Epoche. Warum überhaupt zurück in die Vergangenheit? Theresia Enzensberger, 1986 in München geboren, lebt als freie Journalistin in Berlin. Sie hat ein unabhängiges Magazin gegründet, "Block", in dem Texte erscheinen, die in der Jetztzeit zu Hause sind, die die Gegenwart analysieren, in der wir leben. Und nun soll ihr literarisches Debüt ausgerechnet ein historischer Roman sein?

Auf der ersten Seite scheint das zu stimmen. Mit der Ich-Erzählerin irren wir die Flure eines Gebäudes entlang bis zu einer großen Wendeltreppe, über die es hinaufgeht in den dritten Stock zum Direktorenzimmer: "Walter Gropius" steht dort an der Tür, und von hinter der Tür ruft eine Stimme in nicht besonders freundlichem Ton "Herein". Aber gleichzeitig stimmt es eben auch nicht, was am Ton des Romans liegt, der nicht versucht, eine historische Art des Sprechens nachzuahmen. Im Gegenteil. Theresia Enzensberger lässt ihre Figuren in der Fiktion der zwanziger Jahre immer wieder gerne auch Wörter sagen, die damals so oder in ihren Konnotationen so nicht existiert haben: "Bullen" werden die Polizeibeamten einmal genannt, von "Netzwerken" ist die Rede, ohne dass das aufgesetzt klänge.

Wir betreten diesen Roman also wie einen Raum. Aber wo wir ihn zeitlich verorten, bleibt uns überlassen, weil er beständig changiert zwischen Damals und Jetzt und damit bis zum Schluss nicht aufhört. Das ist die "Blaupause", ein Wort, das, wo es schon ums Bauhaus geht, natürlich an Konstruktionszeichnungen und Baupläne denken lässt, aber eben auch an Lichtpausen, Kopien, Durchschläge: Theresia Enzensberger lässt ihre Protagonistin Luise Schilling ihre Geschichte als Blaupause erzählen. Ob die Geschichte dabei das Vorbild für die Gegenwart ist oder umgekehrt die Gegenwart das Modell für die Vergangenheit, lässt sie im Ungefähren.

Und das ist der Zauber dieses Buchs, das von einem Aufbruch handelt: Luise Schilling, Tochter eines wohlhabenden Unternehmers aus Berlin, zieht von zu Hause weg, um in Weimar zu studieren. Der Vater unterstützt sie darin zunächst, ungeduldig wartet sie darauf, endlich am Unterricht teilnehmen zu können, und lernt die ersten anderen Bauhausschüler kennen, die eine seltsame Gemeinschaft bilden. Sie tragen Mönchskutten und scharen sich um ihren Lehrer Johannes Itten, einen Anhänger des Mazdaznan, einer esoterischen Lebensphilosophie. Sie verbringen die Nächte in dessen Atelier im Tempelherrenhaus, meditieren, machen Kopfübungen und versuchen, so weit wie möglich mit dem eigenen Ich in Einklang zu leben, im besten Fall, es zu überwinden. Luise fühlt sich auf merkwürdige Weise von ihnen angezogen, vor allem von Jakob, der ausnehmend hübsch ist und genauso wenig zu fassen, dem nachgesagt wird, mit seinem Lehrer Itten ein Verhältnis zu haben, und der sie eine Weile lang für sich auserwählt, jedenfalls immer dann, wenn er Lust hat. Sie will dazugehören und nimmt dafür bereitwillig in Kauf, dass sich andere von ihr abwenden und nichts mit ihr zu tun haben wollen.

Da sind wir schon mittendrin, und es ist auch schon klar, worum es hier nicht geht: Dieses Buch ist kein Bauhausseminar, es kommt ganz und gar nicht gelehrsam daher und schwelgt in nichts, was irgendwann mal war. Vielmehr geht es um eine Situation, einen bestimmten Punkt im Leben, an dem man von zu Hause weggeht, ausbricht aus der Gemeinschaft der Familie, um sich auszuprobieren, sich andere Gemeinschaften sucht, neue Freunde, und sich auf diese Weise selbst neu entwirft: "Wer will ich sein, und wie will ich leben?", fragt Theresia Enzensberger mit ihrer Protagonistin in ihrem Buch.

