"Nie im Leben! Ich heirate nicht!", schreit Manny, als er erfährt, dass sein Vater in Indien eine Braut für ihn ausgesucht hat, die er später mit siebzehn heiraten soll. Ein Mädchen, das er noch nie gesehen hat! Schließlich hat er ganz andere Pläne: Er träumt davon, Torjäger bei Liverpool oder der erste asiatische Popstar zu werden, Manny ist in England geboren, dort ist sein Zuhause. Er will auf keinen Fall so leben wie sein Vater und seine Brüder.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002Fremde Braut und Rotznase
Kurios: "Bloß (k)eine Heirat"
Manny ist dreizehn Jahre alt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, lebt er auch noch inmitten einer großen Familie: Eltern, Brüder, Schwägerinnen - alle unter einem Dach; da wird Privatsphäre notgedrungen zum Sehnsuchtsort. Manny, der eigentlich Manjit heißt, wurde in England als Sohn indischer Einwanderer geboren. Seine Familie kommt aus dem Punjab, und darauf ist sie wahnsinnig stolz. Für Manny indes ist der Punjab ein x-beliebiger Flecken der Erde. Er fühlt sich als Engländer - ein ganz normaler Teenager mit "Air Max" von Nike an den Füßen und Flausen im Kopf. Doch das alles nützt ihm nichts, er soll verheiratet werden, mit einer Braut, die er nicht kennt.
Arrangierte Ehen sind ein beliebtes Sujet indischer Kunstschaffender. Man denke etwa an Vikram Seths Roman "Eine gute Partie" oder Mira Nairs Spielfilm "Monsoon Wedding". Es ist auch darum ein dankbares Thema, weil es Tragik wie Komik verspricht und zudem für Nichtinder sensationell kurios erscheint. Der Schriftsteller Bali Rai, selbst ein in England geborener Sohn indischer Einwanderer, hat das Thema nun zum Inhalt seines ersten Buches "Bloß (k)eine Heirat!" erkoren. Für seinen Ich-Erzähler Manny ist die Idee einer arrangierten Ehe ähnlich exotisch wie die, mit einem Turban auf dem Kopf in die Schule zu marschieren. Darum wehrt er sich mit Händen und Füßen gegen die Pläne seiner Familie. Der Roman begleitet ihn vier Jahre seines Lebens. Anfang und Ende des Buches bildet Mannys schicksalsträchtiger Hochzeitstag.
Während Manny seine packende Geschichte erzählt, dürfen wir ihn uns getrost als jemanden vorstellen, der dabei seine Hände tief in die Hosentaschen gräbt und ab und an die Nase hochzieht. Er redet ganz und gar nicht wie gedruckt, sondern frei von der Leber weg: Umgangssprache, Jugendjargon und Schimpfworte fügen sich in seinem Redeschwall glaubwürdig zusammen, nichts wirkt aufgesetzt. Und Jacqueline Csuss hat es bewunderungswürdig flott und zeitgemäß ins Deutsche übersetzt. Manny sagt einfach geradeheraus, wie es ist. Das Ergebnis ist wohltuend unartig - was einem Roman mit pubertierendem Helden nur guttun kann.
Darüber hinaus trainiert Manny all die Dinge, die Jugendliche, wenn es nach ihren Eltern ginge, nicht einmal probieren dürften: Manny raucht, Manny trinkt, Manny kifft und Manny klaut. Auf diese Weise wird aus einer fiktiven Figur ein Junge mit Fleisch an den Knochen.
Um ihren Sohn doch noch zur Eheschließung zu bewegen, schicken die Eltern ihn nach Indien. Manny betrachtet die fremde Heimat mit den Augen eines Touristen, der sich von Hitze und Staub und indischen "Megainsekten" gleichermaßen angezogen wie abgestoßen fühlt. Auch hier überzeugt Bali Rai mit seinem unverstellten Blick und seiner offenherzigen und ungekünstelten Erzählweise. Er erlaubt seinem Helden, so temporeich und witzig, unverkrampft und ehrlich zu berichten, daß man ihm richtig gerne zuhört. Respektlos nähert er sich dabei nicht nur seiner eigenen schrecklichen Familie, sondern auch den schmierigen Punjabis der Stadt. Bali Rai ist zum Glück nicht erpicht darauf, Jugendlichen eine fremde Kultur näherzubringen, sondern er erzählt ihnen einfach eine spannende Geschichte. Eltern, die von einem anderen Stern zu kommen scheinen, gibt es schließlich überall auf der Welt.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Bali Rai: "Bloß (k)eine Heirat!". Aus dem Englischen übersetzt von Jacqueline Csuss. Verlag Sauerländer, Düsseldorf 2002. 286 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kurios: "Bloß (k)eine Heirat"
Manny ist dreizehn Jahre alt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, lebt er auch noch inmitten einer großen Familie: Eltern, Brüder, Schwägerinnen - alle unter einem Dach; da wird Privatsphäre notgedrungen zum Sehnsuchtsort. Manny, der eigentlich Manjit heißt, wurde in England als Sohn indischer Einwanderer geboren. Seine Familie kommt aus dem Punjab, und darauf ist sie wahnsinnig stolz. Für Manny indes ist der Punjab ein x-beliebiger Flecken der Erde. Er fühlt sich als Engländer - ein ganz normaler Teenager mit "Air Max" von Nike an den Füßen und Flausen im Kopf. Doch das alles nützt ihm nichts, er soll verheiratet werden, mit einer Braut, die er nicht kennt.
