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In einem verlassenen Stadtteil Manhattens wird die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern gefunden. Das Opfer hatte versucht, die einzige noch existierende Kopie eines pornographischen Films aus dem Führerbunker zu verkaufen, der während der letzten Tage des Dritten Reiches gedreht wurde. Die Suche nach dem verschwundenen Film, an der sich unter anderem eine Journalistin beteiligt, die für das radikale Blatt "Bluthunde" arbeitet, ist Ausgangspunkt des frühen Romans von Don DeLillo, der nun erstmals in deutscher Sprache vorliegt.
"Verschwörung ist für uns Amerikaner neu - Neu in dem Sinne,
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Produktbeschreibung
In einem verlassenen Stadtteil Manhattens wird die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern gefunden. Das Opfer hatte versucht, die einzige noch existierende Kopie eines pornographischen Films aus dem Führerbunker zu verkaufen, der während der letzten Tage des Dritten Reiches gedreht wurde. Die Suche nach dem verschwundenen Film, an der sich unter anderem eine Journalistin beteiligt, die für das radikale Blatt "Bluthunde" arbeitet, ist Ausgangspunkt des frühen Romans von Don DeLillo, der nun erstmals in deutscher Sprache vorliegt.
"Verschwörung ist für uns Amerikaner neu - Neu in dem Sinne, daß wir gerade dabei sind, sie für uns zu entdecken." Don DeLillo

Die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern wird in einem verlassenen Teil Manhattans gefunden. Das Opfer hatte versucht, die einzige noch existierende Kopie eines Films zu verkaufen - eines Films pornographischer Natur, gedreht im Führerbunker während der letzten Tage des Dritten Reichs. Der Film ist verschwunden.

An der plötzlich einsetzenden und intensiven Suche beteiligen sich die verschiedenen potentiellen Käufer: ein einflußreicher Senator, ein Kunsthändler, ein pensionierter CIA- Agent, eine Journalistin, die für das radikale Blatt Bluthunde arbeitet, die Mafia, ein junger Sammler von Schund, ein desillusionierter Doppelagent.

Was zunächst wie ein herkömmlicher Thriller erscheint, wird von DeLillo in diesem frühen Roman in ein vielschichtiges Kunstwerk verwandelt.

Running Dog, Don DeLillos frühes Kultbuch - jetzt endlich in deutscher Übersetzung.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1999

Von der Rolle
Don DeLillos Roman "Bluthunde" / Von Joachim Kalka

Der jetzt hier erschienene neue DeLillo ist zwanzig Jahre alt - er wurde 1978 unter dem damals sofort verständlichen, heute vielleicht selbst für amerikanische Ohren ein wenig kryptischen Titel "Running Dog" veröffentlicht. Zusammen mit dem ein Jahr älteren Roman "Players" (1995 ebenfalls von Matthias Müller übersetzt) markiert dieser Text eine für das OEuvre von DeLillo bedeutsame Verschiebung: Der Autor beginnt nach Romanen, die meist amerikanische Themen wie Baseball oder Rock 'n' Roll hatten, als Grundraster die Genreform des Thrillers zu verwenden. In "Players" ist sie noch halb eingebunden in eine "realistische" Lifestyle-Geschichte von der New Yorker Börse, doch in "Running Dog" hat sich die Meditation über die Machtstrukturen unserer Welt, die Verschwörung, die "okkulte Theologie des Geldes" in den Vordergrund geschoben.

Der Thriller gibt einer Welt, die keine Hoffnung mehr kennt, ein (ohnmächtiges) festes Ritual und einen (fingierten) Zielpunkt, eine Überschaubarkeit durch systematische Verrätselung. Kein Wunder, daß dieses Genre für den intelligenten Katholiken stets eine Faszination gehabt hat. Graham Greene hat vorgeführt, was für einen Pas de deux Theologie und Thriller aufführen können: Sie begegnen sich in ihrem Faible für radikale Entscheidungen. DeLillo, der die Bedeutung einer katholischen Erziehung für seine Weltanschauung betont hat, hat in einem Interview sein Interesse an allem konstatiert, das wie die Religion "die Leute zu extremem Verhalten treibt".

