Hans Maier, der im Juni dieses Jahres achtzig wird, hat ein wunderbares, vornehm schönes Buch der Erinnerungen geschrieben. Es enthält nicht nur treffsichere, subtil geschliffene Portraits zahlreicher Menschen, denen er auf seinem Lebensweg begegnet ist - darunter Martin Heidegger, Franz Josef Strauß und Joseph Ratzinger. Zugleich bietet es Einblicke in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Hans Maier als teilhabender Zeitzeuge miterlebt hat und mit großer atmosphärischer Dichte schildert.
Mit feinem Strich schildert Maier den Weg des Freiburger Buben, der bei der verwitweten Mutter und den beiden Schwestern in bescheidenen Verhältnissen aufwächst und NS-Zeit, Krieg und Trümmerjahre erlebt, zum Professor und Kultusminister im Kabinett von Franz-Josef Strauß. Aus der Ambivalenz seiner Erfahrungen mit der Politik macht er dabei keinen Hehl. Doch vor allem schildert er mit geradezu literarischer Genauigkeit die unterschiedlichen Milieus der Wissenschaft, der Politik, der Kirche und der Kultur mit ihren Eigenheiten. Sein Buch ist weit mehr als nur die Geschichte eines ungewöhnlich vielseitigen Mannes. Es fängt anschaulich wie nur wenige Memoiren die Stimmung früherer Zeiten ein und wird so zu einer geistvollen, unterhaltsamen, lehrreichen Reise in die Vergangenheit.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Mit feinem Strich schildert Maier den Weg des Freiburger Buben, der bei der verwitweten Mutter und den beiden Schwestern in bescheidenen Verhältnissen aufwächst und NS-Zeit, Krieg und Trümmerjahre erlebt, zum Professor und Kultusminister im Kabinett von Franz-Josef Strauß. Aus der Ambivalenz seiner Erfahrungen mit der Politik macht er dabei keinen Hehl. Doch vor allem schildert er mit geradezu literarischer Genauigkeit die unterschiedlichen Milieus der Wissenschaft, der Politik, der Kirche und der Kultur mit ihren Eigenheiten. Sein Buch ist weit mehr als nur die Geschichte eines ungewöhnlich vielseitigen Mannes. Es fängt anschaulich wie nur wenige Memoiren die Stimmung früherer Zeiten ein und wird so zu einer geistvollen, unterhaltsamen, lehrreichen Reise in die Vergangenheit.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.09.2011Sachbücher des
Monats September
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. TIMOTHY SNYDER: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin 1933-1945. Übersetzt von Martin Richter. C. H. Beck Verlag, 522 Seiten, 29,95 Euro.
2. JOSEPH NYE: Macht im 21. Jahrhundert. Politische Strategien für ein neues Zeitalter. Übersetzt von Karl Heinz Sieber. Siedler Verlag, 383 Seiten, 24,99 Euro.
3. MICHAEL HAMPE: Tunguska oder Das Ende der Natur. Carl Hanser Verlag, 320 Seiten, 19,90 Euro.
4.-5.DIETER HENRICH: Werke im Werden. Über die Genesis philosophischer Einsichten. C.H. Beck Verlag, 216 Seiten, 22,95 Euro.
HANS MAIER: Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff. C. H. Beck Verlag, 419 Seiten, 24,95 Euro.
6. KARSTEN WITTE: Schriften zum Kino. Westeuropa, Japan, Afrika nach 1945. Verlag Vorwerk 8, 502 Seiten, 24 Euro.
7. ANNA REID: Blokada. Die Belagerung von Leningrad, 1941 - 1944. Übersetzt von Bernd Rullkötter. Berlin Verlag, 560 Seiten, 34 Euro.
8.-9.GÖTZ ALY: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 - 1933. S. Fischer Verlag, 336 Seiten, 22,95 Euro.
FRIEDRICH KELLNER: Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne. Tagebücher 1939 - 1945, herausgegeben von Sascha Feuchert, Robert Kellner und Erwin Leibfried. Wallstein Verlag, 2 Bände, zus. 1200 Seiten, 59,90 Euro.