Arrangierte Ehen sind ein beliebtes Sujet indischer Kunstschaffender. Man denke etwa an Vikram Seths Roman "Eine gute Partie" oder Mira Nairs Spielfilm "Monsoon Wedding". Es ist auch darum ein dankbares Thema, weil es Tragik wie Komik verspricht und zudem für Nichtinder sensationell kurios erscheint. Der Schriftsteller Bali Rai, selbst ein in England geborener Sohn indischer Einwanderer, hat das Thema nun zum Inhalt seines ersten Buches "Bloß (k)eine Heirat!" erkoren. Für seinen Ich-Erzähler Manny ist die Idee einer arrangierten Ehe ähnlich exotisch wie die, mit einem Turban auf dem Kopf in die Schule zu marschieren. Darum wehrt er sich mit Händen und Füßen gegen die Pläne seiner Familie. Der Roman begleitet ihn vier Jahre seines Lebens. Anfang und Ende des Buches bildet Mannys schicksalsträchtiger Hochzeitstag.
Während Manny seine packende Geschichte erzählt, dürfen wir ihn uns getrost als jemanden vorstellen, der dabei seine Hände tief in die Hosentaschen gräbt und ab und an die Nase hochzieht. Er redet ganz und gar nicht wie gedruckt, sondern frei von der Leber weg: Umgangssprache, Jugendjargon und Schimpfworte fügen sich in seinem Redeschwall glaubwürdig zusammen, nichts wirkt aufgesetzt. Und Jacqueline Csuss hat es bewunderungswürdig flott und zeitgemäß ins Deutsche übersetzt. Manny sagt einfach geradeheraus, wie es ist. Das Ergebnis ist wohltuend unartig - was einem Roman mit pubertierendem Helden nur guttun kann.
Darüber hinaus trainiert Manny all die Dinge, die Jugendliche, wenn es nach ihren Eltern ginge, nicht einmal probieren dürften: Manny raucht, Manny trinkt, Manny kifft und Manny klaut. Auf diese Weise wird aus einer fiktiven Figur ein Junge mit Fleisch an den Knochen.
Um ihren Sohn doch noch zur Eheschließung zu bewegen, schicken die Eltern ihn nach Indien. Manny betrachtet die fremde Heimat mit den Augen eines Touristen, der sich von Hitze und Staub und indischen "Megainsekten" gleichermaßen angezogen wie abgestoßen fühlt. Auch hier überzeugt Bali Rai mit seinem unverstellten Blick und seiner offenherzigen und ungekünstelten Erzählweise. Er erlaubt seinem Helden, so temporeich und witzig, unverkrampft und ehrlich zu berichten, daß man ihm richtig gerne zuhört. Respektlos nähert er sich dabei nicht nur seiner eigenen schrecklichen Familie, sondern auch den schmierigen Punjabis der Stadt. Bali Rai ist zum Glück nicht erpicht darauf, Jugendlichen eine fremde Kultur näherzubringen, sondern er erzählt ihnen einfach eine spannende Geschichte. Eltern, die von einem anderen Stern zu kommen scheinen, gibt es schließlich überall auf der Welt.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Bali Rai: "Bloß (k)eine Heirat!". Aus dem Englischen übersetzt von Jacqueline Csuss. Verlag Sauerländer, Düsseldorf 2002. 286 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Wer letztes Jahr im kino war, der kennt das Problem eigentlich schon: Ein rebellischer indischer Teenager, aufgewachsen in England, gerät zwischen die Fronten von Familie und Tradition auf der einen Seite und dem westlichen Lebensstil auf der anderen. Zum Entsetzen ihrer Eltern ging die 17jährige Inderin Jess im Kinofilm Kick it like Beckham auf Torjagd statt auf Männerjagd. Bali Rai ist selbst Sohn indischer Einwanderer in England und weiß vermutlich ziemlich gut, wovon er in seinem Roman Bloß (k)eine Heirat erzählt. Manny ist 15, als ihm sein Vater verkündet, er habe eien indische Braut für ihn ausgesucht. Ein Mädchen, das er noch nie gesehen hat! Die Nachricht ist wie ein Schlag ins Gesicht für Manny. Schließlich hat er ganz andere Pläne: Er will Torjäger bei Liverpool werden, der erste asiatische Popstar oder vielleicht einen Bestseller schreiben. Er würde nie und nimmer so leben können wie sein Vater und seine Brüder. Die nennen ihn Kokosbirne - außen braun und innen weiß." (X-mag)
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Manjits indischstämmige Familie pflegt auch noch in ihrer neuen Heimat Großbritannien ihre traditionellen Vorstellungen. So soll der 14-jährige Held eine arrangierte Hochzeit eingehen, obwohl er doch laut Rezensent Ralf Schweikert "noch nicht mal das Licht am Ende des Pubertätstunnels erblickt hat". Bali Rais Debütroman "Bloß (k)eine Heirat" schildert Manjits Versuch, sich aus den starren Konventionen seiner Eltern zu befreien und zwar in "erfreulich belehrungsfreier" Weise, fasst der Rezensent zusammen. Die Dialoge dieses Jugendbuches fand Schweikert besonders beeindruckend, obwohl durch die Übersetzung manchmal die von Rai benutzten Slang-Elemente verloren gingen. Viele indische Wörter wurden laut Rezensent gar nicht übertragen, sondern in einem Glossar erklärt. Zusammenfassend bescheinigt er dem Roman, durch seine "unbekümmerte Erzählweise" einen interessanten Einblick in das Leben von Migrationfamilien zu leisten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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