Dieses Buch untersucht die Ausspähung der sowjetischen Truppen in Ostdeutschland durch die Organisation Gehlen und den Bundesnachrichtendienst vom Ende der vierziger Jahre bis zum Fall der Mauer. Band 14 der Reihe Militärgeschichte der DDR.
Anhand von erstmals freigegebenen Akten des Bundesnachrichtendienstes und Dokumenten der Spionageabwehr des Ministeriums für Staatssicherheit beschreiben die Autoren Strukturen, Methoden und Alltag westdeutscher Geheimdienstaktionen an der Frontlinie des Kalten Krieges. Detailliert behandelt wird die Ausspähung der sowjetischen Truppen in Ostdeutschland vom Ende der vierziger Jahre bus zum Fall der Mauer. Dabei zeigt sich, dass Tausende Geschäftsreisende, Kraftfahrer, Studenten, Hausfrauen und Rentner im Einsatz waren, die im Laufe von vierzig Jahren in Pullachs Diensten spionierten und nicht selten ihren Agenteneinsatz mit langjähriger Haft oder dem Leben bezahlten.
Anhand von erstmals freigegebenen Akten des Bundesnachrichtendienstes und Dokumenten der Spionageabwehr des Ministeriums für Staatssicherheit beschreiben die Autoren Strukturen, Methoden und Alltag westdeutscher Geheimdienstaktionen an der Frontlinie des Kalten Krieges. Detailliert behandelt wird die Ausspähung der sowjetischen Truppen in Ostdeutschland vom Ende der vierziger Jahre bus zum Fall der Mauer. Dabei zeigt sich, dass Tausende Geschäftsreisende, Kraftfahrer, Studenten, Hausfrauen und Rentner im Einsatz waren, die im Laufe von vierzig Jahren in Pullachs Diensten spionierten und nicht selten ihren Agenteneinsatz mit langjähriger Haft oder dem Leben bezahlten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2007Pullach zögert noch
Der BND und die Militärspionage in der DDR
Auf diesen Gegner waren sie vorbereitet. Als sich Reinhold Gehlen, seit Anfang April 1942 Chef der Abteilung "Fremde Heere Ost" und damit für die Feindaufklärung an der Ostfront zuständig, gegen Ende des Krieges zu den Amerikanern absetzte, kam er nicht mit leeren Händen: Das in Jahren gesammelte Material über die Rote Armee, das er ihnen kistenweise übergab, war für diese im aufziehenden Kalten Krieg Gold wert. Kein Wunder, dass sie den vormaligen Wehrmachtsgeneral in ihre Dienste stellten und seit Sommer 1949 auch die "Betreuung" der "Organisation Gehlen" übernahmen, bis diese im April 1956 als Bundesnachrichtendienst (BND) in die Bundesverwaltung übergeführt wurde.
Hauptaufgabe schon von Gehlens Organisation, dann auch des bis Frühjahr 1968 von ihm geleiteten BND war die Erkundung und Schwächung des Gegners, also der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Ihr Haupttätigkeitsfeld war die DDR. Das besondere Interesse galt den dort stationierten Einheiten der Sowjetarmee. Glaubt man Gehlen, der 1971 mit seinen Erinnerungen an die Öffentlichkeit ging, dann war der BND auf diesem Terrain ausgesprochen erfolgreich. Das wird jetzt, aufs Ganze gesehen, von Armin Wagner und Matthias Uhl bestätigt: "Im historischen Längsschnitt kann von einer in den fünfziger und frühen sechziger Jahren sehr erfolgreichen Militäraufklärung des BND gegen sowjetische Truppen in Ostdeutschland gesprochen werden." Aber der BND besaß nicht nur "eine umfangreiche und detaillierte Kenntnis über die sowjetischen Streitkräfte in der DDR", er machte auch "frühzeitig auf die Entwicklungen in der DDR aufmerksam . . ., die zum 17. Juni führten". Der Bau der Mauer und die Enttarnung des KGB-Agenten Heinz Felfe 1961 bedeuteten dann zwar einen schweren Rückschlag, doch behielt die Militärspionage einen "gewichtigen Anteil an den Aufklärungsinteressen des BND in Ostdeutschland".
