Denied a dog, a baby, and even a faithful fiancé, Cat suddenly craves a snake: a glistening, writhing creature that can be worn like "jewelry, living jewelry" to match her black jeans. But when the budding social media star promptly loses the young "Burmie" she buys from a local pet store, she inadvertently sets in motion a chain of increasingly dire and outrageous events that comes to threaten her very survival. "Brilliantly imaginative . . . in a terrifying way" (Annie Proulx), Blue Skies follows in the tradition of T. C. Boyle's finest novels, combining high-octane plotting with mordant wit and shrewd social commentary. Here Boyle, one of the most inventive voices in contemporary fiction, transports us to water-logged and heat-ravaged coastal America, where Cat and her hapless, nature-loving family-including her eco-warrior parents, Ottilie and Frank; her brother, Cooper, an entomologist; and her frat-boy-turned-husband, Todd-are struggling to adapt to the "new normal," in which once-in-a-lifetime natural disasters happen once a week and drinking seems to be the only way to cope. But there's more than meets the eye to this compulsive family drama. Lurking beneath the banal façade of twenty-first-century Californians and Floridians attempting to preserve normalcy in the face of violent weather perturbations is a caricature of materialist American society that doubles as a prophetic warning about our planet's future. From pet bees and cricket-dependent diets to massive species die-off and pummeling hurricanes, Blue Skies deftly explores the often volatile relationships between humans and their habitats, in which "the only truism seems to be that things always get worse." An eco-thriller with teeth, Boyle's Blue Skies is at once a tragicomic satire and a prescient novel that captures the absurdity and "inexpressible sadness at the heart of everything."
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2023Apokalyptiker und Katalysator
Der Ausnahmezustand ist die neue Normalität, nicht nur klimatisch, auch persönlich: T. C. Boyle setzt mit dem Roman "Blue Skies" seine Beobachtung des Rachefeldzugs der Natur gegen den Menschen fort.
Diesmal hat sein deutscher Verlag den Wettlauf um die Erstpublikation des neuen Romans von T. C. Boyle nicht gewonnen: "Blue Skies" kam in den Vereinigten Staaten noch vor der Übersetzung heraus - wenn auch nur einen Tag früher. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es klingt. In den letzten Jahren hatte man sich bei Hanser Mühe gegeben, Boyles Bücher als die eines der hierzulande erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller möglichst als Erste herauszubringen, denn man fürchtete signifikante Verkaufsverluste durch die leicht zugänglichen (kommerziell wie sprachlich) englischen Ausgaben - "Das Licht" ging 2019 auf Deutsch gar gleich einige Monate dem Original namens "Outside Looking" voraus. Doch dieses Bemühen, das im Zweifelsfalle auf Kosten der übersetzerischen Qualität selbst bei einem derart versierten und (Boyle-)erfahrenen Mann wie Dirk van Gunsteren zu gehen droht, scheint nunmehr aufgegeben. Gut so, der Kuchen ist im Falle Boyles groß genug für alle.
Das liegt daran, dass seine Leser seit mehr als vierzig Jahren wissen, was sie an dem 1948 geborenen Schriftsteller haben: den großen Erzähler der Zivilisationsskepsis. Oder besser und konkreter gesagt: des Umschlags des American dream in einen amerikanischen Albtraum. Nur Boyles Erstling, der historische Roman "Wassermusik", spielte außerhalb der Vereinigten Staaten, und bis auf den ebenfalls frühen "World's End" (1987) sind sämtliche anderen siebzehn Boyle-Romane im zwanzigsten Jahrhundert oder der Gegenwart angesiedelt ("Ein Freund der Erde", erschienen 2002, gar teilweise in naher Zukunft). Sie ergeben durch ihre Mischung aus prominenten biographischen Stoffen (über popkulturell so bedeutende Figuren wie John Harvey Kellogg, Alfred Charles Kinsey, Frank Lloyd Wright oder Timothy Leary) und bürgerlichen Gesellschaftsporträts im Gesamtbild das Panorama einer Weltmacht, die im eigenen Haus an den inneren Widersprüchen ihres individualistischen Ideals scheitert.
