Von Psychopathen wie Charles Manson oder Serienmördern wie Jack the Ripper geht eine unheimliche Faszination aus. Doch woher kommt sie? Und warum verdrängen wir so gern das alltäglichere Böse - von den eigenen Gewaltphantasien bis zum Machtmissbrauch im Büro? Die Kriminalpsychologin und Bestsellerautorin Julia Shaw taucht das Phänomen des Bösen in neues Licht. Shaw sucht und findet das Böse nicht nur in den Gehirnen von Massenmördern, sondern in jedem von uns. Und sie erläutert mithilfe psychologischer Fallstudien und neuester neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, wie wir uns mit unserer dunklen Seite versöhnen. Ein augenöffnendes Buch, das die vertrauten Kategorien von Gut und Böse völlig über den Haufen wirft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018Hinweise für Partygeher
Julia Shaw weiß, wie man über das Böse plaudert
Wenn Sie eben eine Einladung zu einer Party erhalten haben und sich fragen, wie Sie dort die Aufmerksamkeit einer Dame oder eines Herrn oder gleich einer ganzen Gruppe von Anwesenden auf sich lenken können, dann kommt das neue Buch von Julia Shaw für Sie gerade recht. Religion ist als Thema tabu, Politik delikat, aber die Frage: "Wissen Sie, wie sich Ihr Gehirn von dem Adolf Hitlers unterscheidet?" oder der Hinweis "In London gibt es übrigens einen Sex-Klub mit Kultstatus" dürfte Ihnen das Interesse der Umstehenden sichern.
Julia Shaw hilft auch beim zweiten Schritt der Unterhaltung weiter, denn ihr Buch über das Böse ist im Stil eines Party-Talks geschrieben. Locker-flockig behandelt es Themen, die ja irgendwie jeden faszinieren: Mord und Totschlag und Perversion. Die Autorin hat auch Anmerkungen eingefügt, so dass Sie sich nicht nur auf ihr Buch, sondern auch auf "Psychological Science" oder das "Journal of Applied Social Psychology" beziehen können.
Ihr Ziel sei es, schreibt die Autorin, "Unterhaltungen über das Böse" in Gang zu setzen. Ihr Buch sei aber kein religiöses oder philosophisches Buch. In der Tat - leider! Zwar kann ihr nun niemand vorwerfen, dass sie das Thema nicht umfassender behandelt hat. Aber es hätte dem Buch sicher gutgetan, wenn sie nicht lediglich Nietzsche-Zitate über die einzelnen Kapitel gestreut, sondern sich auch inhaltlich mit dem auseinandergesetzt hätte, was Philosophen und Theologen über das Phänomen des Bösen zu sagen hatten und haben.
Allerdings bieten die Sätze des großen Philosophen immerhin den Anschein der Gliederung in einem Werk, das ansonsten so wirkt, als ob die Autorin alles, was ihr zum weiten Feld des Bösen eingefallen ist, in die Suchmaschine eingegeben und das Ergebnis relativ zusammenhanglos ausgewertet habe. So finden sich ohne begriffliche Differenzierungen Untersuchungen zu Aggression und Sadismus in trauter Nachbarscharschaft zu Forschungen über Pädophilie, Nationalsozialismus, Vergewaltigung und Massenmord. Ist ja irgendwie alles böse.
Allerdings solle man auch niemanden als vollkommen böse etikettieren und somit entmenschlichen, mahnt die Autorin. Dies ist nun tatsächlich ein wichtiger und weiterführender Hinweis. Menschen sind nicht nur Psychopathen oder Diebe oder Pädophile. Selbst Mörder sind zuerst und vor allem noch Menschen. Ob ihr Buch "die vertrauten Kategorien von Gut und Böse über den Haufen wirft", wie der Verlag verspricht, sei dahingestellt. Der Verlag scheint selbst Zweifel zu haben. Denn das Cover ziert kein thematisch passendes Motiv, sondern ein Foto der Autorin. Die sieht nun alles andere als böse aus, sondern im Gegenteil ausgesprochen attraktiv. Attraktive Menschen, so informiert Julia Shaw, wirken im Allgemeinen vertrauenswürdiger. Mag sein, dass Julia Shaw in persona ihr bestes Verkaufsargument ist.
Über das Böse erfährt man in ihrem Buch jedenfalls nichts wirklich Neues. Wer aber ihren Stil mag und Anregungen für Smalltalk braucht, wird ganz auf seine Kosten kommen.
ANGELA RINN
Julia Shaw ",Böse".
Die Psychologie unserer
Abgründe.
Aus dem Englischen von Ursula Pesch und Claudia Block. Carl Hanser Verlag, München 2018. 320 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Julia Shaw weiß, wie man über das Böse plaudert
Wenn Sie eben eine Einladung zu einer Party erhalten haben und sich fragen, wie Sie dort die Aufmerksamkeit einer Dame oder eines Herrn oder gleich einer ganzen Gruppe von Anwesenden auf sich lenken können, dann kommt das neue Buch von Julia Shaw für Sie gerade recht. Religion ist als Thema tabu, Politik delikat, aber die Frage: "Wissen Sie, wie sich Ihr Gehirn von dem Adolf Hitlers unterscheidet?" oder der Hinweis "In London gibt es übrigens einen Sex-Klub mit Kultstatus" dürfte Ihnen das Interesse der Umstehenden sichern.
