Iain Fraser stammt aus Helensburgh. War lange weg, eine Haftstrafe absitzen. Jetzt ist er zurück. Und muss tun, was sein Boss von ihm erwartet, egal wie, egal was. Aber eine arglose Frau zu töten ist verdammt finster. Das wird Iain nicht mehr los.Inzwischen steht Detective Inspector Alex Morrow vor einem Rätsel. Die von der Polizei überwachte Roxanna Fuentecilla ist verschwunden - sehr peinlich, zumal die Spanierin in einen Fall von Wirtschaftskriminalität verwickelt ist, der dem frisch verschlankten Budget der zuständigen Ermittlungsabteilung helfen sollte. Die Leiche, die im Loch Lomond treibt, ist jedoch nicht die der Gesuchten. Morrow hat also zusätzlich einen Mordfall am Hals. Und der führt sie nach Helensburgh ...Denise Mina, in Großbritannien als Queen of Tartan Noir gefeiert, schreibt raffiniert verflochtene Pageturner mit Ecken und Kanten. Blut Salz Wasser wechselt zwischen den Perspektiven des Täters, der Ermittlerin und von Nebenfiguren und knüpft ein komplexes Panorama sozialer Wirklichkeit: eine schottische Kleinstadt kurz vor dem Referendum, eine Welt für sich - doch zugleich eine verblüffend repräsentative literarische Welt, die tiefe Einblicke in die moderne Gesellschaft gewährt.
buecher-magazin.deBislang ist die Schottin Denise Mina auf dem deutschen Krimimarkt etwas untergegangen. Doch nun ist sie zum kleinen, feinen Argument Verlag mit der Krimireihe Ariadne gewechselt und bekommt hoffentlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Denn Denise Mina schreibt ganz hervorragende Romane im Stil des Tartan Noir, der spezifisch schottischen Spielart des Kriminalromans. Nun ist der fünfte Band ihrer Reihe um DI Alex Morrow erschienen - Band eins, zwei und vier kamen im Heyne Verlag heraus, Band drei und sechs folgen hoffentlich bald nach. Dennoch kann man sofort in das aktuelle Buch einsteigen: Im properen Küstenstädtchen Helenburgh hat Iain Fraser eine Frau getötet, um Schulden beim lokalen Gangsterboss zu begleichen. Zeitgleich verschwindet eine Frau, die offenbar in ein komplexes Geldwäschegeschäft verwickelt ist. Vor dem Hintergrund des schottischen Referendums über die Unabhängigkeit Schottlands, das die Bevölkerung spaltet, durchleuchtet DI Morrow, eingeschränkt durch polizeiliche Sparmaßnahmen und politische Ränkespiele, die dunkle Seite des bürgerlichen Orts. Denise Mina verlässt sich dabei gekonnt auf ihre lebendigen vielschichtigen Figuren, die dem komplexen Fall Tiefe geben. Trockene Dialoge sorgen für feinen, tiefschwarzen Humor.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2018Schwarz wie die Nacht finster
Krimis in Kürze: Friedemann Hahn, Denise Mina und Alex Beer
Dass allem Anfang kein Zauber, sondern ein Grauen innewohnen müsse, ist keine schlechte Maxime für einen Kriminalroman. Ein Mann in schwerer Ledermontur kommt mit dem Postauto durchs Höllental zur Haltestelle Himmelreich. Er betritt die einsame Tankstelle, spricht mit der Frau hinter der Kasse, spricht mit dem Mann, der aus der Werkstatt hereinkommt, drängt beide in eine Kammer, und "wie aus heiterem Himmel und wie selbstverständlich drehte er eine vollendete Pirouette und noch in der Drehung schoss er dem Mann zweimal ins Gesicht. Das zweite Geschoss riss einen hässlichen Krater."
