Wie Sie mit einfachen Blicktricks erfolgreich verwirren und auf dem vermeintlichen Umweg aufmerksame Blicke auf Ihre Arbeit ziehen.»Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein« - so lässt sich die Kern-Herausforderung visueller Kommunikation in wenige Worte fassen. Ziel unseres Tuns ist es, Aufmerksamkeit und Interesse zu erregen. Dazu aber müsste unser Adressat unserer Bemühungen erstmal wahrnehmen, was wir ihm da anbieten. Der aber schaut aufs Handy, träumt vor sich hin, hetzt zur Arbeit und nimmt rein gar nichts wahr.Die »Ökonomie der Aufmerksamkeit« nennen das Kommunikationspsychologen - und wir Kreative müssen uns täglich was einfallen lassen, um darin erfolgreich mitzuspielen:Uwe Stoklossa kennt das Geheimnis visueller Verführung, er weiß, wie man mit kleinen Tricks den zweiten Blick provoziert, den intensiven Wissen-Wollen-Blick. Er kennt den Haken, mit dem man Blicke angelt. Denn er weiß: Wenn im unbewussten An-etwas-vorbeisehen etwas stört, etwas nicht zu stimmen scheint, etwas irritiert, dann können wir Menschen nicht anders, als noch mal hinsehen. Bewusst und neugierig. Aufmerksam und intensiv. - Genau das, was wir wollen.Das gesammelte Wissen über die kleinen, hochgradig wirksamen Blicktricks könnte Uwe Stoklossa für sich behalten, aber er teilt es: Als Lehrender an der Hochschule Macromedia in Hamburg, an der Akademie Mode und Design in Düsseldorf und in einem zeitlos guten Buch voll praktischer Anregungen und kluger Gedanken zum Sehen und Hinsehen.Eine Entdeckungsreise in die alltägliche Welt der Wahrnehmung mit nicht alltäglichen Beispielen aus visueller Kommunikation und Grafikdesign.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2005Mit eigenen Augen die augenscheinlichen Tricks der Werbung sehen
Uwe Stoklossa hat seine "Blicktricks" ursprünglich als Diplomarbeit eingereicht. Die Arbeit fiel seinem Professor auf und darauf einem Mainzer Verlag, der das Manuskript nun in großer Aufmachung (und kleinen Beischriften) herausbringt. "Blicktricks" ist ein Konzentrat, ja eine Überdosis dessen, was gedruckte Werbung aufregend macht, ja was sie überhaupt erst ausmacht, und schon deshalb sei dieses Buch all denen nahegelegt, die über die Werbung die Nase rümpfen.
Werbung kann obszön sein, und sie schert sich keinen Deut darum, ob sie sexualpolitisch korrekt ist. Sie soll um jeden Preis auffallen. Da hilft in der Regel eine ausgetüftelte Gestaltung - das industrialisierte "Machen" einer Kunst, deren Etats manchen Kulturminister erbleichen ließen. Unter anderem braucht man dazu eine Dosis Empirie. Theorie ist in der Regel die Sache von Gestaltern nicht. Zugespitzt gesagt, existieren genauso viele Designer wie Design-Theoretiker, weil Praktiker dazu neigen, die eigene Erfahrung zu verabsolutieren. Hier gibt Stoklossa, der in seinem Lebenslauf das kreative Entwerfen vor der Hochschullaufbahn anführt, einen entscheidenden Anstoß.
Er hat zigtausend Anzeigen gesichtet, und eine Hauptquelle seiner Inspiration, ein großes Archiv, ist in gegenseitiger Dankbarkeit sogar zum Werbekunden in seinem Buch geworden. Er hat seine Funde in zehn Kapitel angeordnet, die zwischen Aktivitäten des Absenders und des Adressaten hin und her springen. Aus dem Werbedschungel ist auf diese Weise kein Garten Linnés geworden, aber hier wird ein passabler Weg durch den Dschungel gewiesen. Akademisch ordentlich würde das Buch wohl eher "Blicklenkung und Augentäuschung" heißen müssen. Stoklossa fügt den vielen Bildern doch einen längeren Textteil an, der mit der Wahrnehmungspsychologie eines Rudolf Arnheim zwar nicht mithalten kann, aber auf anregende Weise sehr deutlich macht: Unser Auge ist ein Organ, auf das wir uns gegen alle Evidenz besser nicht verlassen sollten, sobald Seheindrücke komplexer werden.