So auch wieder in "Blue Skies". Am einen Ende des Landes, in Kalifornien, brennen pausenlos die Sonne und die ausgetrocknete Vegetation, am anderen, in Florida, das sich selbst als "Sunshine State" apostrophiert, hört es kaum mehr auf zu schütten. Das Klima spielt verrückt, aber alle wissen, dass das die neue Normalität sein wird. "Alle", das sind in diesem personell sehr konzentrierten Roman an der Westküste die Cullens, ein am Ende seines Erwerbslebens stehendes Ehepaar mit zwei erwachsenen Kindern, und an der Ostküste die Rivers als junges verliebtes Paar - Todd ist Markenbotschafter des Rumherstellers Bacardi, Cat die Tochter der Cullens (und sonst nichts, worunter die Mittzwanzigerin leidet; Influencerin wäre sie schon gerne).
Mit ihr hebt der Roman an, der sich im Folgenden kapitelweise abwechselnd auf drei Perspektiven einlässt: neben Cats noch die ihrer Mutter Ottilie und ihres Bruders Cooper. Boyle erweist sich dabei einmal mehr als Virtuose dieses dreifach vereinzelten Weltblicks: "Was war das nur, was lief da falsch?", fragt sich Ottilie: "Wo war die Welt, in der sie aufgewachsen war, in der es regnete, wenn es regnen sollte, und auf jeder weißen Kleeblüte in jedem Garten der Nachbarschaft eine Biene saß?" Ihren Sohn Cooper wundert das dagegen weniger. Er ist Biologe und Apokalyptiker; angesichts von Wetterkapriolen und Insektensterben sieht er sich bestätigt. Pech nur, dass ihn ein infizierter Zeckenbiss einen halben Arm kostet. Ganz so individuell apokalyptisch hatte er sich die düstere Zukunft nicht vorgestellt.
Aber beider Schicksal ist nichts gegen das von Cat, die im Mittelpunkt von zwölf der insgesamt 26 Kapitel steht. Der Kauf einer ihr zauberhaft schön erscheinenden Würgeschlange setzt eine Ereignisabfolge in Gang, die Boyle meisterhaft in Szene zu setzen weiß: weil durch die Schlange ein steter Suspense besteht, der sich aber erst in unerwartetem Moment konkretisiert. Und das dann in einer Drastik, die bislang nicht das Kennzeichen des Ironikers T. C. Boyle war. Merkmal seines Schreibens, vor allem in den ebenfalls zahlreichen Kurzgeschichten, war ja stets das nur angedeutete, zuletzt meist doch offengelassene Desaster. Das erste Kapitel von "Blue Skies" würde isoliert eine solch typische Boyle-Short-Story bieten: Anders als bei Dürrenmatt sind seine Geschichten im Regelfall schon dann zu Ende erzählt, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung gerade erst eingeschlagen haben.
Hier also geht es weit darüber hinaus, und man mag darin die Desillusionierung des nunmehr betagten Zynikers Boyle erkennen. Vielleicht auch eine bei ihm ungewohnte erzählerische Ungeduld. Wie er Todd und Cat sich entzweien lässt, das ist diesmal weniger subtil als von Beginn an klischeebehaftet, und es verbindet sich mit der ökologischen Zwangslage nur insofern, als Todds Tesla eine Funktion im Handlungsgefüge zugesprochen bekommt, die eine Brücke zur alten automobilaffinen Gesellschaft in den USA schlägt. Gerade das aber wirkt eher wie ein Abgesang auf den Amerika-Analytiker Boyle, der seine Inspiration immer aus dem eigenen Lebenshorizont bezogen hat. Mittlerweile sind seine eigenen Kinder jedoch über das Alter von Todd und Cat hinaus, und so wirken diese beiden eher nicht wie ein zeitaktuelles postpandemisches Paar, sondern wie ein Relikt aus dem hedonistischen Jahrtausendbeginn, wenn nicht gar aus noch weiter zurückliegender Zeit.