Das ist ein Auftakt, der einiges erwarten lässt. Friedemann Hahn enttäuscht die Erwartungen nicht. Es ist der erste Kriminalroman des bekannten Malers, den man am ehesten einem abstrakten Realismus zuordnen kann. Das Buch heißt nach der Gegend, in der die Handlung angesiedelt ist, "Foresta Nera" (Polar, 212 S., geb., 16,-[Euro]), Schwarzwald, und, frei nach Chandler, schwarz ist es nicht vom Dunkel des Waldes allein. Noir an dem Buch ist, dass die Atmosphäre wichtiger ist als der Plot, dass die Stimmungen und einzelne Szenen dichter und markanter sind als ein Fall und dessen Auflösung.
Die Geschichte spielt im Jahr 1962, sie ist bevölkert von alten Wehrmachtskameraden, von denen einige nach dem Krieg in der Fremdenlegion abtauchten, um dann bei Polizei oder Grenzschutz eine neue Karriere zu machen. Sie trauen einander nicht über den Weg, und der französischen Polizei traut man im Grenzgebiet schon gar nicht. Es gibt eine rechte Wehrsportgruppe, Morde, die Hinrichtungen gleichen, und den Schützen von der Tankstelle, der eine blutige Rechnung offen hat. "Foresta Nera" ist das starke Debüt eines Neunundsechzigjährigen, geschrieben in einem straffen, klaren Stil, nicht hardboiled, aber unbarmherzig genau bis zum Schluss, an dem weder die Finsternis gewichen noch jemand seinen Verstrickungen entkommen ist.
Hart, direkt und trocken ist auch der Ton, in dem die Schottin Denise Mina erzählt. Die "Queen of Tartan Noir" hat man sie schon mal genannt, was nichts mit dem Laufbahnbelag zu tun hat, sondern mit dem Schottenkaro. "Blut Salz Wasser" (Ariadne im Argument Verlag, 368 S., geb., 19,-[Euro]) ist bereits der fünfte Auftritt der Glasgower Ermittlerin Alex Morrow, und auch hier trifft der Anfang wie ein Faustschlag. "Sie war in den zwei Tagen, in denen sie sie festgehalten hatten, so folgsam gewesen wie ein Kalb." Das nimmt vorweg, wie Iain dem Leben der Frau ein Ende setzen wird.
Die Überraschung ist jedoch, dass dieser Iain kein kalter Killer ist. Der Mord setzt ihm zu, er fühlt sich, als sei die Tote in ihn gekrochen, man wird dann spät erfahren, woher diese körperliche Empfindung rührt. Als Leser weiß man also, wer es war, und ist Morrow immer einen Schritt voraus. Warum der Kleinkriminelle Iain und sein Kumpel Tommy die Frau entführt und umgebracht haben, erfährt man allerdings nicht früher als Morrow.
Denise Mina wechselt versiert die Perspektiven. Das baut immer wieder Spannung auf, das ermöglicht ihr, langsam und wie in einem Puzzle die Beziehungen zwischen den verschiedenen Figuren zu klären. Was es mit dem Café-Betreiber Boyd auf sich hat, der ebenso in die alte Heimat zurückgekehrt ist wie Miss Grierson, die vor Jahren Iain und Boyd bei den Pfadfindern betreute. Warum die Spanierin Roxanna, für die sich schon die Londoner Polizei interessiert hat, mit ihren beiden Kindern und ihrem Lebensgefährten nach Schottland gezogen ist - und dann auf einmal verschwunden ist.
Neben dem ersten Mord, auf den ein zweiter folgt, geht es auch um den örtlichen Drogenhandel, um Bodenspekulation und um die Frage, ob die Londoner oder die Glasgower Polizei einen Teil der sichergestellten illegalen Einkünfte ihrem Budget zuschlagen darf. Denise Mina hält die diversen Fäden dabei souverän in der Hand, und vor allem hat sie ein gutes Auge für Milieus, für die großen Schweinereien wie die schmutzigen kleinen Geheimnisse in dem Provinzstädtchen Helensburgh an der Clyde-Mündung, wo der Großteil der Handlung spielt und von wo aus man gerne nach Glasgow pendelt.