Unter Gestaltern wird "Blicktricks" seinen Weg machen. Das Buch sollte aber auch noch andere Berufsstände interessieren, etwa die jungen Generalisten der sich formierenden Bildwissenschaft. Phänomenologisch sind die Anzeigen in Stoklossas Buch nicht zu unterscheiden vom herkömmlichen Bild - im Gegensatz zum Objekt in der zeitgenössischen Kunst, das heute auf die plane Fläche und einen festgestellten Augenblick in aller Regel verzichtet. Wie ein gutes Gemälde erkennt man eine gute Anzeige nach wenigen Sekunden. Die Kunst ist schon da, wo die Wissenschaft erst mühsam hin muß in ihrem hermeneutischen Drang. Gestaltung, Botschaft, Sinn verstecken sich in der Werbewelt hinter dem Ding, das an die Zielgruppe gebracht werden soll. Die "Menschenrechte des Auges" zu achten, dazu verpflichtet der Deutsche Werberat. Ansonsten gilt hier, was der Medientheoretiker Vinzenz Hediger jüngst in einen hübschen Satz gekleidet hat: Was dem einen ein Hinweis, ist dem anderen ein Fetisch.
Angesichts der Sammelleistung seines Verfassers verblassen die Schwächen dieses Buches, allen voran das hymnisch werbende Vorwort des betreuenden Professors. Seinem eigenen Satz: "Sämtliche Phänomene (der präsentierten Anzeigen) funktionieren ganz automatisch, ohne Vorbildung und ohne Hintergrundwissen", widerspricht Stoklossa selbst andauernd. Was Roland Barthes "punctum" nennt, den subjektiven Blickfang, ist für den individuellen Betrachter ohne das "studium", das Aufrufen der eigenen Lieblingserinnerungen, nicht zu haben. Wir sehen Dinge, die nicht da sind, ein nur aus Menschenhänden geformtes Automobil etwa oder eine braune Glatze als eine Kugel Schokoladeneis; wir neigen zur Negation von Faktischem zugunsten der Phantasie. Warum man über das Phänomen des Kippbildes hinaus auf ein Bildrätsel reagiert und auf ein anderes nicht, läßt sich hier bestens überprüfen - an Bildern, die das Auge sonst eher meidet. Ein Buch, das beim Durchblättern der eigenen, verbildeten Wahrnehmung zur Lehre werden kann. Vielleicht läßt man sich dabei von einer werberelevanten Zielgruppe helfen: Einiges darin bereitet auch großen Kindern Vergnügen. (Uwe Stoklossa: "Blicktricks - Anleitung zur visuellen Verführung". Hermann Schmidt, Mainz 2005. 274 S., 500 Abb., geb., 68,- [Euro].)
THOMAS MEDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Uwe Stoklossa hat seine "Blicktricks" ursprünglich als Diplomarbeit eingereicht. Die Arbeit fiel seinem Professor auf und darauf einem Mainzer Verlag, der das Manuskript nun in großer Aufmachung (und kleinen Beischriften) herausbringt. "Blicktricks" ist ein Konzentrat, ja eine Überdosis dessen, was gedruckte Werbung aufregend macht, ja was sie überhaupt erst ausmacht, und schon deshalb sei dieses Buch all denen nahegelegt, die über die Werbung die Nase rümpfen.
Werbung kann obszön sein, und sie schert sich keinen Deut darum, ob sie sexualpolitisch korrekt ist. Sie soll um jeden Preis auffallen. Da hilft in der Regel eine ausgetüftelte Gestaltung - das industrialisierte "Machen" einer Kunst, deren Etats manchen Kulturminister erbleichen ließen. Unter anderem braucht man dazu eine Dosis Empirie. Theorie ist in der Regel die Sache von Gestaltern nicht. Zugespitzt gesagt, existieren genauso viele Designer wie Design-Theoretiker, weil Praktiker dazu neigen, die eigene Erfahrung zu verabsolutieren. Hier gibt Stoklossa, der in seinem Lebenslauf das kreative Entwerfen vor der Hochschullaufbahn anführt, einen entscheidenden Anstoß.