Trotzdem wird "Blue Skies" das große Publikum von T. C. Boyle erfreuen, denn der Roman bietet über die jeweils ungeplante Rache der Natur und die Hybris der Menschen die Kernbotschaft dieses Schriftstellers in nochmals konzentrierter Form - als Essenz eines engagierten Erzählers, der deshalb in seiner sorglos-selbstverliebten amerikanischen Heimat weitaus weniger geschätzt wird als in Deutschland. Und in seinen Spott mischt sich diesmal mehr als jemals zuvor Verzweiflung, und zwar über das Versagen des einzigen Antidots gegen die Weltvergiftung, an das Boyles Figuren stets geglaubt haben: die Liebe. Hier erstmals vorgeführt als Mutterliebe - und das dann in doch sehr subtiler Form gleich doppelt. Wie sich Cat und Ottilie aufeinander beziehen, das ist unbedingt lesenswert, und wie Cooper sich dabei ungewollt als Katalysator erweist, auch. ANDREAS PLATTHAUS
T. C. Boyle: "Blue Skies". Roman.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Hanser Verlag, München 2023. 399 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Ausnahmezustand ist die neue Normalität, nicht nur klimatisch, auch persönlich: T. C. Boyle setzt mit dem Roman "Blue Skies" seine Beobachtung des Rachefeldzugs der Natur gegen den Menschen fort.
Diesmal hat sein deutscher Verlag den Wettlauf um die Erstpublikation des neuen Romans von T. C. Boyle nicht gewonnen: "Blue Skies" kam in den Vereinigten Staaten noch vor der Übersetzung heraus - wenn auch nur einen Tag früher. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es klingt. In den letzten Jahren hatte man sich bei Hanser Mühe gegeben, Boyles Bücher als die eines der hierzulande erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller möglichst als Erste herauszubringen, denn man fürchtete signifikante Verkaufsverluste durch die leicht zugänglichen (kommerziell wie sprachlich) englischen Ausgaben - "Das Licht" ging 2019 auf Deutsch gar gleich einige Monate dem Original namens "Outside Looking" voraus. Doch dieses Bemühen, das im Zweifelsfalle auf Kosten der übersetzerischen Qualität selbst bei einem derart versierten und (Boyle-)erfahrenen Mann wie Dirk van Gunsteren zu gehen droht, scheint nunmehr aufgegeben. Gut so, der Kuchen ist im Falle Boyles groß genug für alle.
Das liegt daran, dass seine Leser seit mehr als vierzig Jahren wissen, was sie an dem 1948 geborenen Schriftsteller haben: den großen Erzähler der Zivilisationsskepsis. Oder besser und konkreter gesagt: des Umschlags des American dream in einen amerikanischen Albtraum. Nur Boyles Erstling, der historische Roman "Wassermusik", spielte außerhalb der Vereinigten Staaten, und bis auf den ebenfalls frühen "World's End" (1987) sind sämtliche anderen siebzehn Boyle-Romane im zwanzigsten Jahrhundert oder der Gegenwart angesiedelt ("Ein Freund der Erde", erschienen 2002, gar teilweise in naher Zukunft). Sie ergeben durch ihre Mischung aus prominenten biographischen Stoffen (über popkulturell so bedeutende Figuren wie John Harvey Kellogg, Alfred Charles Kinsey, Frank Lloyd Wright oder Timothy Leary) und bürgerlichen Gesellschaftsporträts im Gesamtbild das Panorama einer Weltmacht, die im eigenen Haus an den inneren Widersprüchen ihres individualistischen Ideals scheitert.
So auch wieder in "Blue Skies". Am einen Ende des Landes, in Kalifornien, brennen pausenlos die Sonne und die ausgetrocknete Vegetation, am anderen, in Florida, das sich selbst als "Sunshine State" apostrophiert, hört es kaum mehr auf zu schütten. Das Klima spielt verrückt, aber alle wissen, dass das die neue Normalität sein wird. "Alle", das sind in diesem personell sehr konzentrierten Roman an der Westküste die Cullens, ein am Ende seines Erwerbslebens stehendes Ehepaar mit zwei erwachsenen Kindern, und an der Ostküste die Rivers als junges verliebtes Paar - Todd ist Markenbotschafter des Rumherstellers Bacardi, Cat die Tochter der Cullens (und sonst nichts, worunter die Mittzwanzigerin leidet; Influencerin wäre sie schon gerne).