Die für DeLillos Verhältnisse streng konstruierte Handlung von "Bluthunde" (allerdings in einem Dekor von verschwenderischer Noir-Ausstattung) kreist um ein leeres Zentrum: Es gibt etwas, das alle haben wollen, von dem man aber nicht genau weiß, was es ist, wer es hat, ob es existiert. In der Szene - in verschiedenen, sich überlappenden und durchdringenden Szenen: Geheimpolitik, Pornohandel, Mafia - gehen Gerüchte um, daß eine unüberbietbar wertvolle (weil unvorstellbar auratisch-perverse) Kostbarkeit auf den Markt kommen wird: eine Filmrolle aus den letzten Tagen des Führerbunkers. Während die russische Artillerie Berlin erschüttert, findet in den Katakomben der Nazis etwas Unglaubliches statt, zwischen all den SS-Uniformen, Frauen und Kindern . . . Diese Filmrolle ist der Gral der sexualpolitischen Lüsternheit.

Sie ist der McGuffin des Romans. Mit jenem Nonsensnamen hat Hitchcock das Plot-Element bezeichnet, das als fast beliebiger, lächerlicher Anlaß die Handlung in Gang hält (das Uran in den Weinflaschen im Keller von Claude Rains in "Notorious"; die Code-Botschaft in Form eines Volksliedes in "The Lady Vanishes" und so weiter). DeLillo wählt sich nicht nur einen besonders ranzigen McGuffin - an der Filmrolle haftet die Suggestion von obsessiven Reizen: Hitler, Sex, Tod -, er verwendet ihn auch zu einer Demonstration, daß wir ohne McGuffins nicht leben wollen und daß diese Leerstellen die Herrschaft antreten.

Es erscheint uns nicht mehr eigenartig, mit welcher Präzision die Kulissen der Thriller-Form die politische Realität abzubilden vermögen. Mehr noch: Wir sind es gewohnt, daß die Realität kolportageförmig verläuft - Enzensberger hat vor langer Zeit darauf hingewiesen und diese Diagnose 1966 in den Titel der Taschenbuchausgabe ("Politische Kolportagen") seines Buches "Politik und Verbrechen" gesetzt. Was kann die erdichtete Kolportage an Grauen und Komik dem Keller von Dutroux oder den Telefongesprächen zwischen Monica Lewinsky und Linda Tripp noch voraushaben?

Die Tendenz von Geschichte und Kolportage, von Leben und Kitsch, an einem gemütlichen Schnittpunkt zu konvergieren, sucht DeLillo in einer beunruhigenden Konfiguration auf. Diese - Hitler als Popstar, wie es eine Romanfigur formuliert - ist nach zwanzig Jahren aktueller denn je. Was Zero Mostel in "The Producers", jenem Triumph eines hellhörigen schlechten Geschmacks, sich als Abschreibungsflop ausdachte: ein Nazimusical ("Springtime for Hitler") - ist das heute nicht schon naheliegend? Im Hintergrund von DeLillos Roman wird Chaplins "Great Dictator" zitiert. Chaplin hat gesagt: Hätte er während der Dreharbeiten das Ausmaß der Naziverbrechen gekannt, hätte er den Film nicht gemacht. Heute ist es anders: Das Ausmaß der Verbrechen, multipliziert mit der Anteilnahme an einem pathologisch verschrobenen Privatleben, macht Hitler zur Medienikone. Die Berührungsangst hat sich umgekehrt zu einer Berührungsneugier, der DeLillo eine geheimnisvolle Diagnose stellt, indem er den legendären Film laufen läßt.

Gegen Ende des Romans dürfen die Figuren und die Leser Zeugen dessen werden, was auf dem Streifen zu sehen ist. Das Objekt der Begierde hat nach unendlicher Vorlust und bizarren Blutopfern seinen Auftritt. Da der Roman Anteil an der Spannungslogik des Thrillers hat, auch wenn er dessen Form subvertiert, will ich hier nicht mitteilen, was wir zu sehen bekommen. Die banale, schwindelerregende, enttäuschende und ungeheuerliche Pointe ist von einer trügerischen Eleganz: Sie ist so geschickt konstruiert, daß man übersehen könnte, wie obszön sie ist. Sie ist transparent und bleibt rätselhaft. Es ist, als habe DeLillo hier dieser speziellen Romanform ein so elegisches wie gemeines Monument gesetzt: Sie ist vollkommen befriedigend konstruiert und vermittelt das Gefühl, man habe auf eine erhellende Weise eine Geschichte ohne Pointe erzählt bekommen. Das sind die besten, weil unsere Sucht nach Pointen uns in die Irre führt.