10. TAHAR BEN JELLOUN: Arabischer Frühling. Vom Wiedererlangen der arabischen Würde. Übersetzt von Christiane Kayser. Berlin Verlag, 128 Seiten, 10 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats September von Norbert Seitz:
GEORG BRUNOLD: Fortuna auf Triumphzug. Von der Notwendigkeit des Zufalls. Galiani Verlag, 282 Seiten, 19,99 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Guido Kalberer, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Johannes Saltzwedel, Albert von Schirnding, Jacques Schuster, Norbert Seitz, Hilal Sezgin, Elisabeth von Thadden, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR Kultur)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 30. September.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Monats September
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. TIMOTHY SNYDER: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin 1933-1945. Übersetzt von Martin Richter. C. H. Beck Verlag, 522 Seiten, 29,95 Euro.
2. JOSEPH NYE: Macht im 21. Jahrhundert. Politische Strategien für ein neues Zeitalter. Übersetzt von Karl Heinz Sieber. Siedler Verlag, 383 Seiten, 24,99 Euro.
3. MICHAEL HAMPE: Tunguska oder Das Ende der Natur. Carl Hanser Verlag, 320 Seiten, 19,90 Euro.
4.-5.DIETER HENRICH: Werke im Werden. Über die Genesis philosophischer Einsichten. C.H. Beck Verlag, 216 Seiten, 22,95 Euro.
HANS MAIER: Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff. C. H. Beck Verlag, 419 Seiten, 24,95 Euro.
6. KARSTEN WITTE: Schriften zum Kino. Westeuropa, Japan, Afrika nach 1945. Verlag Vorwerk 8, 502 Seiten, 24 Euro.
7. ANNA REID: Blokada. Die Belagerung von Leningrad, 1941 - 1944. Übersetzt von Bernd Rullkötter. Berlin Verlag, 560 Seiten, 34 Euro.
8.-9.GÖTZ ALY: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 - 1933. S. Fischer Verlag, 336 Seiten, 22,95 Euro.
FRIEDRICH KELLNER: Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne. Tagebücher 1939 - 1945, herausgegeben von Sascha Feuchert, Robert Kellner und Erwin Leibfried. Wallstein Verlag, 2 Bände, zus. 1200 Seiten, 59,90 Euro.
10. TAHAR BEN JELLOUN: Arabischer Frühling. Vom Wiedererlangen der arabischen Würde. Übersetzt von Christiane Kayser. Berlin Verlag, 128 Seiten, 10 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats September von Norbert Seitz:
GEORG BRUNOLD: Fortuna auf Triumphzug. Von der Notwendigkeit des Zufalls. Galiani Verlag, 282 Seiten, 19,99 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Guido Kalberer, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Johannes Saltzwedel, Albert von Schirnding, Jacques Schuster, Norbert Seitz, Hilal Sezgin, Elisabeth von Thadden, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR Kultur)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2011Gegen Defensivgeist und Gottähnlichkeit
Hans Maier krönt sein politisches und akademisches Wirken mit lehrreichen Memoiren
Den bevorstehenden achtzigsten Geburtstag im Juni nimmt Hans Maier zum Anlass, höchst aufschlussreiche und sehr kurzweilige Erinnerungen vorzulegen. Der aus Freiburg im Breisgau stammende Gelehrte blickt zunächst in Dankbarkeit auf seine Studienjahre und ihn prägende Lehrer zurück, vor allem auf Arnold Bergstraesser, bei dem die "kräftigsten Individualitäten" zum Zug kamen. Vor dem Doktorvater hätten die Freiburger Studenten "nie das Rauchfass der Verehrung schwingen" müssen. In seiner Familie war Maier der erste Akademiker; 1956 legte er das Staatsexamen für das Lehramt ab (Geschichte, Deutsch und Französisch). Nach Promotion und Habilitation erfolgte 1962 der Wechsel aus der Schwarzwaldhauptstadt in die Isarmetropole. Der engagierte Katholik und Orgelspieler konnte zwischen Lehrstühlen in Berlin, Mainz und München wählen. Als Professor für politische Wissenschaft sollte er sich vornehmlich um die Ausbildung der Sozialkundelehrer an weiterführenden Schulen kümmern.