Mit ihr hebt der Roman an, der sich im Folgenden kapitelweise abwechselnd auf drei Perspektiven einlässt: neben Cats noch die ihrer Mutter Ottilie und ihres Bruders Cooper. Boyle erweist sich dabei einmal mehr als Virtuose dieses dreifach vereinzelten Weltblicks: "Was war das nur, was lief da falsch?", fragt sich Ottilie: "Wo war die Welt, in der sie aufgewachsen war, in der es regnete, wenn es regnen sollte, und auf jeder weißen Kleeblüte in jedem Garten der Nachbarschaft eine Biene saß?" Ihren Sohn Cooper wundert das dagegen weniger. Er ist Biologe und Apokalyptiker; angesichts von Wetterkapriolen und Insektensterben sieht er sich bestätigt. Pech nur, dass ihn ein infizierter Zeckenbiss einen halben Arm kostet. Ganz so individuell apokalyptisch hatte er sich die düstere Zukunft nicht vorgestellt.
Aber beider Schicksal ist nichts gegen das von Cat, die im Mittelpunkt von zwölf der insgesamt 26 Kapitel steht. Der Kauf einer ihr zauberhaft schön erscheinenden Würgeschlange setzt eine Ereignisabfolge in Gang, die Boyle meisterhaft in Szene zu setzen weiß: weil durch die Schlange ein steter Suspense besteht, der sich aber erst in unerwartetem Moment konkretisiert. Und das dann in einer Drastik, die bislang nicht das Kennzeichen des Ironikers T. C. Boyle war. Merkmal seines Schreibens, vor allem in den ebenfalls zahlreichen Kurzgeschichten, war ja stets das nur angedeutete, zuletzt meist doch offengelassene Desaster. Das erste Kapitel von "Blue Skies" würde isoliert eine solch typische Boyle-Short-Story bieten: Anders als bei Dürrenmatt sind seine Geschichten im Regelfall schon dann zu Ende erzählt, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung gerade erst eingeschlagen haben.
Hier also geht es weit darüber hinaus, und man mag darin die Desillusionierung des nunmehr betagten Zynikers Boyle erkennen. Vielleicht auch eine bei ihm ungewohnte erzählerische Ungeduld. Wie er Todd und Cat sich entzweien lässt, das ist diesmal weniger subtil als von Beginn an klischeebehaftet, und es verbindet sich mit der ökologischen Zwangslage nur insofern, als Todds Tesla eine Funktion im Handlungsgefüge zugesprochen bekommt, die eine Brücke zur alten automobilaffinen Gesellschaft in den USA schlägt. Gerade das aber wirkt eher wie ein Abgesang auf den Amerika-Analytiker Boyle, der seine Inspiration immer aus dem eigenen Lebenshorizont bezogen hat. Mittlerweile sind seine eigenen Kinder jedoch über das Alter von Todd und Cat hinaus, und so wirken diese beiden eher nicht wie ein zeitaktuelles postpandemisches Paar, sondern wie ein Relikt aus dem hedonistischen Jahrtausendbeginn, wenn nicht gar aus noch weiter zurückliegender Zeit.
