Ein Mann, der Ich-Erzähler, liebt eine Frau, die mit einem anderen Mann zusammenlebt und mit ihm ein Kind hat, was nichts daran ändert, dass sie sich immer wieder treffen und nach einander verzehren. Aber da gibt es auch noch die andere Frau, die den Ich-Erzähler vergöttert und alles für ihn tun würde, aber auch alles von ihm verlangt. Die Erste fordert, ihren Mann Robert zu töten, damit es endlich zu irgendeiner Entscheidung kommt, die andere droht mit einem Clan-Krieg, wenn er ihre Liebe verrät. Alle spielen gemeinsam das Spiel von Liebe und Begehren, Lüge und Verrat, Hingabe und Entzug, mit allen Tricks und Kniffen, leidenschaftlich, abgründig, bisweilen komisch. Ein archaisches, ein unausweichliches, ein blutiges Spiel.
In seinem vierten Roman "Böse Spiele" entwickelt Michael Stavaric ein ebenso kunstvolles wie packendes Arrangement, eine gleichzeitig durchaus realistische und doch geradezu bühnenartige Szenenfolge, die einen vollkommen in den Bann zieht. Der ewige Geschlechterkrieg wird mit originellen und wuchtigen Bildern bedacht, betörend, intelligent und mit großer emotionaler Kraft zieht einen Stavarics Roman in den Abgrund der Liebe.
Denn in der heutigen Welt regelt kein Sittengesetz und kein gesellschaftlicher Zwang in Wahrheit mehr das Verhältnis der Geschlechter. Ihren Trieben, ihrer mit allen Wassern gewaschenen Intelligenz und der Maschinerie des Begehrens ausgesetzt, spielen sie unausgesetzt ihre "bösen Spiele". Darauf reagiert dieser kluge und zugleich ergreifende Roman.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
In seinem vierten Roman "Böse Spiele" entwickelt Michael Stavaric ein ebenso kunstvolles wie packendes Arrangement, eine gleichzeitig durchaus realistische und doch geradezu bühnenartige Szenenfolge, die einen vollkommen in den Bann zieht. Der ewige Geschlechterkrieg wird mit originellen und wuchtigen Bildern bedacht, betörend, intelligent und mit großer emotionaler Kraft zieht einen Stavarics Roman in den Abgrund der Liebe.
Denn in der heutigen Welt regelt kein Sittengesetz und kein gesellschaftlicher Zwang in Wahrheit mehr das Verhältnis der Geschlechter. Ihren Trieben, ihrer mit allen Wassern gewaschenen Intelligenz und der Maschinerie des Begehrens ausgesetzt, spielen sie unausgesetzt ihre "bösen Spiele". Darauf reagiert dieser kluge und zugleich ergreifende Roman.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2009Meine Wut, die hat drei Ecken
Michael Stavaric bringt den Leser auf die Palme
Ein Mann zwischen zwei Frauen: Die eine will er haben, kann er aber nicht, die andere kann er haben, will er aber nicht. Kopflos gerät er in eine Gemengelage, die, man vermutet es vom ersten Satz an, ihren Preis fordern wird: "Wenn ich bei der Wahrheit geblieben wäre . . ." Statt dabei zu bleiben, verheddert sich der Ich-Erzähler des neuen Romans von Michael Stavaric weniger in der moralisch abgründigen Dreiecksbeziehung als vielmehr in den stilistisch leider oft misslungenen Sprachspielen und den mitunter mühsamen Verwirrspielen im Plot.
Der Klappentext lobt die "bühnenartige Szenenfolge" des mit "originellen und wuchtigen Bildern" bedachten Geschlechterkriegs. Die Eignung als Bühnenstück, sollte man meinen, ist für einen Roman noch kein Kriterium, auch wenn immer mehr Epik dramatisiert wird. Schlimmer aber sind die Bilder, die eben nicht originell und wuchtig, sondern gewollt und überladen wirken.
Metaphorisch für den Helden steht offenbar das Leitmotiv des Palmdiebs, eines scheuen Krebstiers, das nachts mit seinen starken Scheren Kokosnüsse aufbricht und in manchen Regionen nicht zuletzt aufgrund seiner angeblich aphrodisierenden Wirkung verzehrt wird. Der Palmdieb als Frauenaufbrecher? Das wäre noch zu ertragen, gäbe es da nicht diese Plastikpalme, die ihre Farbe beständig wechselt und unter der der Erzähler wie unter Wiederholungszwang äußert, die von ihm begehrte Frau trage ihr Herz links, "wo es hingehört", und er "trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf".
