Ein Text-und-Bildbuch haben der Dichter Hans Magnus Enzensberger, der Bildkünstler Jan Peter Tripp und die Gestalterin Justine Landat »aus einer anderen Gegend« mitgebracht, und unterhaltsamer, abwechslungsreicher könnte das, was hier zu lesen und zu sehen ist, kaum sein: Von Augenglas, Medusa, Laubfröschen und Sporen ist in Enzensbergers Versen die Rede, aber auch vom schrägen Blick auf Nachbarn, Villenbewohner und Gäste. Wer mag, erfährt aus dem Blauen eine »Erleuchtung in der Besenkammer« oder vertieft sich in ein »Dämonisches Enzephalogramm«. Abstraktes kommt nicht zu kurz: Ob philosophisches Rätsel, Lehrsatz oder Sentenz - Vertrautes wird rhetorisch unterminiert, und so manche Kaverne eines hohlen Gedankens findet sich nachher von innen beleuchtet. Jan Peter Tripps Bilder dazu, welche die Gedichte umspielen, überfliegen oder durchdringen, sind keineswegs Illustrationen zu poetischen Texten. Unabhängig von diesen sind sie entstanden, eigenwillig verhält sich ihr figurativ-magischer Realismus zu den sprachlich-vieldeutigen Versen. Und doch erscheinen sie hier wie füreinander geschaffen. Dass dies so ist, verdankt sich dem kombinatorischen Sinn der Gestalterin Justine Landat: Sie hat gelesen, angeschaut, gegenübergestellt und erwogen - und zu guter Letzt die Teile in ein schönes Ganzes verzaubert.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Sehr unzufrieden ist Rezensentin Angelika Overath mit diesem Gedichtband, der mehr als nur gelesen sein will: Illustrationen und die (offenbar recht waghalsige) typografische Anordnung verstehen sich als integraler Bestandteil, doch allein: zuschanden kommt der einzelne Text, sodass Overath regelrecht aufatmet, wenn ein Gedicht einmal nur als solches schwarz auf weiß für sich bestehen darf. Wobei Enzensbergers lyrische Reisen zurück in die Welt seiner Kindheit - zurück "zur reizenden Nichtigkeit des Ichs" - vor Overaths prüfendem Blick ohnehin nicht durchweg bestehen: Wohl schätzt sie Enzensbergers pathosfreien Abschied von seinem Bruder, doch wird es ihr beim Abschied von W.G. Sebald schon auf unangenehme Weise zu bedeutungsschwer. Die grafische Gestaltung tue oft ihr übriges, so Overath: Vieles sei schlicht unlesbar, den Groll der Rezensentin rufen Gestaltungsideen hervor, die den Sinn eines Gedichts sogar unterwandern. Richtig angefressen fragt sie sich am Ende, ob die ganze Sache wohl in einer durchzechten Nacht ersonnen wurde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Mit romantischer Ironie gibt sich Enzensberger als ein entlaufener Romantiker zu erkennen, der [auf die] Landschaft zurückblickt, der er entkommen ist.« Heinrich Detering Frankfurter Allgemeine Zeitung 20130216