Trotzdem wird "Blue Skies" das große Publikum von T. C. Boyle erfreuen, denn der Roman bietet über die jeweils ungeplante Rache der Natur und die Hybris der Menschen die Kernbotschaft dieses Schriftstellers in nochmals konzentrierter Form - als Essenz eines engagierten Erzählers, der deshalb in seiner sorglos-selbstverliebten amerikanischen Heimat weitaus weniger geschätzt wird als in Deutschland. Und in seinen Spott mischt sich diesmal mehr als jemals zuvor Verzweiflung, und zwar über das Versagen des einzigen Antidots gegen die Weltvergiftung, an das Boyles Figuren stets geglaubt haben: die Liebe. Hier erstmals vorgeführt als Mutterliebe - und das dann in doch sehr subtiler Form gleich doppelt. Wie sich Cat und Ottilie aufeinander beziehen, das ist unbedingt lesenswert, und wie Cooper sich dabei ungewollt als Katalysator erweist, auch. ANDREAS PLATTHAUS
T. C. Boyle: "Blue Skies". Roman.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Hanser Verlag, München 2023. 399 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2023Wie nett, die Apokalypse ist da
In Kalifornien brennen die Wälder, doch T.C. Boyles Roman „Blue Skies“ macht trotzdem keine Angst vor der Klimakatastrophe
Das größte Kunststück des amerikanischen Schriftstellers und Pop-Phänomens T. C. Boyle besteht womöglich darin, seit Jahrzehnten familienfreundliche, niederschwellige Unterhaltungsromane zu schreiben, und trotzdem in Nachrichtenmagazinen beharrlich als „Rockstar der Gegenwartsliteratur“ beschrieben zu werden. T. C. Boyle existiert in zweifacher Ausführung; als lebender, atmender Schriftsteller, der mit seiner Familie in Kalifornien wohnt und einen Roman nach dem anderen schreibt, und als petrifizierte Medienpersona, die in Porträts und Reportagen immer wieder aufersteht und an deren Gestalt sich niemals etwas ändern kann.
In dieser ganz bemerkenswerten Fähigkeit, jede Veränderung einfach zu absorbieren, liegt womöglich auch der Schlüssel zur anhaltenden Faszination für seine Romane. Popkultur ist ja auch deshalb so bezwingend, weil sie einerseits jeden Moment als besondere Ausnahmeerscheinung feiert, während sie sich letztlich immer gleich bleibt. Gegenüber dem Beat, so hat es Diedrich Diederichsen einmal formuliert, sind wir die Abweichung.
Alles, was in Wirklichkeit kompliziert und überwältigend ist, tritt im Pop im Allgemeinen und in Romanen von T. C. Boyle im Besonderen als eingängige Erzählung hervor. Darin liegt ein besonderer Trost: Keine Katastrophe ist zu groß, kein Problem zu komplex, als dass es am Ende nicht doch wieder in die anschmiegsame Form gegossen werden könnte und damit im Grunde auch halb bewältigt ist.
Der neue Roman von T. C. Boyle heißt „Blue Skies“, nach einem Song von Ella Fitzgerald, in dem es um ein leichtes Gemüt geht, eine verheißungsvolle Zukunft und gutes, mildes Wetter. T. C. Boyle dreht die Metapher um, bei ihm steht der blaue Himmel für den Horror des Klimawandels. In Kalifornien lässt sich in der Romangegenwart manchmal monatelang keine Wolke blicken, das Land trocknet aus, und das Trinkwasser wird rationiert. Jeder Tag ist „ein Abbild des vorangegangenen, und das führte zu einer Art Überdruss und war eine tägliche Erinnerung an die Dürre“. Mit dieser fatalen Umdeutung beschäftigt sich der ganze Roman.
Was vor dreißig Jahren noch als Versprechen galt – blauer Himmel, Pools, Strandhäuser –, ist heute vor allem ein Menetekel kommenden Unheils. Auf den letzten Seiten des Buches wagt eine Figur den direkten Vergleich: Im Jahr 1991 hatte sie gerade ihr Haus bezogen, hatte ihrem Mann beim Aufbau der Arztpraxis geholfen und: „Wetter war Wetter. (...) Die Apokalypse fand damals anderswo statt, so weit entfernt, dass sie der Stoff war, aus dem man Science-Fiction-Filme mit Drohnen, Mutterschiffen, Hyperspace und katastrophal schlechtem Wetter machte. Heute war sie nicht mehr anderswo. Die Hitze war real, die Gletscher schmolzen, die Dürre war endlos, der Meeresspiegel stieg.“
Im Mittelpunkt des Romans steht eine amerikanische Familie, deren Mitglieder in Kalifornien und Florida leben und der es eigentlich an nichts fehlt. Die Figuren bewohnen Häuser am Meer, an den Wochenenden reinigen sie ihre Pools und gehen extravaganten Hobbys nach. Der Vater ist Arzt, die Tochter kauft sich einen Tigerpython, in der Hoffnung, damit ihr Profil als Influencerin zu schärfen, der Sohn ist Insektenforscher. Sie kochen gern, wandern gern, und wenn sie sich in geschlossenen Räumen aufhalten, lassen sie gern den Fernseher ohne Ton laufen.