Dieser offenbar kopflastige, hauptamtlich unentschlossene Schwerenöter schwankt also zwischen zwei namenlosen Frauen, zwischen der verheirateten jungen Mutter, die ihren Mann, Robert, aber nicht verlassen will, und "der anderen", der Lebensbejahenden, die er sofort haben könnte - eine nicht uninteressante ménage à trois oder sogar quatre. Aber in diesem anonymen Theater ist der sprunghaften Handlung schwer zu folgen. Und warum ausgerechnet der betrogene Ehemann einzig beim Namen (Robert) genannt wird, bleibt bis zuletzt unklar. Klar wird lediglich, dass dieses amouröse Versteckspiel nicht lange durchgehalten werden kann. Den Schlachtplan entwerfen, unabhängig voneinander, die beiden Frauen. Es kommt zum Krieg der Geschlechter, bei dem gemetzelt und gemordet wird, mittendrin im Geschehen der zum Töten aufgestachelte Erzähler. Dass er in diesem Kampf nicht gewinnen kann, dämmert ihm - und dem Leser - nach seitenlangen, surreal anmutenden Kriegsszenen, als er, über das Schlachtfeld taumelnd, immer nur nach seinem Widersacher Robert sucht: "Ob sich Robert gar in mir verbarg?"
Also alles nur Kopfkino? "Böse Spiele", so merkt man schließlich, treibt hier nur einer, nämlich der Autor mit seinen Figuren und seinen Lesern. Zur Konturlosigkeit des Personals mag es passen, dass nahezu alles in indirekter Rede steht, die denn auch eine gewisse Sogwirkung entfaltet. Das aber hat man, in Verbindung mit einem überzeugenden Plot und mit psychologischer Tiefenschärfe erfassten Figuren, anderswo schon besser gelesen, etwa bei Andreas Maier. Stavarics Spiele sind dagegen zum Verzweifeln überambitioniert.
FRIEDERIKE REENTS
Michael Stavaric: "Böse Spiele". Roman. C. H. Beck Verlag, München 2009. 155 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Stavaric bringt den Leser auf die Palme
Ein Mann zwischen zwei Frauen: Die eine will er haben, kann er aber nicht, die andere kann er haben, will er aber nicht. Kopflos gerät er in eine Gemengelage, die, man vermutet es vom ersten Satz an, ihren Preis fordern wird: "Wenn ich bei der Wahrheit geblieben wäre . . ." Statt dabei zu bleiben, verheddert sich der Ich-Erzähler des neuen Romans von Michael Stavaric weniger in der moralisch abgründigen Dreiecksbeziehung als vielmehr in den stilistisch leider oft misslungenen Sprachspielen und den mitunter mühsamen Verwirrspielen im Plot.
Der Klappentext lobt die "bühnenartige Szenenfolge" des mit "originellen und wuchtigen Bildern" bedachten Geschlechterkriegs. Die Eignung als Bühnenstück, sollte man meinen, ist für einen Roman noch kein Kriterium, auch wenn immer mehr Epik dramatisiert wird. Schlimmer aber sind die Bilder, die eben nicht originell und wuchtig, sondern gewollt und überladen wirken.
Metaphorisch für den Helden steht offenbar das Leitmotiv des Palmdiebs, eines scheuen Krebstiers, das nachts mit seinen starken Scheren Kokosnüsse aufbricht und in manchen Regionen nicht zuletzt aufgrund seiner angeblich aphrodisierenden Wirkung verzehrt wird. Der Palmdieb als Frauenaufbrecher? Das wäre noch zu ertragen, gäbe es da nicht diese Plastikpalme, die ihre Farbe beständig wechselt und unter der der Erzähler wie unter Wiederholungszwang äußert, die von ihm begehrte Frau trage ihr Herz links, "wo es hingehört", und er "trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf".