Nicht wirklich "noir", aber auch ziemlich düster ist die Welt, in der Alex Beer ihren Kriminalinspektor August Emmerich seinen Dienst tun lässt: Wien im Jahr 1920, politisch unruhig, an den Folgen des Ersten Weltkriegs leidend. "Die rote Frau" (Limes, 416 S., geb., 20,-[Euro]) ist Emmerichs zweiter Auftritt.
Der Granatsplitter im Knie macht ihm noch immer zu schaffen, aber mehr noch ein Mord, hinter dem sich konspirative Aktivitäten in den besseren Kreisen verbergen. Alex Beer hat auch diesmal wieder genau recherchiert und Fiktion und Fakten fugenlos verbunden. Und vor allem leidet sie nicht an der lästigen Eigenschaft vieler Autoren, ihre Ermittler so originell ausstaffieren zu wollen, bis diese unfreiwillig lächerlich werden.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Friedemann Hahn, Denise Mina und Alex Beer
Dass allem Anfang kein Zauber, sondern ein Grauen innewohnen müsse, ist keine schlechte Maxime für einen Kriminalroman. Ein Mann in schwerer Ledermontur kommt mit dem Postauto durchs Höllental zur Haltestelle Himmelreich. Er betritt die einsame Tankstelle, spricht mit der Frau hinter der Kasse, spricht mit dem Mann, der aus der Werkstatt hereinkommt, drängt beide in eine Kammer, und "wie aus heiterem Himmel und wie selbstverständlich drehte er eine vollendete Pirouette und noch in der Drehung schoss er dem Mann zweimal ins Gesicht. Das zweite Geschoss riss einen hässlichen Krater."
Das ist ein Auftakt, der einiges erwarten lässt. Friedemann Hahn enttäuscht die Erwartungen nicht. Es ist der erste Kriminalroman des bekannten Malers, den man am ehesten einem abstrakten Realismus zuordnen kann. Das Buch heißt nach der Gegend, in der die Handlung angesiedelt ist, "Foresta Nera" (Polar, 212 S., geb., 16,-[Euro]), Schwarzwald, und, frei nach Chandler, schwarz ist es nicht vom Dunkel des Waldes allein. Noir an dem Buch ist, dass die Atmosphäre wichtiger ist als der Plot, dass die Stimmungen und einzelne Szenen dichter und markanter sind als ein Fall und dessen Auflösung.
Die Geschichte spielt im Jahr 1962, sie ist bevölkert von alten Wehrmachtskameraden, von denen einige nach dem Krieg in der Fremdenlegion abtauchten, um dann bei Polizei oder Grenzschutz eine neue Karriere zu machen. Sie trauen einander nicht über den Weg, und der französischen Polizei traut man im Grenzgebiet schon gar nicht. Es gibt eine rechte Wehrsportgruppe, Morde, die Hinrichtungen gleichen, und den Schützen von der Tankstelle, der eine blutige Rechnung offen hat. "Foresta Nera" ist das starke Debüt eines Neunundsechzigjährigen, geschrieben in einem straffen, klaren Stil, nicht hardboiled, aber unbarmherzig genau bis zum Schluss, an dem weder die Finsternis gewichen noch jemand seinen Verstrickungen entkommen ist.
Hart, direkt und trocken ist auch der Ton, in dem die Schottin Denise Mina erzählt. Die "Queen of Tartan Noir" hat man sie schon mal genannt, was nichts mit dem Laufbahnbelag zu tun hat, sondern mit dem Schottenkaro. "Blut Salz Wasser" (Ariadne im Argument Verlag, 368 S., geb., 19,-[Euro]) ist bereits der fünfte Auftritt der Glasgower Ermittlerin Alex Morrow, und auch hier trifft der Anfang wie ein Faustschlag. "Sie war in den zwei Tagen, in denen sie sie festgehalten hatten, so folgsam gewesen wie ein Kalb." Das nimmt vorweg, wie Iain dem Leben der Frau ein Ende setzen wird.