All diese Aktivitäten verlieren im Laufe des Romans ihre Unschuld, überall dringt die Katastrophe durch die Ritzen. In Kalifornien kommen die Waldbrände näher, in Florida werden Überschwemmungen eher die Regel als die Ausnahme, und wie in einem Gedicht von Jakob van Hoddis fallen die Insekten in einem spontanen Massensterben aus dem Himmel und „bedecken den Boden wie hellbrauner Schnee“.
Das ergibt immer wieder poetische Bilder von katastrophischer Schönheit, die scharf den oberflächlich ereignislosen Alltag kontrastieren. Die Figuren machen sich Gedanken über anstehende Hochzeiten, über die richtige Sauce für die gegrillten Muscheln und ob sie aktuell Lust auf ein Mandelcroissant haben oder ob es ihnen nur so vorkommt. Diese Überlegungen werden in regelmäßigen Abständen von der Natur unterbrochen, die sich zum Beispiel olfaktorisch bemerkbar macht, wenn der Rauch von den Waldbränden durch die geschlossenen Fenster kriecht, „nicht der scharfe, metallische Geruch eines verschmorten Koteletts oder einer verbrannten Scheibe Toast, sondern etwas Dichteres, Wilderes, ein stechender, toxischer Gestank, der sich immer mehr ausbreitete und rasch stärker wurde“.
Das je nach Lesart Geniale oder Unbedarfte an diesem Roman ist nun, dass er sich von den Kipppunkten genauso wenig in seine Gewohnheiten hineinreden lässt wie seine Figuren. Das Spätanthropozän hat ja nicht nur an den Polkappen, sondern auch in der Gegenwartsliteratur seine Spuren hinterlassen; die Naturdichtung heißt jetzt Climate Fiction, der Aufenthalt an der frischen Luft ist auch für Romanfiguren seltsam bedrückend geworden, und Autoren wie Juan S. Guse, Esther Kinsky, Amitav Ghosh oder Isabel Fargo Cole haben auf die Frage, wie sich dem Ende der Natur als solche auch formal einigermaßen gerecht werden ließe, interessante Antworten formuliert.
T. C. Boyles Schreibweise bleibt davon völlig unberührt. Die Ausgangsbeobachtungen von „Blue Skies“ lauten, dass nichts mehr ist, wie es einmal war, dass der kapitalistischen Lebensweise die Grundlage abhandengekommen ist und die alten Metaphern nicht mehr funktionieren. Formal aber verlässt sich der Roman nach wie vor auf dieselben Instrumente, mit denen Bestseller schon immer hergestellt wurden: kurze Kapitel, regelmäßige Plottwists, Cliffhanger. Wenn in diesem Buch Dachbalken einstürzen, Haustiere zubeißen, Familienmitglieder im Krankenhaus landen, dann ereignen sich diese Vorfälle stets am Ende eines Abschnitts.
Dadurch ist das ästhetische Erlebnis, „Blue Skies“ zu lesen, sehr nah dran an der Erfahrung, eine Sitcom zu schauen. Mit all ihren Vor- und Nachteilen: Anfangs steht einem die generische Machart penetrant vor Augen, aber wenn man sich einmal trainiert hat zu übersehen, dass sich hier immer und immer wieder das gleiche Muster wiederholt, geht es eigentlich ganz gut rein. Und könnte dann auch noch lange so weitergehen. Denn am Ende ist es ja doch auch wahnsinnig nett.
FELIX STEPHAN
„Blue Skies“, das klingt nach
gutem Wetter und Verheißung –
zumindest bis zu diesem Roman
Das Spätanthropozän
hat auch in der Literatur
seine Spuren hinterlassen
Keine Katastrophe ist T.C.Boyle zu groß, kein Problem zu komplex, als dass es am Ende von ihm nicht doch wieder in die anschmiegsame Form gegossen werden könnte und damit auch halb bewältigt ist.