Dieser offenbar kopflastige, hauptamtlich unentschlossene Schwerenöter schwankt also zwischen zwei namenlosen Frauen, zwischen der verheirateten jungen Mutter, die ihren Mann, Robert, aber nicht verlassen will, und "der anderen", der Lebensbejahenden, die er sofort haben könnte - eine nicht uninteressante ménage à trois oder sogar quatre. Aber in diesem anonymen Theater ist der sprunghaften Handlung schwer zu folgen. Und warum ausgerechnet der betrogene Ehemann einzig beim Namen (Robert) genannt wird, bleibt bis zuletzt unklar. Klar wird lediglich, dass dieses amouröse Versteckspiel nicht lange durchgehalten werden kann. Den Schlachtplan entwerfen, unabhängig voneinander, die beiden Frauen. Es kommt zum Krieg der Geschlechter, bei dem gemetzelt und gemordet wird, mittendrin im Geschehen der zum Töten aufgestachelte Erzähler. Dass er in diesem Kampf nicht gewinnen kann, dämmert ihm - und dem Leser - nach seitenlangen, surreal anmutenden Kriegsszenen, als er, über das Schlachtfeld taumelnd, immer nur nach seinem Widersacher Robert sucht: "Ob sich Robert gar in mir verbarg?"
Also alles nur Kopfkino? "Böse Spiele", so merkt man schließlich, treibt hier nur einer, nämlich der Autor mit seinen Figuren und seinen Lesern. Zur Konturlosigkeit des Personals mag es passen, dass nahezu alles in indirekter Rede steht, die denn auch eine gewisse Sogwirkung entfaltet. Das aber hat man, in Verbindung mit einem überzeugenden Plot und mit psychologischer Tiefenschärfe erfassten Figuren, anderswo schon besser gelesen, etwa bei Andreas Maier. Stavarics Spiele sind dagegen zum Verzweifeln überambitioniert.
FRIEDERIKE REENTS
Michael Stavaric: "Böse Spiele". Roman. C. H. Beck Verlag, München 2009. 155 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2009Wenn ein Mann zur Sache kommt
Mit Homer in den aktuellen Geschlechterkampf: Michael Stavarics Roman „Böse Spiele”
Mann und Frau – ein altes Spiel: leicht zu spielen war es noch nie. Aber es ist nicht einfacher geworden, seit keiner mehr die Regeln kennt. Wer welche Züge machen darf, ist schon lange nicht mehr gewiss, und was eine Frau ist und was ein Mann, steht ebenfalls zur Debatte. Gibt es die Liebe eigentlich noch? Oder ist sie längst ausgestorben, während die Anzahl der Geschlechter seit der Erfindung der gender studies anstieg? „Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen rotgoldene Augen und siderische Stimmen haben, an dem ihre Hände begabt sein werden für die Liebe, und die Poesie ihres Geschlechts wird wieder erschaffen sein . . . ” Wie aus ferner Vorzeit klingt diese Liebesutopie, die Ingeborg Bachmann ihrem Roman „Malina” einpflanzte, um der Verzweiflung ihrer Erzählerin das richtige Maß zu geben.
Michael Stavaric wurde 1972, ein Jahr nach dem Erscheinen von Bachmanns Dreiecksgeschichte, im tschechischen Brno geboren und zog als Siebenjähriger mit seiner Familie nach Österreich. „Böse Spiele” ist, neben Kinderbüchern und einem Essay, sein vierter Roman, und er gebärdet sich ziemlich wild und ungeniert. Da wird gevögelt und betrogen, gezeugt und abgetrieben, da wird, mit geradezu antiker Grausamkeit, gekämpft bis aufs Blut.
Ein Motto aus der „Illias” ist dem Buch vorangestellt, lustvoll banalisiert durch ein weiteres Motto: „Don’t speak” der amerikanischen Rockband „No Doubt”. Und doch ist „Böse Spiele” ein hochsensibler Roman, der empfindlichen Prosa einer Ingeborg Bachmann näher als man auf den ersten Blick annimmt. Denn hier ist es ausnahmsweise einmal ein Mann, der die Liebe mit jener Intensität verteidigt, die man sonst nur von Frauen kennt. Dass das bei aller Ähnlichkeit anders aussieht, liegt in der Natur der Sache.
Wie kann man als Mann von der Liebe sprechen, ohne seine Männlichkeit zu verlieren? Ein Softie, wie das mittlerweile viel gescholtene alternative Rollenmodell aus den siebziger Jahren heißt, will der namenlose Ich-Erzähler nicht sein. Dafür kennt er die Frauen zu gut. Er weiß, „dass Frauen gar nichts dagegen haben, wenn ein Mann zur Sache kommt, wenn er nur seine Sache gut macht”.