Schon 1967 verfasste er ein Buch gegen die NPD, verantwortete danach ein Forschungsprojekt über den parlamentarischen Alltag von Bundestagsabgeordneten. Es war die Zeit der Studentenunruhen: "Die Professorenschaft, ohnehin ein loses Bündel von Individualisten, fiel angesichts der ständigen Attacken immer mehr auseinander." Empörte hätten nach dem Staat gerufen, Resignierte sich in die Forschung zurückgezogen und Verständnisvolle alsbald den Undank der Revoltierenden gespürt. Maier organisierte mit Assistenten den "Widerstand gegen Vorlesungsstörungen".
Nach dem imposanten Wahlsieg der CSU vom November 1970 bot ihm Ministerpräsident Alfons Goppel das Kultusministerium an. Als Quer- und Seiteneinsteiger bezeichnet sich Maier, als "Politiker des zweiten Bildungswegs". Nach der Vereidigung gratulierte ihm der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß "in einem freundlichen Telefonanruf", und der rheinland-pfälzische Kultusminister Bernhard Vogel (CDU) telegrafierte: "Willkommen im Kreis der Prügelknaben der Nation!" Der parteilose Maier war - wie er viel später erfuhr - nicht der Wunschkandidat Goppels gewesen. Der Ministerpräsident beabsichtigte, den Vorsitzenden des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Wilhelm Ebert, zu berufen, "einen machtbewussten Mann mit internationaler Erfahrung, der seit langem in der bayerischen Politik kräftig mitmischte". Eine Intervention des Amtschefs im Kultusministerium, Karl Böck, und eines Münchener Klinik-Chefs bei Strauß ließen Goppels Plan scheitern. "Die Einzelheiten übergehe ich hier", schreibt Maier milde. Akribisch erläutert er die neun Gesetze seiner Ministerzeit: vom Berufsschulgesetz über das Denkmalschutzgesetz bis zum Lehrerbildungsgesetz und Hochschulgesetz. Übrigens führte er bereits 1973 ein Unterrichtsangebot für türkische Schüler muslimischen Glaubens an Bayerns Grundschulen ein - erteilt durch türkische Lehrer, die von der Türkei vorübergehend in den Freistaat entsandt wurden.
Maier, der 1973 in die CSU eintrat und von 1978 an dem Landtag angehörte, war acht Jahre Minister unter Goppel, weitere acht Jahre unter Strauß. Der eine sei Landesvater, der andere "Bayernherrscher" gewesen, der eine der Bedächtige, der andere der Mächtige. Diese Doppelspitze sei ideal für die CSU gewesen, bis Strauß 1978 den Bundestag verließ und selbst Ministerpräsident wurde. Die Rednergabe von Strauß habe er bewundert, dessen Impulsivität abgelehnt. 1976 hatte Strauß ihn in Südtirol als "arroganten Professor" beschimpft, was "nicht der letzte Zusammenstoß" blieb. Dennoch sei er 1978 aus "Neugier" im Kabinett geblieben.
Während Goppel ein erfahrener Verwaltungsmann gewesen sei, habe Strauß am Kabinettstisch die "leidenschaftliche, hoch engagierte Parteinahme für den einzelnen Bürger, auch und gerade dort, wo dieser mit der Verwaltung im Streit lag", bevorzugt. Ihm sei die in Bayern populäre Rolle des "starken Anarchen" auf den Leib geschrieben gewesen. Von der nun personell aufgeblähten Staatskanzlei seien die Ministerien oft gegängelt, "interne Aufstiegswege" in den Ressorts blockiert worden. So habe sich ein "Defensivgeist" herausgebildet: "Unter den Argusaugen der zentralen Aufsicht erstarrten viele Initiativen, die unter normalen Umständen von risikobereiten, unternehmungslustigen Einzelnen - und die gab es in der qualifizierten bayerischen Verwaltung zuhauf - ausgingen."