Foto: Jamieson Fry
T. C. Boyle:
Blue Skies.
Roman.
Hanser, München 2023. 400 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In Kalifornien brennen die Wälder, doch T.C. Boyles Roman „Blue Skies“ macht trotzdem keine Angst vor der Klimakatastrophe
Das größte Kunststück des amerikanischen Schriftstellers und Pop-Phänomens T. C. Boyle besteht womöglich darin, seit Jahrzehnten familienfreundliche, niederschwellige Unterhaltungsromane zu schreiben, und trotzdem in Nachrichtenmagazinen beharrlich als „Rockstar der Gegenwartsliteratur“ beschrieben zu werden. T. C. Boyle existiert in zweifacher Ausführung; als lebender, atmender Schriftsteller, der mit seiner Familie in Kalifornien wohnt und einen Roman nach dem anderen schreibt, und als petrifizierte Medienpersona, die in Porträts und Reportagen immer wieder aufersteht und an deren Gestalt sich niemals etwas ändern kann.
In dieser ganz bemerkenswerten Fähigkeit, jede Veränderung einfach zu absorbieren, liegt womöglich auch der Schlüssel zur anhaltenden Faszination für seine Romane. Popkultur ist ja auch deshalb so bezwingend, weil sie einerseits jeden Moment als besondere Ausnahmeerscheinung feiert, während sie sich letztlich immer gleich bleibt. Gegenüber dem Beat, so hat es Diedrich Diederichsen einmal formuliert, sind wir die Abweichung.
Alles, was in Wirklichkeit kompliziert und überwältigend ist, tritt im Pop im Allgemeinen und in Romanen von T. C. Boyle im Besonderen als eingängige Erzählung hervor. Darin liegt ein besonderer Trost: Keine Katastrophe ist zu groß, kein Problem zu komplex, als dass es am Ende nicht doch wieder in die anschmiegsame Form gegossen werden könnte und damit im Grunde auch halb bewältigt ist.
Der neue Roman von T. C. Boyle heißt „Blue Skies“, nach einem Song von Ella Fitzgerald, in dem es um ein leichtes Gemüt geht, eine verheißungsvolle Zukunft und gutes, mildes Wetter. T. C. Boyle dreht die Metapher um, bei ihm steht der blaue Himmel für den Horror des Klimawandels. In Kalifornien lässt sich in der Romangegenwart manchmal monatelang keine Wolke blicken, das Land trocknet aus, und das Trinkwasser wird rationiert. Jeder Tag ist „ein Abbild des vorangegangenen, und das führte zu einer Art Überdruss und war eine tägliche Erinnerung an die Dürre“. Mit dieser fatalen Umdeutung beschäftigt sich der ganze Roman.
Was vor dreißig Jahren noch als Versprechen galt – blauer Himmel, Pools, Strandhäuser –, ist heute vor allem ein Menetekel kommenden Unheils. Auf den letzten Seiten des Buches wagt eine Figur den direkten Vergleich: Im Jahr 1991 hatte sie gerade ihr Haus bezogen, hatte ihrem Mann beim Aufbau der Arztpraxis geholfen und: „Wetter war Wetter. (...) Die Apokalypse fand damals anderswo statt, so weit entfernt, dass sie der Stoff war, aus dem man Science-Fiction-Filme mit Drohnen, Mutterschiffen, Hyperspace und katastrophal schlechtem Wetter machte. Heute war sie nicht mehr anderswo. Die Hitze war real, die Gletscher schmolzen, die Dürre war endlos, der Meeresspiegel stieg.“
Im Mittelpunkt des Romans steht eine amerikanische Familie, deren Mitglieder in Kalifornien und Florida leben und der es eigentlich an nichts fehlt. Die Figuren bewohnen Häuser am Meer, an den Wochenenden reinigen sie ihre Pools und gehen extravaganten Hobbys nach. Der Vater ist Arzt, die Tochter kauft sich einen Tigerpython, in der Hoffnung, damit ihr Profil als Influencerin zu schärfen, der Sohn ist Insektenforscher. Sie kochen gern, wandern gern, und wenn sie sich in geschlossenen Räumen aufhalten, lassen sie gern den Fernseher ohne Ton laufen.