Das hört sich chauvinistisch an, doch Michael Stavaric hat dafür eine kluge Lösung gefunden. Zwar spricht sein Erzähler auch aus eigener Sicht, ein Großteil des Textes aber ist die indirekte Wiedergabe dessen, was die beiden weiblichen Hauptfiguren des Romans sagen: die eine Frau, die er liebt und die mit einem anderen Mann und dem gemeinsamen Kind zusammenlebt; und die andere Frau, die wiederum ihn liebt, eine moderne Penthesilea, die mit mehreren Brüdern und Schwestern auf dem Land lebt.
Der Kunstgriff des Romans ist die Verschränkung des zeitgenössischen Geschlechterdiskurses mit Bruchstücken verschiedener Mythen. Von der Antike über die alten Geschichten nomadischer Reitervölker bis hin zu Goethes „Wahlverwandtschaften” nimmt sich der Autor, was er brauchen kann. Er formt daraus einen großen männlichen Klagegesang, der zugleich auf eine merkwürdige Weise feminisiert ist. Das liegt nicht nur an den Stimmen der beiden Frauen, sondern auch an der Position des Erzählers. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf die seltenen Gelegenheiten zu warten, die Geliebte zu sehen. Das Kampfgetöse, die blutigen Schlachten, das explizite Ausstellen des Geschlechtlichen, sind gewissermaßen nur der Harnisch, unter dem sich das eigentliche Problem verbirgt: dass das Männliche keinen Ort mehr hat, an dem es sich ungestraft zur Geltung bringen kann.
Der Roman inszeniert ein stets gefährdetes Sprechen. Es kann die Form einer verunsicherten Erinnerung annehmen – „Ob du dich noch erinnerst, als ich dir erzählte” – oder kenntlich machen, dass es zwischen dem Erzähler und der Geliebten viel zu selten zum Austausch kommt. Dann bleibt er mit seinen Weisheiten allein: „Ob sie weiß, dass die Frauen uns Männer gern überschätzen, weil es sie sicherer macht, dass die meisten Frauen ein Kind wollen, dass dieses Kind für vieles entschädigt. Dass man mir angeboten hat, ein Kind zu zeugen, sogar zweimal, aber ich habe Nein gesagt.”
Das Kind der Geliebten ist der wunde Punkt der Geschichte. Denn es könnte, hätte sie sich am Tag der Zeugung ihm hingegeben, seines sein. Fast wäre es dazu gekommen, irgendwo auf einer Wiese. Doch ihre Furcht vor Entdeckung war größer. Und so schlief sie später mit Robert. Der Rivale ist die einzige Figur, die einen Namen trägt. Das erhöht die Treffsicherheit. Aber der Erzähler selbst kämpft gar nicht gegen den Konkurrenten. Es ist die Geliebte, die ihn aufwiegelt. Schließlich fordert sie ihn sogar auf, Robert zu töten. Das ist der Auslöser für eine Phantasmagorie des ewigen Kriegs zwischen den Geschlechtern. Gegen Ende des Romans macht Stavaric mit der Kriegs-Metapher ernst und hetzt ein Frauen- und ein Männerheer gegeneinander. Ehrensache, dass er den Erzähler auf der Seite der Frauen kämpfen lässt. Aber es hilft ihm nichts. Immerhin stirbt die Geliebte in seinen Armen.
„Böse Spiele” fasziniert und befremdet. Man wird nicht so leicht fertig mit diesem Roman. Nicht nur, weil sich sein Realismus so ungeniert mit dem Mythos verbündet, sondern auch, weil er eine unangenehme Wahrheit zeigt: dass sich die Frauen mittlerweile recht komfortabel in ihrer Kritik an den Männern eingerichtet haben und ihnen hemmungslos jede erdenkliche Schmähung an den Kopf werfen. „Ob ich überhaupt weiß, wie sehr sie allen Männern den Tod wünscht, nimm es nicht persönlich, sagt sie. Dass keine Frau glücklich ist (und sie kennt eine Menge), dass eine Frau glücklicher wäre, wenn ihr kein Mann in die Quere käme, dass die Frauen Opfer blieben und die Männer Täter.”