Als Strauß 1986 das Ministerium für Unterricht und Kultus in ein Ressort für Wissenschaft und Kunst und ein Ressort für Unterricht und Kultus aufteilte, stand der populäre Maier nicht mehr zur Verfügung. Ende 1987 legte er auch sein Abgeordnetenmandat nieder, um sich wieder ganz der Forschung und Lehre widmen zu können. Beim Abschied von den Parlamentskollegen sagte er: "Unsere Politik leidet an Politikern, die schon in jungen Jahren die Brücken zum zivilen Leben abbrechen." Solche Menschen hätten "wenig Widerstandskraft in Krisenfällen. Sie werden immer geneigt sein, das Votum einer Partei vor die eigene Meinung zu setzen, sich von Stimmungen in der Öffentlichkeit beeindrucken zu lassen und die Zornausbrüche eines Vorsitzenden für Dienstanweisungen zu halten." Er empfahl Distanz, Selbstironie und "eine kräftige Impfung gegen die Versuchungen der Gottähnlichkeit" - Worte eines großen Formulierungsmeisters, die nichts an Aktualität eingebüßt haben.
RAINER BLASIUS.
Hans Maier: Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff. Verlag C. H. Beck, München 2011. 420 S., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Maier krönt sein politisches und akademisches Wirken mit lehrreichen Memoiren
Den bevorstehenden achtzigsten Geburtstag im Juni nimmt Hans Maier zum Anlass, höchst aufschlussreiche und sehr kurzweilige Erinnerungen vorzulegen. Der aus Freiburg im Breisgau stammende Gelehrte blickt zunächst in Dankbarkeit auf seine Studienjahre und ihn prägende Lehrer zurück, vor allem auf Arnold Bergstraesser, bei dem die "kräftigsten Individualitäten" zum Zug kamen. Vor dem Doktorvater hätten die Freiburger Studenten "nie das Rauchfass der Verehrung schwingen" müssen. In seiner Familie war Maier der erste Akademiker; 1956 legte er das Staatsexamen für das Lehramt ab (Geschichte, Deutsch und Französisch). Nach Promotion und Habilitation erfolgte 1962 der Wechsel aus der Schwarzwaldhauptstadt in die Isarmetropole. Der engagierte Katholik und Orgelspieler konnte zwischen Lehrstühlen in Berlin, Mainz und München wählen. Als Professor für politische Wissenschaft sollte er sich vornehmlich um die Ausbildung der Sozialkundelehrer an weiterführenden Schulen kümmern.
Schon 1967 verfasste er ein Buch gegen die NPD, verantwortete danach ein Forschungsprojekt über den parlamentarischen Alltag von Bundestagsabgeordneten. Es war die Zeit der Studentenunruhen: "Die Professorenschaft, ohnehin ein loses Bündel von Individualisten, fiel angesichts der ständigen Attacken immer mehr auseinander." Empörte hätten nach dem Staat gerufen, Resignierte sich in die Forschung zurückgezogen und Verständnisvolle alsbald den Undank der Revoltierenden gespürt. Maier organisierte mit Assistenten den "Widerstand gegen Vorlesungsstörungen".
Nach dem imposanten Wahlsieg der CSU vom November 1970 bot ihm Ministerpräsident Alfons Goppel das Kultusministerium an. Als Quer- und Seiteneinsteiger bezeichnet sich Maier, als "Politiker des zweiten Bildungswegs". Nach der Vereidigung gratulierte ihm der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß "in einem freundlichen Telefonanruf", und der rheinland-pfälzische Kultusminister Bernhard Vogel (CDU) telegrafierte: "Willkommen im Kreis der Prügelknaben der Nation!" Der parteilose Maier war - wie er viel später erfuhr - nicht der Wunschkandidat Goppels gewesen. Der Ministerpräsident beabsichtigte, den Vorsitzenden des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Wilhelm Ebert, zu berufen, "einen machtbewussten Mann mit internationaler Erfahrung, der seit langem in der bayerischen Politik kräftig mitmischte". Eine Intervention des Amtschefs im Kultusministerium, Karl Böck, und eines Münchener Klinik-Chefs bei Strauß ließen Goppels Plan scheitern. "Die Einzelheiten übergehe ich hier", schreibt Maier milde. Akribisch erläutert er die neun Gesetze seiner Ministerzeit: vom Berufsschulgesetz über das Denkmalschutzgesetz bis zum Lehrerbildungsgesetz und Hochschulgesetz. Übrigens führte er bereits 1973 ein Unterrichtsangebot für türkische Schüler muslimischen Glaubens an Bayerns Grundschulen ein - erteilt durch türkische Lehrer, die von der Türkei vorübergehend in den Freistaat entsandt wurden.
