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Anders als ihre Romane ist Virginia Woolfs Theaterstück "Freshwater" heute fast in Vergessenheit geraten. Dabei ist die kurze, 1935 im halbprivaten Rahmen des Bloomsbury-Kreises aufgeführte (und dort von Virginia Woolf selbst inszenierte) Komödie nicht nur ein Stück Zeit- und Gesellschaftskritik, sondern lässt seine Autorin als humorvoll-ironische Dramatikerin in einem ganz neuen Licht erscheinen. In einer kleinen Künstlerkolonie im gleichnamigen Küs tenort der Isle of Wight wird der "Dienst an der Kunst" ins Groteske getrieben. Die AkteurInnen sind Künstlerpersönlichkeiten des viktorianischen…mehr

Produktbeschreibung
Anders als ihre Romane ist Virginia Woolfs Theaterstück "Freshwater" heute fast in Vergessenheit geraten. Dabei ist die kurze, 1935 im halbprivaten Rahmen des Bloomsbury-Kreises aufgeführte (und dort von Virginia Woolf selbst inszenierte) Komödie nicht nur ein Stück Zeit- und Gesellschaftskritik, sondern lässt seine Autorin als humorvoll-ironische Dramatikerin in einem ganz neuen Licht erscheinen.
In einer kleinen Künstlerkolonie im gleichnamigen Küs tenort der Isle of Wight wird der "Dienst an der Kunst" ins Groteske getrieben. Die AkteurInnen sind Künstlerpersönlichkeiten des viktorianischen Zeitalters, darunter die berühmte Fotografin Julia Margret Cameron, Virginia Woolfs Großtante. Sowohl die junge Schauspielerin Ellen Terry als auch Julia Margret Cameron planen ihre Flucht aus diesem Elfenbeinturm - mit ganz unterschiedlichen Motiven.
An einer Wiederaufführung Anfang der 1980er Jahre in Paris waren u.a. Eugène Ionesco, Alain Robbe- Grillet und Nathalie Sarraute beteiligt; die erste Aufführung in Deutschland fand erst 1994 in Mainz statt. Anders als in England, Frankreich, Italien oder Spanien wurde "Freshwater" in Deutschland bislang nicht in Buchform veröffentlicht und fehlt auch in der bei Fischer erscheinenden Gesamtausgabe.
Tobias Schwartz' "Bloomsbury", das Woolfs Komödie als "Stück im Stück" und vom Autor übersetzt enthält, ist ein Theaterstück rund um die Uraufführung von "Freshwater". Dem historischen Kontext des Werkes von Virginia Woolf wird in Schwartz' originellem Rahmenstück neues Leben eingehaucht. Verbürgtes, aus Originalzitaten Montiertes und fiktional Ergänztes lassen den poetologischen Kosmos und das biografische Umfeld dieser modernen Klassikerin aufleuchten.
Der ebenfalls von Tobias Schwartz übersetzte Essay Virginia Woolfs über Julia Margret Cameron sowie ein Nachwort des Virginia Woolf-Herausgebers Klaus Reichert vervollständigen diesen Band.
Autorenporträt
Schwartz, Tobias
Tobias Schwartz, 1976 geboren in Osnabrück, ist Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. 2007 veröffentlichte er seinen Debüt-Roman "Film B" (Satyr Verlag). Seine Theaterstücke erscheinen im Per H. Lauke Verlag und wurden an verschiedenen deutschen Bühnen uraufgeführt und gespielt. Als freier Autor schreibt er für verschiedene Zeitungen und Magazine und publizierte mehrere Artikel über Virginia Woolf unter anderem in der "Literarischen Welt" und in der "taz".

Woolf, Virginia
Virginia Woolf, 1882 in London geboren, ist eine der bedeutendsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Sie lebte ab 1904 im Londoner Stadtteil Bloomsbury. Zahlreiche literarische Veröffentlichungen ("Mrs Dalloway", "Zum Leuchtturm", "Orlando. Eine Biographie", "Ein eigenes Zimmer. Essays" u.a.). 1941 nahm sie sich in Rodmell (Sussex) das Leben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.02.2018

