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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2008

Blindes Vertrauen

Der Verlust seiner Augen hat Sir Paul isoliert. Von der Welt, deren Entsetzen ob seiner Entstellung er zu spüren meint, von seinen wenigen Freunden, denen der einst strahlende Starschriftsteller derart verunstaltet nicht gegenübertreten will, und von seiner Arbeit, der er ohne Sehvermögen nicht nachgehen kann. Doch ein letztes Buch will er schreiben, über seine Wahrheit und seine Blindheit. Denn durch die eine meint er der anderen nähergekommen zu sein. Also sucht er einen geeigneten Handlanger, der bei ihm leben und seinen Text aufschreiben soll. John Ryder scheint der perfekte Kandidat - alleinstehend, sofort verfügbar und bereit, sich auf den Alltag mit dem klaustrophobischen Autor einzulassen. Eine fremde Person im Haus bringt jedoch die akkurat geordnete Welt eines Blinden leicht durcheinander. Und so merkt Sir Paul nicht, dass John mehr verändert als die tägliche Routine. Auch der Leser ahnt das wahre Geschehen erst, wenn "Blindband" sich bereits seinem Höhepunkt nähert. Ein Puzzle setzt sich aus Teilen zusammen, welche erst durch die Auflösung der Handlung sichtbar werden und die das Buch plötzlich als Kriminalroman entblößen. Umso beeindruckender ist es, dass Gilbert Adair dieses filigrane Werk fast ausschließlich aus Dialogen konstruiert - der verschriftlichten Wahrnehmung eines Blinden. Veröffentlicht wurde das postmoderne Buch bereits 1999, doch erst die neue Übersetzung befreit "Blindband" von den Übersetzungsschwächen der deutschsprachigen Erstauflage. (Gilbert Adair: "Blindband". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Schlachter. C.H. Beck Verlag, München 2008. 238 S., geb., 18,90 [Euro].) scht

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