Maier, der 1973 in die CSU eintrat und von 1978 an dem Landtag angehörte, war acht Jahre Minister unter Goppel, weitere acht Jahre unter Strauß. Der eine sei Landesvater, der andere "Bayernherrscher" gewesen, der eine der Bedächtige, der andere der Mächtige. Diese Doppelspitze sei ideal für die CSU gewesen, bis Strauß 1978 den Bundestag verließ und selbst Ministerpräsident wurde. Die Rednergabe von Strauß habe er bewundert, dessen Impulsivität abgelehnt. 1976 hatte Strauß ihn in Südtirol als "arroganten Professor" beschimpft, was "nicht der letzte Zusammenstoß" blieb. Dennoch sei er 1978 aus "Neugier" im Kabinett geblieben.
Während Goppel ein erfahrener Verwaltungsmann gewesen sei, habe Strauß am Kabinettstisch die "leidenschaftliche, hoch engagierte Parteinahme für den einzelnen Bürger, auch und gerade dort, wo dieser mit der Verwaltung im Streit lag", bevorzugt. Ihm sei die in Bayern populäre Rolle des "starken Anarchen" auf den Leib geschrieben gewesen. Von der nun personell aufgeblähten Staatskanzlei seien die Ministerien oft gegängelt, "interne Aufstiegswege" in den Ressorts blockiert worden. So habe sich ein "Defensivgeist" herausgebildet: "Unter den Argusaugen der zentralen Aufsicht erstarrten viele Initiativen, die unter normalen Umständen von risikobereiten, unternehmungslustigen Einzelnen - und die gab es in der qualifizierten bayerischen Verwaltung zuhauf - ausgingen."
Als Strauß 1986 das Ministerium für Unterricht und Kultus in ein Ressort für Wissenschaft und Kunst und ein Ressort für Unterricht und Kultus aufteilte, stand der populäre Maier nicht mehr zur Verfügung. Ende 1987 legte er auch sein Abgeordnetenmandat nieder, um sich wieder ganz der Forschung und Lehre widmen zu können. Beim Abschied von den Parlamentskollegen sagte er: "Unsere Politik leidet an Politikern, die schon in jungen Jahren die Brücken zum zivilen Leben abbrechen." Solche Menschen hätten "wenig Widerstandskraft in Krisenfällen. Sie werden immer geneigt sein, das Votum einer Partei vor die eigene Meinung zu setzen, sich von Stimmungen in der Öffentlichkeit beeindrucken zu lassen und die Zornausbrüche eines Vorsitzenden für Dienstanweisungen zu halten." Er empfahl Distanz, Selbstironie und "eine kräftige Impfung gegen die Versuchungen der Gottähnlichkeit" - Worte eines großen Formulierungsmeisters, die nichts an Aktualität eingebüßt haben.
RAINER BLASIUS.
Hans Maier: Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff. Verlag C. H. Beck, München 2011. 420 S., 24,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Zwei Drittel der Erinnerungen des Politikwissenschaftlers Hans Maier, der von 1970-1986 bayerischer Kultusminister war, haben dem Rezensenten Robert Leicht wirklich gut gefallen. Die Anfangsjahre des in eine badisch-katholische Familie Hineingeborenen findet Leicht lebhaft und interessant erzählt. Die Bodenständigkeit Maiers, der auch in den Politikwissenschaften eher das Erzieherische als das Visionäre, Ideologische bevorzugt, beeindruckt ihn. Ebenso die Schilderung der Jahre nach Maiers Rücktritt als Kultusminister. Aber was dazwischen liegt - die Jahre "am Hofe des gewaltigen Herrschers Strauß - bleibt für Leicht sehr blass. Nichts Neues erfährt er über die großen Konflikte in dieser Zeit. Maier bleibt verschwiegen, die Erzählung verliert an Schwung. Schade, findet Leicht, der in Maier eigentlich einen Freigeist erkennt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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