Wichtigste Quelle waren Tausende Bürger aus beiden Teilen Deutschlands, die "trotz zahlloser Gefahren", durchaus "nicht immer nur gegen Geld" und keineswegs nur für den BND Aufklärung betrieben. Welche Risiken sie dabei eingingen und wie viele vergebliche Versuche unternommen wurden, um die Zentrale in Pullach mit Informationen zu versorgen, zeigt zum Beispiel die Nachricht des Agentenführers von Quelle V-4335,8. In der heißt es unter anderem: "Da die Hauptverladungen der Truppe in Tremplin in der Zeit des Ausnahmezustandes stattfanden, konnte Quelle nicht alle Verladungen erfassen. Quelle hat sich trotz ihrer Beinbehinderung - sie kann nur noch mit Krücken laufen - zweimal vergeblich nach Berlin begeben . . ."
Erstaunlich ist, dass wir immerhin das wissen. Denn nach wie vor gilt: "archivalisch gesicherte Informationen zum Innenleben des BND" sind Mangelware. Dass Wagner und Uhlig gleichwohl eine informative, quellengesättigte und mit guten Ergebnissen ausgestattete Untersuchung vorlegen konnten, liegt zum einen daran, dass die Akten jedenfalls eines der damaligen Gegner, nämlich des Ministeriums für Staatssicherheit, zugänglich sind.
Zum anderen haben sie sich auf ebenjene Akten des BND konzentriert, die inzwischen an das Bundesarchiv abgegeben wurden und dort für jedermann einsehbar sind. Dazu gehören unter anderem rund 26 000 Karteikarten aus der Abteilung Fremde Heere Ost, die bis 1965 fortgeführt wurde, und etwa 10 000 dichtbeschriebene Karten der sogenannten Standortkartei DDR. So aufschlussreich dieses Material für die Erforschung der westdeutschen Militärspionage in der DDR, also für ein Spezialthema, auch ist, so wenig lassen die "bisher nur marginal vorhandenen Kenntnisse aus erster Hand" einen substantiellen Beitrag zur "politischen Steuerung des BND, seiner inneren Organisation und Struktur, schließlich seines Binnengefüges" zu.
Es gehört zu den besonderen Vorzügen des verdienstvollen Buches, dass seine Autoren nicht nur auf dieses Desiderat hinweisen, sondern aus intimer Kenntnis der Aktenlage heraus auch einsichtig machen, warum es beseitigt werden muss und wie man es beseitigen kann, ohne dabei berechtigte Sicherheitsinteressen zu tangieren oder gar in Frage zu stellen. Mit Wagner und Uhl sind sich ja die meisten Beobachter längst darin einig, dass nicht zuletzt die zögernden Pullacher selbst von einer Gesamtdarstellung profitieren dürften, die "selbstbewusst ihre Stärken belegen und mutig ihre Schwächen eingestehen sollte".
GREGOR SCHÖLLGEN.
Armin Wagner/Matthias Uhl: BND contra Sowjetarmee. Westdeutsche Militärspionage in der DDR. Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Ch. Links Verlag, Berlin 2007. VIII und 294 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der BND und die Militärspionage in der DDR
Auf diesen Gegner waren sie vorbereitet. Als sich Reinhold Gehlen, seit Anfang April 1942 Chef der Abteilung "Fremde Heere Ost" und damit für die Feindaufklärung an der Ostfront zuständig, gegen Ende des Krieges zu den Amerikanern absetzte, kam er nicht mit leeren Händen: Das in Jahren gesammelte Material über die Rote Armee, das er ihnen kistenweise übergab, war für diese im aufziehenden Kalten Krieg Gold wert. Kein Wunder, dass sie den vormaligen Wehrmachtsgeneral in ihre Dienste stellten und seit Sommer 1949 auch die "Betreuung" der "Organisation Gehlen" übernahmen, bis diese im April 1956 als Bundesnachrichtendienst (BND) in die Bundesverwaltung übergeführt wurde.
Hauptaufgabe schon von Gehlens Organisation, dann auch des bis Frühjahr 1968 von ihm geleiteten BND war die Erkundung und Schwächung des Gegners, also der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Ihr Haupttätigkeitsfeld war die DDR. Das besondere Interesse galt den dort stationierten Einheiten der Sowjetarmee. Glaubt man Gehlen, der 1971 mit seinen Erinnerungen an die Öffentlichkeit ging, dann war der BND auf diesem Terrain ausgesprochen erfolgreich. Das wird jetzt, aufs Ganze gesehen, von Armin Wagner und Matthias Uhl bestätigt: "Im historischen Längsschnitt kann von einer in den fünfziger und frühen sechziger Jahren sehr erfolgreichen Militäraufklärung des BND gegen sowjetische Truppen in Ostdeutschland gesprochen werden." Aber der BND besaß nicht nur "eine umfangreiche und detaillierte Kenntnis über die sowjetischen Streitkräfte in der DDR", er machte auch "frühzeitig auf die Entwicklungen in der DDR aufmerksam . . ., die zum 17. Juni führten". Der Bau der Mauer und die Enttarnung des KGB-Agenten Heinz Felfe 1961 bedeuteten dann zwar einen schweren Rückschlag, doch behielt die Militärspionage einen "gewichtigen Anteil an den Aufklärungsinteressen des BND in Ostdeutschland".