Wobei sie Luise Schilling die Konventionalität ihrer Herkunft zunächst einfach nur fürs Gegenteil eintauschen lässt. Dass der unkonventionelle Kreis der Itten-Jünger genauso autoritär strukturiert ist wie ihr Elternhaus, ist ihre erste unangenehme Erfahrung. Alles ist streng ritualisiert, die Meditationen und die gemeinsamen Wanderungen. Die Fortschrittsfeindlichkeit ihrer neuen Freunde geht bis hin zur Ablehnung der einfachsten medizinischen Versorgung, was einen von ihnen, einen Versehrten aus dem Ersten Weltkrieg, in Lebensgefahr bringt. Und Johannes Itten wird, wo er auftaucht, vergöttert. Was er sagt, bleibt unwidersprochen; sie folgen ihm blind. Und die neu in den Kreis Aufgenommene darf sich sagen lassen: "Keine Sorge, Luise, die meisten Frauen haben Defizite im dreidimensionalen Sehen. Das hat nichts mit dir zu tun. Ich würde dir allerdings empfehlen, in die Textilwerkstatt zu gehen. Dort kannst du auch dein Talent für Farbgebung weiterentwickeln, das du ja schon unter Beweis gestellt hast." Luises Vater findet, sie sollte ihr Talent lieber auf einer Haushaltsschule in Berlin-Schöneberg weiterentwickeln, und streicht ihr das Geld fürs Studium. So weit sind beide nicht voneinander entfernt.

Luise will aber bauen: "Ich will die Zukunft bauen und die Vergangenheit abreißen", heißt es im Roman, der, besonders in seinen Dialogen, etwas von diesem heiligen Ernst abbildet, den man nur bei Anfang- bis Mitte-Zwanzigjährigen findet. Dieses Sich-über-die-Maßen-Ernstnehmen, das nur eine Weile lang gelingt und im Leben dann nie wieder, weil mit den Erfahrungen das Scheitern kommt und mit dem Scheitern die Ironie. Luise bricht aus dem Esoterikkreis wieder aus. Allerdings gelingt ihr das nicht aus eigener Kraft. Theresia Enzensberger organisiert den Prozess, den ihre Protagonistin durchläuft, anhand von Figurenkonstellationen. Luise wendet sich nicht einfach anderen Ideen zu. Sie sucht sich neue Leute, die neue Ideale verkörpern. Und immer geht das nur eine Weile lang gut.

Sie streitet mit Jakob: "Ihr denkt nie über irgendetwas nach, was außerhalb eurer eigenen Welt liegt. Muss Kunst nicht auch politisch sein?" - "Wenn wir Politiker sein wollten, wären wir doch nicht hier." - "Ich rede ja nicht von Politik, wie sie im Rathaus gemacht wird. Aber alles wird immer extremer, die Leute schlagen sich die Köpfe ein, und wir beschäftigen uns nur mit uns selbst." Dann lernt sie Friedrich kennen, der überzeugter Kommunist ist; der über Mussolini spricht und sich dabei in Rage redet; der meint, man könne sich auf die Sozialdemokraten im Kampf gegen den Faschismus nicht verlassen. Sie ist fasziniert. Sie hat bis dahin noch nie jemanden kennengelernt, der eine so klare politische Haltung hatte. Aber wie auch? Ihre Freunde interessierten sich nicht für Politik, und der Meisterrat hatte alle politischen Zusammenschlüsse am Bauhaus gerade erst verboten.

Es geht in diesem Roman auch um die Weimarer Republik, um das, was der Klappentext "Brodeln" nennt. In Berlin stürmen Faschisten einen Eisenbahnwaggon und prügeln mit siebenhundert Mann auf zwanzig Kommunisten ein. Auf der Straße wird ein Junge zusammengeschlagen. "Wieder diese Hitlerleute?" Aber Theresia Enzensberger will nicht möglichst viel Zeitgeschehen hineinpacken, dann wäre es ja doch ein historischer Roman und würde aufhören, vor allem auch vom Heute zu erzählen. Sie macht etwas anderes. Sie lässt die Gewalt, die öffentlich stattfindet und überhandnimmt, auf die Ebene der Figuren durchsickern, indem sie auch die privaten Beziehungen gewalttätig werden lässt. Luise lernt, über Friedrich, Hermann kennen, einen politisierten Reklamezeichner, einen Zeitgeistmenschen, der sich zum rechten Zeitpunkt einen Schnurrbart stehen lässt, immer ganz vorne dran, überall mit dabei. Sie verliebt sich in ihn und er sich in sie. Und der Zeitgeistmann ist es dann, der sie schlägt - was die anderen natürlich mitkriegen; sie wollen sich aber nicht verhalten, sich nicht "auf eine Seite schlagen" und vor allem unbedingt den ständigen Einladungen, die sie von Friedrich erhalten, weiter nachkommen.

Dass das Bauhaus - von der Utopie bis hin zum Design - ein gängiger Bezugspunkt unserer Gegenwart ist, gehört zu den Voraussetzungen für Theresia Enzensbergers "Blaupause". Das erlaubt es ihr auch, die ganze Luise-Schilling-Geschichte in diesem Tonfall zu erzählen. Wer avanciert ist oder sich dafür hält, findet das Bauhaus gut. Vor ein paar Wochen erst fand, organisiert von der sogenannten Zentralen Intelligenz- Agentur aus Berlin, in Weimar ein "Digital Bauhaus Summit" statt, der propagierte, dass es an der Zeit sei, die Auffassung von "modern sein" selbst zu modernisieren und ihr ein "Update für das 21. Jahrhundert" zu verpassen. "Die Ideen des Bauhauses, einst Inbegriff des modernen Lebensstils, bilden den Ausgangspunkt", hieß es da. In der Bauhaustradition wollte man deshalb nicht nur reden, sondern auch "Dinge mit den Händen erschaffen und zertrümmern".