Es sieht so aus, als wären die Frauen zurzeit das militantere Geschlecht. Kluge Männer können ihnen das nicht übel nehmen, schließlich wissen sie um ihre jahrhundertelange Unterdrückung. Einfach ist es dennoch nicht. Davon erzählt „Böse Spiele” mit großer rhetorischer Raffinesse – und mit der Hoffnung, „dass man irgendwann vielleicht genug hat vom Krieg”. MEIKE FESSMANN
MICHAEL STAVARIC: Böse Spiele. Roman. Verlag C. H. Beck, München 2009. 155 Seiten, 16,90 Euro.
Die moderne Liebe im Blick: Michael Stavaric Foto: imago stock&people
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Mit Homer in den aktuellen Geschlechterkampf: Michael Stavarics Roman „Böse Spiele”
Mann und Frau – ein altes Spiel: leicht zu spielen war es noch nie. Aber es ist nicht einfacher geworden, seit keiner mehr die Regeln kennt. Wer welche Züge machen darf, ist schon lange nicht mehr gewiss, und was eine Frau ist und was ein Mann, steht ebenfalls zur Debatte. Gibt es die Liebe eigentlich noch? Oder ist sie längst ausgestorben, während die Anzahl der Geschlechter seit der Erfindung der gender studies anstieg? „Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen rotgoldene Augen und siderische Stimmen haben, an dem ihre Hände begabt sein werden für die Liebe, und die Poesie ihres Geschlechts wird wieder erschaffen sein . . . ” Wie aus ferner Vorzeit klingt diese Liebesutopie, die Ingeborg Bachmann ihrem Roman „Malina” einpflanzte, um der Verzweiflung ihrer Erzählerin das richtige Maß zu geben.
Michael Stavaric wurde 1972, ein Jahr nach dem Erscheinen von Bachmanns Dreiecksgeschichte, im tschechischen Brno geboren und zog als Siebenjähriger mit seiner Familie nach Österreich. „Böse Spiele” ist, neben Kinderbüchern und einem Essay, sein vierter Roman, und er gebärdet sich ziemlich wild und ungeniert. Da wird gevögelt und betrogen, gezeugt und abgetrieben, da wird, mit geradezu antiker Grausamkeit, gekämpft bis aufs Blut.
Ein Motto aus der „Illias” ist dem Buch vorangestellt, lustvoll banalisiert durch ein weiteres Motto: „Don’t speak” der amerikanischen Rockband „No Doubt”. Und doch ist „Böse Spiele” ein hochsensibler Roman, der empfindlichen Prosa einer Ingeborg Bachmann näher als man auf den ersten Blick annimmt. Denn hier ist es ausnahmsweise einmal ein Mann, der die Liebe mit jener Intensität verteidigt, die man sonst nur von Frauen kennt. Dass das bei aller Ähnlichkeit anders aussieht, liegt in der Natur der Sache.
Wie kann man als Mann von der Liebe sprechen, ohne seine Männlichkeit zu verlieren? Ein Softie, wie das mittlerweile viel gescholtene alternative Rollenmodell aus den siebziger Jahren heißt, will der namenlose Ich-Erzähler nicht sein. Dafür kennt er die Frauen zu gut. Er weiß, „dass Frauen gar nichts dagegen haben, wenn ein Mann zur Sache kommt, wenn er nur seine Sache gut macht”.
Das hört sich chauvinistisch an, doch Michael Stavaric hat dafür eine kluge Lösung gefunden. Zwar spricht sein Erzähler auch aus eigener Sicht, ein Großteil des Textes aber ist die indirekte Wiedergabe dessen, was die beiden weiblichen Hauptfiguren des Romans sagen: die eine Frau, die er liebt und die mit einem anderen Mann und dem gemeinsamen Kind zusammenlebt; und die andere Frau, die wiederum ihn liebt, eine moderne Penthesilea, die mit mehreren Brüdern und Schwestern auf dem Land lebt.
Der Kunstgriff des Romans ist die Verschränkung des zeitgenössischen Geschlechterdiskurses mit Bruchstücken verschiedener Mythen. Von der Antike über die alten Geschichten nomadischer Reitervölker bis hin zu Goethes „Wahlverwandtschaften” nimmt sich der Autor, was er brauchen kann. Er formt daraus einen großen männlichen Klagegesang, der zugleich auf eine merkwürdige Weise feminisiert ist. Das liegt nicht nur an den Stimmen der beiden Frauen, sondern auch an der Position des Erzählers. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf die seltenen Gelegenheiten zu warten, die Geliebte zu sehen. Das Kampfgetöse, die blutigen Schlachten, das explizite Ausstellen des Geschlechtlichen, sind gewissermaßen nur der Harnisch, unter dem sich das eigentliche Problem verbirgt: dass das Männliche keinen Ort mehr hat, an dem es sich ungestraft zur Geltung bringen kann.