Wichtigste Quelle waren Tausende Bürger aus beiden Teilen Deutschlands, die "trotz zahlloser Gefahren", durchaus "nicht immer nur gegen Geld" und keineswegs nur für den BND Aufklärung betrieben. Welche Risiken sie dabei eingingen und wie viele vergebliche Versuche unternommen wurden, um die Zentrale in Pullach mit Informationen zu versorgen, zeigt zum Beispiel die Nachricht des Agentenführers von Quelle V-4335,8. In der heißt es unter anderem: "Da die Hauptverladungen der Truppe in Tremplin in der Zeit des Ausnahmezustandes stattfanden, konnte Quelle nicht alle Verladungen erfassen. Quelle hat sich trotz ihrer Beinbehinderung - sie kann nur noch mit Krücken laufen - zweimal vergeblich nach Berlin begeben . . ."
Erstaunlich ist, dass wir immerhin das wissen. Denn nach wie vor gilt: "archivalisch gesicherte Informationen zum Innenleben des BND" sind Mangelware. Dass Wagner und Uhlig gleichwohl eine informative, quellengesättigte und mit guten Ergebnissen ausgestattete Untersuchung vorlegen konnten, liegt zum einen daran, dass die Akten jedenfalls eines der damaligen Gegner, nämlich des Ministeriums für Staatssicherheit, zugänglich sind.
Zum anderen haben sie sich auf ebenjene Akten des BND konzentriert, die inzwischen an das Bundesarchiv abgegeben wurden und dort für jedermann einsehbar sind. Dazu gehören unter anderem rund 26 000 Karteikarten aus der Abteilung Fremde Heere Ost, die bis 1965 fortgeführt wurde, und etwa 10 000 dichtbeschriebene Karten der sogenannten Standortkartei DDR. So aufschlussreich dieses Material für die Erforschung der westdeutschen Militärspionage in der DDR, also für ein Spezialthema, auch ist, so wenig lassen die "bisher nur marginal vorhandenen Kenntnisse aus erster Hand" einen substantiellen Beitrag zur "politischen Steuerung des BND, seiner inneren Organisation und Struktur, schließlich seines Binnengefüges" zu.
Es gehört zu den besonderen Vorzügen des verdienstvollen Buches, dass seine Autoren nicht nur auf dieses Desiderat hinweisen, sondern aus intimer Kenntnis der Aktenlage heraus auch einsichtig machen, warum es beseitigt werden muss und wie man es beseitigen kann, ohne dabei berechtigte Sicherheitsinteressen zu tangieren oder gar in Frage zu stellen. Mit Wagner und Uhl sind sich ja die meisten Beobachter längst darin einig, dass nicht zuletzt die zögernden Pullacher selbst von einer Gesamtdarstellung profitieren dürften, die "selbstbewusst ihre Stärken belegen und mutig ihre Schwächen eingestehen sollte".
GREGOR SCHÖLLGEN.
Armin Wagner/Matthias Uhl: BND contra Sowjetarmee. Westdeutsche Militärspionage in der DDR. Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Ch. Links Verlag, Berlin 2007. VIII und 294 S., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Eine "thematisch hochinteressante Arbeit" sieht Cornelius Wüllenkemper in dieser Studie von Matthias Uhl und Armin Wagner über deutsch-deutsche Spionage. Er hebt hervor, dass die beiden Militärhistoriker mit die ersten sind, die sich diesem Thema von westlicher Seite nähern und dazu erstmals BND-Unterlagen heranziehen konnten. Ihre Untersuchung der westlichen Spionagetätigkeit gegenüber sowjetischen Militärstützpunkten in der DDR im Kalten Krieg fördert nach Ansicht von Wüllenkemper dann auch neue Erkenntnisse zu Tage, etwa über die Spionage in und um Berlin oder den Umstand, dass BND-Direktor Reinhard Gehlen die Bundesregierung frühzeitig vor der "Abriegelung des Ostteils" gewarnt hat. Allerdings können die Autoren seines Erachtens ihren Anspruch, das Bild des BND zu korrigieren, "trotz neuer Quellen" nicht wirklich einlösen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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