Viktorianer,
frisch geduscht
Neu übersetzt: Virginia Woolfs
Theaterstück „Freshwater“
Es gibt Dichterinnen und Schriftsteller, deren Namen mit so viel gehauchter Ehrerbietung genannt werden, dass man sie schon hasst, bevor man auch nur eine einzige Zeile von ihnen gelesen hat. Es wäre sehr ungerecht, wenn dies Virginia Woolf widerfahren würde, die nicht nur experimentelle Romane geschrieben hat sondern oft auch in der kleinen Form groß war, in ihren Essays beispielsweise. So, wie sie ihr Elternhaus vom viktorianischen Plunder entrümpelt und die schweren Vorhänge verbannt hat, um mehr Licht hereinzulassen, so hat sie in ihrem Theaterstück „Freshwater“ die Viktorianer beleuchtet und kritisch, mit leisem Lächeln gesichtet. Es enthält nicht nur feine Parodien berühmter und – auch zu ihrer Zeit schon toter – Künstler, es ist eine Karikatur des viktorianischen Zeitgeists überhaupt samt seinem erstickenden Tugendkatalog aus Anstand, Bescheidenheit, Pflichterfüllung und der Sublimierung von Sexualität und Erotik.
„Freshwater“, genannt nach einem kleinen Örtchen auf der Isle of Wight, blieb ihr einziges Theaterstück. Das Schreiben diente ihr als Entspannung während der Arbeit an dem Roman „Mrs. Dalloway“. Sie hat es mit ihren Freunden und ihrer Familie im Studio ihrer Schwester Vanessa Bell im Winter 1935 aufgeführt, nur zur privaten Belustigung, ohne jemals an eine spätere Veröffentlichung zu denken. Wie es heißt, hat sie sich beim Schlussapplaus für diese „Eselei“, wie sie es nannte, mit einem Eselskopf über ihrem eigenen Haupt verbeugt.
Um diese „Eselei“ heute verstehen und genießen zu können, ist einige Anstrengung vonnöten. Das Nachwort des Virginia Woolf-Kenners und Herausgebers ihrer Werke Klaus Reichert sollte man unbedingt vorab lesen. Dann den lebendigen Essay von Virginia Woolf über die exzentrische Hauptfigur, ihre Tante Julia Margret Cameron, die sich als Fotografin berühmter Zeitgenossen einen Namen machte. Wenn man parallel zum Stück auch immer wieder das ausführliche Glossar zu Rate zieht, kann bei der Lektüre fast nichts mehr schief gehen.
Tobias Schwartz hat mit offensichtlicher Lust an der Komik das Stück ins Deutsche übersetzt. Nicht seine Handlung, sondern der smarte Dialog ist entscheidend, wobei Schwartz die jeweilige Klangfarbe der exzentrischen Selbstdarsteller schön heraus modelliert hat, etwa den herrischen Ton von Mrs. Cameron, die zu Beginn ihrem wehklagenden Ehemann die Haare wäscht oder den naiv-schwärmerischen der jungen Ellen Terry, die dem überspannten Maler George Frederic Watts Modell sitzt, als Inkarnation der „Bescheidenheit, die Mammon zu Füßen sitzt“.
Und eine Lust ist die Karikatur des fanfarenhaft tönenden Dichters Alfred Tennyson, zu diesem Zeitpunkt noch ohne den Lord-Titel. Er erscheint als, wie die Engländer sagen, „pompous old fart“. Durchdrungen von der eigenen Bedeutung, griesgrämig in der eingebildeten Gewissheit, dass die Umgebung diese nicht angemessen zu würdigen weiß. Als die schon vermisste Ellen Terry höchst lebendig vom Strand zurückkehrt, ist Tennyson verärgert, hatte er doch schon Verse auf ihren Tod gezimmert. Ihre herzliche Entschuldigung für ihre ausgezeichnete Verfassung lässt er nicht gelten: „Was soll’s? Nur ein unsterbliches Gedicht vernichtet – das ist alles.“ (Er zerreißt sein Gedicht).
Tobias Schwartz hat „Freshwater“ ein eigenes kurzes Stück vorangestellt, „Bloomsbury“, mit dem wir in die etwas versnobte Akteurs-Clique um Virginia eingeführt werden sollen. Anfangs könnte dies allerdings verwirren, da wir zusätzlich zu den dargestellten Künstlern nun auch noch die sie verkörpernden Schauspieler identifizieren müssen. Dass auf dem Cover der Autorname des Übersetzers über den von Virginia Woolf steht, wirkt etwas befremdlich. Doch gebührt dem Berliner Aviva Verlag Respekt für das ambitionierte Unterfangen. Es ergänzt, um den erfrischenden Witz von Freshwater zu entfalten und die historische Distanz zu überbrücken, das mit seinen 25 Seiten eher kurze Stück durch einen stattlichen Apparat aus Wissenschaft und Dichtung. Nach vollendeter Lektüre blickt man auf neue Bekannte unter den viktorianischen Künstlern zurück. Und auf eine lachende Virginia Woolf. Mitlachen können wir dann auch.
EVA SCHÄFERS
Tobias Schwartz / Virginia Woolf: Bloomsbury & Freshwater. Aus dem Englischen von Tobias Schwartz. Mit einem Nachwort von Klaus Reichert. Aviva Verlag, Berlin 2017. 144 Seiten, 18 Euro.
Der Dichter trauert, als die
am Strand Vermisste zurückkehrt,
um seine Zeilen auf ihren Tod
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