Die Überraschung ist jedoch, dass dieser Iain kein kalter Killer ist. Der Mord setzt ihm zu, er fühlt sich, als sei die Tote in ihn gekrochen, man wird dann spät erfahren, woher diese körperliche Empfindung rührt. Als Leser weiß man also, wer es war, und ist Morrow immer einen Schritt voraus. Warum der Kleinkriminelle Iain und sein Kumpel Tommy die Frau entführt und umgebracht haben, erfährt man allerdings nicht früher als Morrow.
Denise Mina wechselt versiert die Perspektiven. Das baut immer wieder Spannung auf, das ermöglicht ihr, langsam und wie in einem Puzzle die Beziehungen zwischen den verschiedenen Figuren zu klären. Was es mit dem Café-Betreiber Boyd auf sich hat, der ebenso in die alte Heimat zurückgekehrt ist wie Miss Grierson, die vor Jahren Iain und Boyd bei den Pfadfindern betreute. Warum die Spanierin Roxanna, für die sich schon die Londoner Polizei interessiert hat, mit ihren beiden Kindern und ihrem Lebensgefährten nach Schottland gezogen ist - und dann auf einmal verschwunden ist.
Neben dem ersten Mord, auf den ein zweiter folgt, geht es auch um den örtlichen Drogenhandel, um Bodenspekulation und um die Frage, ob die Londoner oder die Glasgower Polizei einen Teil der sichergestellten illegalen Einkünfte ihrem Budget zuschlagen darf. Denise Mina hält die diversen Fäden dabei souverän in der Hand, und vor allem hat sie ein gutes Auge für Milieus, für die großen Schweinereien wie die schmutzigen kleinen Geheimnisse in dem Provinzstädtchen Helensburgh an der Clyde-Mündung, wo der Großteil der Handlung spielt und von wo aus man gerne nach Glasgow pendelt.
Nicht wirklich "noir", aber auch ziemlich düster ist die Welt, in der Alex Beer ihren Kriminalinspektor August Emmerich seinen Dienst tun lässt: Wien im Jahr 1920, politisch unruhig, an den Folgen des Ersten Weltkriegs leidend. "Die rote Frau" (Limes, 416 S., geb., 20,-[Euro]) ist Emmerichs zweiter Auftritt.
Der Granatsplitter im Knie macht ihm noch immer zu schaffen, aber mehr noch ein Mord, hinter dem sich konspirative Aktivitäten in den besseren Kreisen verbergen. Alex Beer hat auch diesmal wieder genau recherchiert und Fiktion und Fakten fugenlos verbunden. Und vor allem leidet sie nicht an der lästigen Eigenschaft vieler Autoren, ihre Ermittler so originell ausstaffieren zu wollen, bis diese unfreiwillig lächerlich werden.
PETER KÖRTE
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
"Blut Salz Wasser" ist der vierte Kriminalroman von Denise Mina um die Ermittlerin DI Alex Morrow, und für jeden dieser Romane müsste es eine eigene Kolumne geben, meint Rezensent Tobias Gohlis. Denn die packenden Geschichten, die Mina entwirft, spielen sich laut Gohlis immer im Kontext eines wichtigen politischen und gesellschaftlichen Geschehens ab. Diesmal ist es die Abstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands. Vor diesem Hintergrund entspinnen sich Intrigen, Kämpfe und Verfolgungsjagden. Sieben Millionen Pfund Schwarzgeld aus dem Drogenhandel müssen gut angelegt werden, die Polizisten aus England und Schottland konkurrieren um einen Anteil an diesem Vermögen, eine Frau soll ermordet werden und DI Alex, die "großartige Heldin", ist dem allen auf der Spur, lesen wir. Um große, echte Gefühle geht es in diesem "lebensnahem" Buch, resümiert der begeisterte Rezensent, um den kleinen Mann und seine alltäglichen Kämpfe und um Schottland.
© Perlentaucher Medien GmbH
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