All diese Aktivitäten verlieren im Laufe des Romans ihre Unschuld, überall dringt die Katastrophe durch die Ritzen. In Kalifornien kommen die Waldbrände näher, in Florida werden Überschwemmungen eher die Regel als die Ausnahme, und wie in einem Gedicht von Jakob van Hoddis fallen die Insekten in einem spontanen Massensterben aus dem Himmel und „bedecken den Boden wie hellbrauner Schnee“.
Das ergibt immer wieder poetische Bilder von katastrophischer Schönheit, die scharf den oberflächlich ereignislosen Alltag kontrastieren. Die Figuren machen sich Gedanken über anstehende Hochzeiten, über die richtige Sauce für die gegrillten Muscheln und ob sie aktuell Lust auf ein Mandelcroissant haben oder ob es ihnen nur so vorkommt. Diese Überlegungen werden in regelmäßigen Abständen von der Natur unterbrochen, die sich zum Beispiel olfaktorisch bemerkbar macht, wenn der Rauch von den Waldbränden durch die geschlossenen Fenster kriecht, „nicht der scharfe, metallische Geruch eines verschmorten Koteletts oder einer verbrannten Scheibe Toast, sondern etwas Dichteres, Wilderes, ein stechender, toxischer Gestank, der sich immer mehr ausbreitete und rasch stärker wurde“.
Das je nach Lesart Geniale oder Unbedarfte an diesem Roman ist nun, dass er sich von den Kipppunkten genauso wenig in seine Gewohnheiten hineinreden lässt wie seine Figuren. Das Spätanthropozän hat ja nicht nur an den Polkappen, sondern auch in der Gegenwartsliteratur seine Spuren hinterlassen; die Naturdichtung heißt jetzt Climate Fiction, der Aufenthalt an der frischen Luft ist auch für Romanfiguren seltsam bedrückend geworden, und Autoren wie Juan S. Guse, Esther Kinsky, Amitav Ghosh oder Isabel Fargo Cole haben auf die Frage, wie sich dem Ende der Natur als solche auch formal einigermaßen gerecht werden ließe, interessante Antworten formuliert.
T. C. Boyles Schreibweise bleibt davon völlig unberührt. Die Ausgangsbeobachtungen von „Blue Skies“ lauten, dass nichts mehr ist, wie es einmal war, dass der kapitalistischen Lebensweise die Grundlage abhandengekommen ist und die alten Metaphern nicht mehr funktionieren. Formal aber verlässt sich der Roman nach wie vor auf dieselben Instrumente, mit denen Bestseller schon immer hergestellt wurden: kurze Kapitel, regelmäßige Plottwists, Cliffhanger. Wenn in diesem Buch Dachbalken einstürzen, Haustiere zubeißen, Familienmitglieder im Krankenhaus landen, dann ereignen sich diese Vorfälle stets am Ende eines Abschnitts.
Dadurch ist das ästhetische Erlebnis, „Blue Skies“ zu lesen, sehr nah dran an der Erfahrung, eine Sitcom zu schauen. Mit all ihren Vor- und Nachteilen: Anfangs steht einem die generische Machart penetrant vor Augen, aber wenn man sich einmal trainiert hat zu übersehen, dass sich hier immer und immer wieder das gleiche Muster wiederholt, geht es eigentlich ganz gut rein. Und könnte dann auch noch lange so weitergehen. Denn am Ende ist es ja doch auch wahnsinnig nett.
FELIX STEPHAN
„Blue Skies“, das klingt nach
gutem Wetter und Verheißung –
zumindest bis zu diesem Roman
Das Spätanthropozän
hat auch in der Literatur
seine Spuren hinterlassen
Keine Katastrophe ist T.C.Boyle zu groß, kein Problem zu komplex, als dass es am Ende von ihm nicht doch wieder in die anschmiegsame Form gegossen werden könnte und damit auch halb bewältigt ist.
Foto: Jamieson Fry
T. C. Boyle:
Blue Skies.
Roman.
Hanser, München 2023. 400 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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