Aber das ist gewissermaßen nur die eine Bewegung des Romans. In der umgekehrten Bewegung erzählt dieser Roman nämlich auch, wie vergangen die Welt, in der wir leben, in so vieler Hinsicht ist, wie wenig sich geändert hat. Das gilt für alle Herabsetzungen der Protagonistin durch ihre chauvinistischen Lehrer - eine ganze Reihe ist das, die sich auf den Fluren der Universitäten jetzt genauso abspielen könnte. Und es gilt für den zuschlagenden und sich modern findenden Machofreund, der heute auch in Berlin um die Ecke leben könnte. "Blaupause" legt so die inneren Widersprüche und Heucheleien einer Avantgarde der zwanziger Jahre offen und erzählt im selben Atemzug die der Szenezirkel von heute. So ist dieses beeindruckende literarische Debüt von Theresia Enzensberger eine Befreiungsgeschichte. Am Ende hat Luise Schilling die Vergangenheit abgerissen und kann die Zukunft bauen.

JULIA ENCKE

Theresia Enzensberger: "Blaupause". Roman. Hanser, 256 Seiten, 22 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Theresia Enzensbergers Debütroman erzählt eine Coming-of-Age-Story, die gleichzeitig eine "Emanzipationsgeschichte" ist, stellt Rezensentin Nora Voit fest: Eine junge Frau versucht sich Anfang des 20. Jahrhunderts in einer von Männern dominierten Kunstwelt zu etablieren. Sie will eine neue Welt mitkreieren. Doch schnell muss sie feststellen, dass die patriarchalen Strukturen selbst dort, wo Gleichheit und Emanzipation propagiert werden, so tief eingegraben sind, dass jeder Befreiungsversuch aussichtslos erscheint, lesen wir. Geschrieben ist dies in einem Stil, den Voit "Blogger-Stil" nennt, in der Sprache der Gegenwart, was auf gewisse Weise konsequent sein mag, auf ihn jedoch eher ungelenk und unstimmig wirkt. Trotzdem liest Voit gern von Luise Schilling und ihrem Weg, der ein Kampf ist -  ein Kampf, der an Aktualität im Jahr 2017 wenig eingebüßt hat. Darin liegt die Kraft dieses Romans, so die abwägende Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
"'Blaupause' gibt einen originellen Einblick in die Aufbruchstimmung der Zwanzigerjahre - die vom aufkommenden Faschismus brutal beendet wird." Andrea Benda, emotion, 11/2017

"Der Roman endet - und das ist Enzensbergers schöne Kunst - nicht fatalistisch, sondern in kühner, aus der Desillusionierung geborener Lebensklugkeit." Volker Weidermann, Literatur Spiegel, Oktober 2017

"Enzensberger gelingt es, die Faszination der Kunstschule einzufangen ... Immer wieder schimmern auch das politische Brodeln der Weimarer Republik und der aufkommende Rechtsdruck durch, was die leichtfüßige Emanzipationsgeschichte erschreckend aktuell wirken lässt." Sara Schausberger, Falter, 34/17

"Ein hochintelligenter Roman. Im Kern ist er ein Appell an die Gegenwart. Er fordert den Leser heraus, die Gefahren für eine gleichberechtigte, demokratische Gesellschaft nicht nur an deren Rändern zu identifizieren, sondern auch in den Widersprüchen ihrer Mitte." Tomasz Kurianowicz, Die Zeit, 03.08.17

"Was wie ein historischer Roman im Bauhaus-Milieu angelegt ist, entpuppt sich als moderne Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau, die ihren Platz im Leben sucht." Nicola Steiner, SRF2, 30.07.17

"Ein in jeder Beziehung kluger, exzellent recherchierter und spannender Roman, der Beachtung verdient." Annkathrin Bornholdt, NDR Kultur, 19.07.17

"'Blaupause' legt die inneren Widersprüche und Heucheleien einer Avantgarde der zwanziger Jahre offen und erzählt im selben Atemzug die der Szenezirkel von heute. So ist dieses beeindruckende literarische Debüt von Theresia Enzensberger eine Befreiungsgeschichte." Julia Encke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.07.17

"'Blaupause' kratzt am Bauhaus-Mythos, aber nicht in denuziatorischer Absicht. Der Roman ist auf eine unaufdringliche Weise gelehrt und lehrreich, frei von Stereotypen und unterhaltsam. Es ist keine kleine Leistung, einen historischen Roman zu schreiben, der fiktionales und reales Personal zusammenbringt und zugleich Wege in die Gegenwart ebnet. Theresia Enzensberger ist dieses Kunststück gelungen." Christoph Schröder, Tagesspiegel, 15.07.17
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