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Bizarre Typen bevölkern das Blechinferno, wie die lärmerfüllte Fabrikationshalle der Centaur Car Company von den Arbeitern genannt wird. Dieses vergammelte Zweigwerk einer amerikanischen Autofirma ist der wahre Horror: das Management verachtet die Arbeiter und vice versa (mit dem Ergebnis, daß in einem Vorzugswagen für einen Vorzugskunden sich am Ende der Fertigungsstrecke ein stinkender Haufen befindet). Keiner ist dem anderen grün, es gibt deftige Gemeinheiten, Bespitzelungen, Sabotage, blöde Gewerkschaftsrituale, aber auch erstaunliche Beweise von Solidariät und jede Menge schwarzen Humor…mehr

Produktbeschreibung
Bizarre Typen bevölkern das Blechinferno, wie die lärmerfüllte Fabrikationshalle der Centaur Car Company von den Arbeitern genannt wird. Dieses vergammelte Zweigwerk einer amerikanischen Autofirma ist der wahre Horror: das Management verachtet die Arbeiter und vice versa (mit dem Ergebnis, daß in einem Vorzugswagen für einen Vorzugskunden sich am Ende der Fertigungsstrecke ein stinkender Haufen befindet). Keiner ist dem anderen grün, es gibt deftige Gemeinheiten, Bespitzelungen, Sabotage, blöde Gewerkschaftsrituale, aber auch erstaunliche Beweise von Solidariät und jede Menge schwarzen Humor bei den grotesken Begebenheiten und menschlichen Dramen in und außerhalb dieser denkwürdigen Produktionsstätte. Da ist Curly, der seinen eigenen Tod vortäuscht, nur um ein paar Tage zusätzlichen Urlaubs herauszuschinden, Gus Gebbie, das aktivste Klatschmaul der Firma, genannt der -Engel des jüngsten Gerüchts-, oder der fromme Alf Sheridan, der ein Pin-up-Foto der eigenen Tochter entdecken muß. Alles wäre noch schlimmer, würde nicht zurückgetreten - so der Titel der Untergrundfabrikzeitung deren hektographierte Lieferungen regelmäßige sarkastische Kommentare beisteuern, etwa zum Kantinentee oder zur sexuellen Belästigung männlicher Arbeiter durch lüsterne Kolleginnen. Torringtons messerscharfe Satire ist auch ein Abgesang auf die Produktionsweisen vergangener Tage.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.1998

Abstürzende Neuwagen
Jeff Torringtons Blick in den Rückspiegel · Von Friedmar Apel

Der 1935 geborene schottische Autor Jeff Torrington hat sich nach einem abwechslungsreichen Erwerbsleben erst spät als Satiriker der Arbeitswelt hervorgetan. Seine erfahrungsgesättigten und detailversessenen Beobachtungen werden jedoch bei aller Bösartigkeit von einer proletarischen Nostalgie nach der Art Alan Silitoes umschleiert. Torringtons zweiter Roman führt zurück ins merry old England und in seine marode Industrielandschaft vor Maggie Thatchers großen Entrümpelungen.

Schauplatz ist das britische Zweigwerk einer in Detroit beheimateten amerikanischen Autofirma. Hier wird noch an einem überalterten Fließband gearbeitet, von der Belegschaft so haßerfüllt wie liebevoll "die Witwe" genannt. Die Arbeitsdisposition erfolgt mit einem ewig defekten Telex, entsprechend viel geht schief, wenn nicht ohnehin Sabotage im Spiel ist: "Eine oder mehrere unbekannte Personen waren in den Transfertunnel gegangen und hatten mit einem Stahlseil einen vollbeladenen auswärtsfahrenden Hänger an einem leeren Rücklauf auf der Gegenbahn festgezurrt. Folglich waren beim Anlaufen der Witwe mehrere Meter Führungsspur aus den Dachträgern rausgebrochen, und es lagen drei, vielleicht sogar vier Karosserien auf dem Deck drunten, wie es hieß." Aber auch im Normalbetrieb wird ineffektiv gearbeitet, es ist ein täglicher Kampf aller gegen alle, gegen die Tücke des Objekts wie die Bösartigkeit des Subjekts.

Dieser Betrieb ist wahrlich eine Hölle mit sorgfältig markierten Kreisen, die Malocher, Bürohengste, Gewerkschaftler und "Wachpenner" voneinander scheidet, durchweht von Lärm, Gestank, Zigarettenqualm und Alkoholgeruch. Der Dante dieser mythologisch angeschauten archaischen Arbeitswelt ist Steve Laker, der Telex-Disponierer, ein Fachmann für nichtfunktionierende Kommunikation.

Aushalten läßt es sich in dieser Tretmühle nur mit Pornographie, Schnaps und Medikamenten und mit knurrigem Humor: "Sag kein Wort, Alf, nicht ein einziges verdammtes Wort, oder ich komm in Versuchung und erzähl dir was, daß es dir den Heiligenschein oder sowas vom Kopf haut." Es wird aber alles erzählt, was niemand wissen soll, denn Steve Laker ist das Gedächtnis dieser nun fast versunkenen Welt. Sein Erzähler situiert ihn mit dem halben Kopf außerhalb des Geschehens, was sich sprachlich als nicht immer stimmiges Amalgam von Vulgärsprache, technischem Jargon, mythologischen Anspielungen und intellektueller Analyse äußert. Für den Übersetzer keine leichte Aufgabe. Joachim Kalka hat sie gelöst, ohne sich allzusehr an das Stereotyp vom britischen Humor anzubiedern.

Mit der Fabrik kommt es am Ende, wie es im Neoliberalismus kommen muß. Das erscheint kaum als Verlust. Das Individuum jedenfalls bleibt gemäß dem ältesten Gesetz des Komischen bei aller Beschädigung aufrecht stehen.

Jeff Torrington: "Blechinferno". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Joachim Kalka. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 223 S., geb., 36,- DM.

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