Der Roman inszeniert ein stets gefährdetes Sprechen. Es kann die Form einer verunsicherten Erinnerung annehmen – „Ob du dich noch erinnerst, als ich dir erzählte” – oder kenntlich machen, dass es zwischen dem Erzähler und der Geliebten viel zu selten zum Austausch kommt. Dann bleibt er mit seinen Weisheiten allein: „Ob sie weiß, dass die Frauen uns Männer gern überschätzen, weil es sie sicherer macht, dass die meisten Frauen ein Kind wollen, dass dieses Kind für vieles entschädigt. Dass man mir angeboten hat, ein Kind zu zeugen, sogar zweimal, aber ich habe Nein gesagt.”
Das Kind der Geliebten ist der wunde Punkt der Geschichte. Denn es könnte, hätte sie sich am Tag der Zeugung ihm hingegeben, seines sein. Fast wäre es dazu gekommen, irgendwo auf einer Wiese. Doch ihre Furcht vor Entdeckung war größer. Und so schlief sie später mit Robert. Der Rivale ist die einzige Figur, die einen Namen trägt. Das erhöht die Treffsicherheit. Aber der Erzähler selbst kämpft gar nicht gegen den Konkurrenten. Es ist die Geliebte, die ihn aufwiegelt. Schließlich fordert sie ihn sogar auf, Robert zu töten. Das ist der Auslöser für eine Phantasmagorie des ewigen Kriegs zwischen den Geschlechtern. Gegen Ende des Romans macht Stavaric mit der Kriegs-Metapher ernst und hetzt ein Frauen- und ein Männerheer gegeneinander. Ehrensache, dass er den Erzähler auf der Seite der Frauen kämpfen lässt. Aber es hilft ihm nichts. Immerhin stirbt die Geliebte in seinen Armen.
„Böse Spiele” fasziniert und befremdet. Man wird nicht so leicht fertig mit diesem Roman. Nicht nur, weil sich sein Realismus so ungeniert mit dem Mythos verbündet, sondern auch, weil er eine unangenehme Wahrheit zeigt: dass sich die Frauen mittlerweile recht komfortabel in ihrer Kritik an den Männern eingerichtet haben und ihnen hemmungslos jede erdenkliche Schmähung an den Kopf werfen. „Ob ich überhaupt weiß, wie sehr sie allen Männern den Tod wünscht, nimm es nicht persönlich, sagt sie. Dass keine Frau glücklich ist (und sie kennt eine Menge), dass eine Frau glücklicher wäre, wenn ihr kein Mann in die Quere käme, dass die Frauen Opfer blieben und die Männer Täter.”
Es sieht so aus, als wären die Frauen zurzeit das militantere Geschlecht. Kluge Männer können ihnen das nicht übel nehmen, schließlich wissen sie um ihre jahrhundertelange Unterdrückung. Einfach ist es dennoch nicht. Davon erzählt „Böse Spiele” mit großer rhetorischer Raffinesse – und mit der Hoffnung, „dass man irgendwann vielleicht genug hat vom Krieg”. MEIKE FESSMANN
MICHAEL STAVARIC: Böse Spiele. Roman. Verlag C. H. Beck, München 2009. 155 Seiten, 16,90 Euro.
Die moderne Liebe im Blick: Michael Stavaric Foto: imago stock&people
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein anstrengendes Buch hat Friederike Reents da lesen müssen. Mühsam findet Reents nicht nur die Bemühtheit Michael Stavarics um Verwirrung im Plot und Originalität im Bild, sondern ebenso die Handlung selbst, eine "menage a trois oder sogar quatre", die sich zum Geschlechterkrieg ausweitet, ohne dass es die Rezensentin vom Stuhl haut vor Überraschung. Ein Schwerenöter mag der wenig konturierte männliche Held des szenischen Romans sein, doch das "Böse Spiel" treibt für Reents der Autor - und zwar mit seinen Lesern. Da liest sie lieber Andreas Maier, der nicht nur die indirekte Rede als Stilmittel beherrscht, sondern auch die tiefenscharfe Plot- und Personenführung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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