Er hat zigtausend Anzeigen gesichtet, und eine Hauptquelle seiner Inspiration, ein großes Archiv, ist in gegenseitiger Dankbarkeit sogar zum Werbekunden in seinem Buch geworden. Er hat seine Funde in zehn Kapitel angeordnet, die zwischen Aktivitäten des Absenders und des Adressaten hin und her springen. Aus dem Werbedschungel ist auf diese Weise kein Garten Linnés geworden, aber hier wird ein passabler Weg durch den Dschungel gewiesen. Akademisch ordentlich würde das Buch wohl eher "Blicklenkung und Augentäuschung" heißen müssen. Stoklossa fügt den vielen Bildern doch einen längeren Textteil an, der mit der Wahrnehmungspsychologie eines Rudolf Arnheim zwar nicht mithalten kann, aber auf anregende Weise sehr deutlich macht: Unser Auge ist ein Organ, auf das wir uns gegen alle Evidenz besser nicht verlassen sollten, sobald Seheindrücke komplexer werden.
Unter Gestaltern wird "Blicktricks" seinen Weg machen. Das Buch sollte aber auch noch andere Berufsstände interessieren, etwa die jungen Generalisten der sich formierenden Bildwissenschaft. Phänomenologisch sind die Anzeigen in Stoklossas Buch nicht zu unterscheiden vom herkömmlichen Bild - im Gegensatz zum Objekt in der zeitgenössischen Kunst, das heute auf die plane Fläche und einen festgestellten Augenblick in aller Regel verzichtet. Wie ein gutes Gemälde erkennt man eine gute Anzeige nach wenigen Sekunden. Die Kunst ist schon da, wo die Wissenschaft erst mühsam hin muß in ihrem hermeneutischen Drang. Gestaltung, Botschaft, Sinn verstecken sich in der Werbewelt hinter dem Ding, das an die Zielgruppe gebracht werden soll. Die "Menschenrechte des Auges" zu achten, dazu verpflichtet der Deutsche Werberat. Ansonsten gilt hier, was der Medientheoretiker Vinzenz Hediger jüngst in einen hübschen Satz gekleidet hat: Was dem einen ein Hinweis, ist dem anderen ein Fetisch.
Angesichts der Sammelleistung seines Verfassers verblassen die Schwächen dieses Buches, allen voran das hymnisch werbende Vorwort des betreuenden Professors. Seinem eigenen Satz: "Sämtliche Phänomene (der präsentierten Anzeigen) funktionieren ganz automatisch, ohne Vorbildung und ohne Hintergrundwissen", widerspricht Stoklossa selbst andauernd. Was Roland Barthes "punctum" nennt, den subjektiven Blickfang, ist für den individuellen Betrachter ohne das "studium", das Aufrufen der eigenen Lieblingserinnerungen, nicht zu haben. Wir sehen Dinge, die nicht da sind, ein nur aus Menschenhänden geformtes Automobil etwa oder eine braune Glatze als eine Kugel Schokoladeneis; wir neigen zur Negation von Faktischem zugunsten der Phantasie. Warum man über das Phänomen des Kippbildes hinaus auf ein Bildrätsel reagiert und auf ein anderes nicht, läßt sich hier bestens überprüfen - an Bildern, die das Auge sonst eher meidet. Ein Buch, das beim Durchblättern der eigenen, verbildeten Wahrnehmung zur Lehre werden kann. Vielleicht läßt man sich dabei von einer werberelevanten Zielgruppe helfen: Einiges darin bereitet auch großen Kindern Vergnügen. (Uwe Stoklossa: "Blicktricks - Anleitung zur visuellen Verführung". Hermann Schmidt, Mainz 2005. 274 S., 500 Abb., geb., 68,- [Euro].)
THOMAS MEDER
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erhellend findet Thomas Meder dieses Buch über die visuellen Tricks der Werbung, das Uwe Stoklossa vorgelegt hat. Er charakterisiert das Buch als ein Konzentrat dessen, "was gedruckte Werbung aufregend macht". Der Autor habe zigtausend Anzeigen gesichtet und seine Funde in zehn Kapitel angeordnet, um einen Weg durch den Werbedschungel zu schlagen. Den vielen Bildern folge ein anregender Textteil. Hier mache Stoklossa deutlich, dass unser Auge ein Organ ist, auf das wir uns gegen alle Evidenz besser nicht verlassen sollten. Angesichts der Sammelleistung seines Verfassers wiegen für Meder die Schwächen des Buches nicht allzu schwer. Allerdings hebt er hervor, dass der Autor seinem Satz, "Sämtliche Phänomene (der präsentierten Anzeigen) funktionieren ganz automatisch, ohne Vorbildung und ohne Hintergrundwissen", selbst andauernd widerspricht. Nichtsdestoweniger fällt das Urteil positiv aus: "Ein Buch, das beim Durchblättern der eigenen, verbildeten Wahrnehmung zur Lehre werden kann."
© Perlentaucher Medien GmbH
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