Julia Shaw hilft auch beim zweiten Schritt der Unterhaltung weiter, denn ihr Buch über das Böse ist im Stil eines Party-Talks geschrieben. Locker-flockig behandelt es Themen, die ja irgendwie jeden faszinieren: Mord und Totschlag und Perversion. Die Autorin hat auch Anmerkungen eingefügt, so dass Sie sich nicht nur auf ihr Buch, sondern auch auf "Psychological Science" oder das "Journal of Applied Social Psychology" beziehen können.
Ihr Ziel sei es, schreibt die Autorin, "Unterhaltungen über das Böse" in Gang zu setzen. Ihr Buch sei aber kein religiöses oder philosophisches Buch. In der Tat - leider! Zwar kann ihr nun niemand vorwerfen, dass sie das Thema nicht umfassender behandelt hat. Aber es hätte dem Buch sicher gutgetan, wenn sie nicht lediglich Nietzsche-Zitate über die einzelnen Kapitel gestreut, sondern sich auch inhaltlich mit dem auseinandergesetzt hätte, was Philosophen und Theologen über das Phänomen des Bösen zu sagen hatten und haben.
Allerdings bieten die Sätze des großen Philosophen immerhin den Anschein der Gliederung in einem Werk, das ansonsten so wirkt, als ob die Autorin alles, was ihr zum weiten Feld des Bösen eingefallen ist, in die Suchmaschine eingegeben und das Ergebnis relativ zusammenhanglos ausgewertet habe. So finden sich ohne begriffliche Differenzierungen Untersuchungen zu Aggression und Sadismus in trauter Nachbarscharschaft zu Forschungen über Pädophilie, Nationalsozialismus, Vergewaltigung und Massenmord. Ist ja irgendwie alles böse.
Allerdings solle man auch niemanden als vollkommen böse etikettieren und somit entmenschlichen, mahnt die Autorin. Dies ist nun tatsächlich ein wichtiger und weiterführender Hinweis. Menschen sind nicht nur Psychopathen oder Diebe oder Pädophile. Selbst Mörder sind zuerst und vor allem noch Menschen. Ob ihr Buch "die vertrauten Kategorien von Gut und Böse über den Haufen wirft", wie der Verlag verspricht, sei dahingestellt. Der Verlag scheint selbst Zweifel zu haben. Denn das Cover ziert kein thematisch passendes Motiv, sondern ein Foto der Autorin. Die sieht nun alles andere als böse aus, sondern im Gegenteil ausgesprochen attraktiv. Attraktive Menschen, so informiert Julia Shaw, wirken im Allgemeinen vertrauenswürdiger. Mag sein, dass Julia Shaw in persona ihr bestes Verkaufsargument ist.
Über das Böse erfährt man in ihrem Buch jedenfalls nichts wirklich Neues. Wer aber ihren Stil mag und Anregungen für Smalltalk braucht, wird ganz auf seine Kosten kommen.
ANGELA RINN
Julia Shaw ",Böse".
Die Psychologie unserer
Abgründe.
Aus dem Englischen von Ursula Pesch und Claudia Block. Carl Hanser Verlag, München 2018. 320 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wie sich Hitlers Gehirn von dem anderer Menschen unterscheidet oder welcher Sexclub in London Kultstatus hat, erfährt Rezensentin Angela Rinn in diesem Buch von Julia Shaw. Auch darüber hinaus entdeckt die Kritikerin hier einiges an Internetwissen über Perversionen, Aggression, Sadismus, Nationalsozialismus oder Pädophilie, lose verknüpft durch Nietzsche-Zitate und ein paar Forschungserkenntnisse. Neben einer Struktur vermisst die Rezensentin allerdings auch Hinweise auf andere Philosophen. Ihr Erkenntnisgewinn bleibt demnach gering, für ein paar nette Party-Plaudereien reicht es aber allemal, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Zwei Jahre, nachdem Julia Shaw darüber berichtet hat, wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht, ist ihr ein zweiter großer Wurf gelungen." Sven Stillich, Zeit Wissen, November/Dezember 2018
"Shootingstar Julia Shaw hat sich mit dem Bösen in uns beschäftigt. ... Sehr beeindruckend!"
Hubertus Meyer-Burckhardt, NDR Talkshow, 21.09.18
"Ein Thema, von dem eine ganz besondere Faszination ausgeht." Barbara Stöckl, ORF, 27.09.18
"Kaufen Sie das Buch!" Jan Böhmermann, Neo Magazin Royale, ZDF, 27.09.18
"Shootingstar Julia Shaw hat sich mit dem Bösen in uns beschäftigt. ... Sehr beeindruckend!"
Hubertus Meyer-Burckhardt, NDR Talkshow, 21.09.18
"Ein Thema, von dem eine ganz besondere Faszination ausgeht." Barbara Stöckl, ORF, 27.09.18
"Kaufen Sie das Buch!" Jan Böhmermann, Neo Magazin Royale, ZDF, 27.09.18