Der Dilettant - italienisch dilettante (das Partizipium des Verbs dilettare, 'sich ergötzen') ist jemand, der an etwas Freude (diletto) hat. Was den Dilettanten kennzeichnet, ist die Freude an dem immer Vorläufigen, nie Endgültigen seiner Erkenntnisse. Aber eben dies ist letztlich die einzig gemäße Einstellung Gestalten gegenüber, die aus ferner Vergangenheit auf uns gekommen sind, sei es in den großen Epen (Heldengedichten) eines Homers oder in den entzückenden kleinen Geschichten der Volksmärchen [oder in den allnächtlich von der Seele uns zugeschobenen Träumen_]. Sie sind die ewigen Orakel des Lebens. In jedem Zeitalter müssen sie neu befragt, neu um Rat gebeten werden; jede Zeit kommt zu ihnen mir der ihr eigenen Form von Unwissenheit und Verständnis, mit ihren besonderen Problemen und unausweichlichen Fragen. Denn die Muster des Lebens, die wir heute weben müssen, sind nicht die gleichen, wie die anderer Zeiten; wir haben ganz andere Fäden zu knüpfen, ganz andere Knoten zu lösen als die Vergangenheit. Deshalb können die dereinst erteilten Antworten uns nichts nützen. Die Mächte wollen immer neu befragt werden, wieder und wieder. Unsere vornehmste Aufgabe ist nicht zu erfahren, was sie angeblich gesagt haben, sondern wie man sich ihnen nähern, sie erneuert zum Reden bringen und ihre Rede verstehen kann. Angesicht einer solchen Weisung müsse wir alle Dilettanten bleiben, ob wir wollen oder nicht. __ _ Text vom Autor ergänzt!__ Zimmer, Heinrich. (1998): Philosophie und Religionen Indiens - [Ins Dt. übertr. und hersg. von Lucy Heyer-Grote], 9. Aufl. - Frankfurt / Main: Suhrkamp, 1998 (Suhrkamp -Taschenbuch Wissenschaft; 26)