Die Übersetzung vermittelt viel von dem lakonischen Tempo des Originals. Der Titel stellt ein - wahrscheinlich unlösbares - Problem dar. "Running Dog" weist der ganzen Handlung ironisch ihren Platz in der Nachgeschichte des Vietnamkrieges an - "Running Dogs" waren im blumigen Vokabular des Maoismus so etwas wie (um weitere bewährte Vokabeln zu zitieren) die "Speichellecker", "Handlanger", "Lakaien" der Imperialisten. Eine Zentralagentur des Romans, die unerbittlich aus dem Ruder gelaufene Geheimdienst-"Systemplanung" Radical Matrix, wird von einem Vietnam-Veteranen geführt, der sich gerne an seinen Privatzoo im Dschungel erinnert; so und anderweitig ist das Geschehen mit jenen Jahren verknüpft - Killer werden aus Vietnam importiert.

Die Formulierung "Running Dog" hat aber über dieses historische Lokalkolorit hinaus etwas Hündisch-Beflissenes, Schwanzwedelndes, Gelegenheiten Witterndes - eine hervorragende Chiffre für die nach den Gesetzen der Massenmedien organisierte Welt. Zu deren Spezialitäten gehört es auch, daß der Name selbstironisch von einem radikalen Magazin geführt wird (dessen Journalistin an einer Artikelserie über "Sex als Big Business" sitzt). "Für wen arbeiten Sie?" "Bluthunde." "Einstmals ein Organ der Unzufriedenen." "Ja, wir waren ziemlich radikal." "Heute völlig etabliert." "Völlig würde ich nicht gerade sagen." "Teil der ständig expandierenden Mitte." "Wir sagen die ganze Zeit ,Scheiße'." "Genau meine Rede." Der deutsche Titel legt eine falsche Spur zu Noske und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Mörderische dieser Welt, das schlimm genug ist, doch bei weitem nicht so schlimm wie das Servile. Aber ich wüßte auch keine bessere Lösung.

Das Buch ist wie eine Fingerübung zu den großen Verschwörungs- und Verknüpfungsphantasien der späteren Werke: Eine winzige tragikomische Nebenfigur, die Frau eines Senators, verbringt ihr Leben im Bett mit den vierundzwanzig Bänden des "Warren Report" über den Kennedymord und füllt Notizbücher mit ergänzenden Informationen. DeLillo hat einmal bemerkt, ein großer Teil der "Dunkelheit" in seinen Werken gehe auf jenen Moment, jenen Bruch zurück, sei "ein direktes Ergebnis der Verwirrung, des psychischen Chaos, des Gefühls von Beliebigkeit, das in jenem Augenblick in Dallas begann". Dallas war die Überwältigung der amerikanischen Geschichte durch die niemals zu enträtselnde Kolportage.

DeLillos Buch ist wunderbar geschrieben, voller gestochen scharfer kleiner Bilder, beiläufig ausgestreut - GIs in Vietnam, die Kaugummipapierchen in den Urwald werfen; der immer leicht abstoßende Anblick der Lebensmittel im Eisschrank eines Fremden. Das gelegentlich bei der Lektüre eines schlichten Thrillers verspürte Gefühl: Der ist ja sprachlich viel besser als neun Zehntel des Auftriebs aller sogenannten anspruchsvollen Romane - hier kehrt es sich um, und man erlebt: Der "richtige Roman" saugt das Genre in sich auf, schlägt es mit den eigenen Waffen und ist als metapolitischer Roman auch der bessere Thriller.

Don DeLillo: "Bluthunde". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Matthias Müller. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 335 S., geb., 42,- DM.

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»Ein romantischer Roman im mutigen, genauen, rätselhaften und modernen Sinn - ein enormes Lesevergnügen.« The New Yorker