Von den 68er-Müttern im Aufbruch hat eine Töchtergeneration den Auftrag erhalten, die Welt zu verbessern - das Waldsterben und die Aufrüstung zu stoppen, ein Zimmer für sich allein zu haben, gemeinsam stark zu sein -, und diesen Auftrag kann Sandra nicht vergessen.Mit vierzig Jahren und als Mutter zweier Kinder ist aus ihr eine Art Kassandra vom Prenzlauer Berg geworden.Sie sieht, dass die Ideale der Elterngeneration im Alltag verloren gehen, auf dem Spielplatz versanden, im Plenum der Hausgemeinschaft ad absurdum geführt werden. Alles auszusprechen, ist offenbar keine Lösung, weggehen kann sie jedoch auch nicht, außerdem genießt sie ihre Privi legien. Sie feiert die Kindergeburtstage wie früher, wie Pippi Langstrumpf, doch der Kern der Utopie ist nicht mehr da. Und die bodentiefen Fenster machen den Alltag allzu durchsichtig. Am Ende von Anke Stellings Roman, der in schöner Sprache Bitterböses erzählt, geht es ins Müttergenesungswerk: 'Damit Mama wieder lacht.' Bodentiefe Fenster - bodenlose Gegenwart.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In ihrem Roman "Bodentiefe Fenster" erzählt Anke Stelling von einer offenbar zynischen Berlinerin, die nach außen hin ganz in der Mittelschichtsidylle des Prenzlauer Bergs aufzugehen scheint, innerlich jedoch vor Verachtung für das "Öko-Getue" und die zur Schau gestellte gute Laune nur so strotzt. Christina Lenz findet Stellings suadahafte Prosa "nicht übermäßig poetisch", aber "herrlich analytisch". Auch den "didaktisch-lehrhaften Sound" kreidet sie der Autorin nicht negativ an, sondern erkennt darin engagierte Literatur. Nur dass die Protagonistin keine andere Haltung zu ihrer Welt entwickelt, sondern in hilfloser Enttäuschung verharrt, bedauert die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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